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Anarchie

Ob das gut geht? Hessen streicht Todesstrafe aus der Verfassung

Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass jemand die Hessen regieren will, ohne ihnen mit dem Tod drohen zu können.
Ein Henker und ein Mann auf einem elektrischen Stuhl, Nachbauten für Halloween
Foto: imago | biky

Hessen, das sollte mittlerweile weithin bekannt sein, ist das härteste Bundesland überhaupt. Die einzige offene Crack-Szene Deutschlands, dealende Rentner, 15-Jährige, die im Winter stundenlang nachts durch den Wald zur Schule laufen, nur um ihrer Mutter einen reinzudrücken – die Menschen hier sind sind anders. Härter.

Vielleicht hängt es damit zusammen, dass Hessen als einziges Bundesland noch bis vor Kurzem an der Todesstrafe festhielt.

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Ja, wirklich: Laut der hessischen Verfassung, die schon seit 1946 in Kraft ist, dürfen Menschen noch zum Tode verurteilt werden. Das ist auch mindestens zweimal passiert – bis dann 1949 die bundesdeutsche Verfassung in Kraft trat, in der die Todesstrafe nicht mehr vorgesehen war. Weil das Bundesrecht stärker ist als das Landesrecht, durften dann auch die emsigen Hessen niemanden mehr aufhängen. Trotzdem behielten sie die Todesstrafe erstmal in ihrer Verfassung – möglicherweise, um den bockigen Bürgern zumindest theoretisch mit gewaltsamer Körperkürzung drohen zu können. Bis letzte Woche.


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Letzte Woche durften die Hessen nämlich nicht nur eine neue Regierung für sich (und möglicherweise gleich für ganz Deutschland mit) wählen. Nebenbei wurde ihnen auch eine Reform der Landesverfassung zur Abstimmung vorgelegt, die unter anderem die Todesstrafe abschaffen sollte.

Tja, was hat man erwartet? Mit großer Mehrheit – 83,2 Prozent – entschieden sich diese renitenten Rheinparasiten dagegen, sich von ihrer Regierung – auch nur rein theoretisch! – den Schädel abschlagen zu lassen. Kindisch, aber jetzt nicht mehr zu ändern.

"Hinterlistische Messestescher und langhaarische Bumbelescher, allesamt!" – unverbürgtes Zitat von Volker Bouffier über das hessische Wahlvolk

Die Sorge ist groß: Werden die Hessen sich in Zukunft überhaupt nicht mehr disziplinieren lassen? Oder werden sie anfangen, Ebbelwoi direkt in die Venen zu spritzen, ihre Mütter unflätigst zu beleidigen und Raubzüge aus dem Odenwald ins benachbarte Baden-Württemberg zu führen?

Führende Juristen und Politikwissenschaftler verschanzen sich mit ihren Bedenken in ihren Büros. Jens Borchert, Professor für politische Soziologie und Staatstheorie an der Frankfurter Goethe-Universität, und Günter Frankenberg, Professor für Öffentliches Recht, Rechtsphilosophie und Rechtsvergleichung im selben Haus, haben sich beide noch nicht öffentlich zu dem Ergebnis geäußert – genauso wenig wie irgendeiner ihrer Kollegen. Auffällig! Offenbar sorgt die Angst vor dem entfesselten Volkszorn bereits jetzt dafür, dass die Gelehrten sich selbst zensieren.

Dass sie die Entwicklung mit Sorge betrachten, darf aber durchaus angenommen werden: Immerhin wurde in der gesamten Geschichte Hessens noch nie versucht, das Volk ohne die Androhung der Todesstrafe zu regieren. Es wird wohl nicht lange dauern, bis wir erfahren, wie gefährlich dieses Experiment wirklich ist.

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