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Der Hass gegen Ariana Grande zeigt, wie wenig wir von Beziehungen zu Suchtkranken verstehen

Internet-Kommentatoren machen Grande für die Überdosis ihres Ex Mac Miller verantwortlich. Dabei ist es nicht rücksichtslos, sich zu trennen, wenn die Belastung zu groß wird, sondern gesund.
Ariana Grande: imago | ZUMA Press) || Screenshot: @ignis_leaena | Twitter

Ariana Grande wird mittlerweile wissen, dass Teile des Internets manchmal mehr Empathie für einen aus dem Schlafzimmer ausgesperrten Labrador-Welpen aufbringen als für eine Frau, die um einen anderen Menschen trauert. Seit ihr Ex-Freund Mac Miller am Freitag im Alter von 26 Jahren tot in seinem Haus in Kalifornien gefunden wurde, geben User und Userinnen der Sängerin die Schuld an dessen tödlicher Überdosis: Auf ihrem Instagram-Profil schreiben Kommentierende, die 25-Jährige habe Mac Miller "getötet", als sie sich von ihm trennte. Sie habe seinen offenbar exzessiver werdenden Drogenkonsum mit der Trennung im Mai provoziert.

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Der Umgang mit Ariana Grande zeigt nicht nur, wie empathielos und scheiße manche in Sozialen Netzwerken unterwegs sind – sondern auch, wie wenig Verständnis die Gesellschaft für Menschen hat, die in einer Beziehung mit einem suchtkranken Menschen leben. Suchterkrankungen sind nicht nur für die betroffenen Personen eine ständige Herausforderung, sondern auch für deren Angehörige, Partner und Partnerinnen. Doch kurz nachdem die Nachricht am Freitagabend die Sozialen Netzwerke überflutet hatte, verhashtaggten die ersten Nutzer und Nutzerinnen ihre Schuldzuweisungen an Ariana Grande – statt ihr virtuellen Support zu schicken.


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Die Kommentarfunktion auf Ariana Grandes Instagram-Profil wurde seitdem ausgeschaltet. Viele Fans und Kritisierende stellen sich inzwischen hinter die Sängerin. Ariana Grande selbst deutete bereits kurz nach der Trennung Ende Mai an, dass sie gegenüber Mac Millers Drogenproblemen machtlos war. "Ich habe mich um ihn gekümmert und ihn dabei unterstützt, nüchtern zu bleiben", schrieb sie "Aber dass Frauen dafür verantwortlich gemacht werden, wenn ein Typ seinen Scheiß nicht auf die Reihe kriegt, ist ein großes Problem. Lasst uns bitte damit aufhören."

Suchtkranke sind immer dem Risiko einer Überdosis ausgeliefert ob sie einen Partner haben oder nicht

Wir können nur vermuten, wie lange Ariana Grande über die Trennung nachgedacht hat oder welche Bauchschmerzen sie jedes Mal hatte, nachdem sie von einer neuen Drogen-Eskalation ihres Ex gehört hatte. Allein der Tweet zeigt, dass es ihr nicht leicht gefallen ist, sich aus ihrer toxischen Beziehung, wie sie sie selbst beschreibt, zu retten. Und dass es unsinnig ist, der Sängerin nun dafür Vorwürfe zu machen, dass sie eine neue Beziehung hat oder nach der Trennung lächelnd auf Bühnen stand, während ihr Ex betrunken seinen G Wagon in einen Strommast lenkte.

"Mac Miller wäre vielleicht so oder so gestorben", sagt die Berliner Paartherapeutin Julia Bellabarba gegenüber VICE. "Dass die Trennung und die mutmaßliche Überdosis zusammengekommen sind, ist ein tragischer Zufall. Es gibt da aber keinen kausalen Zusammenhang." Bellabarba hält es für falsch, in solchen und ähnlichen Fällen den Fehler bei der Person zu suchen, die sich für die Trennung entscheidet. "Suchtkranke sind immer dem Risiko einer Überdosis ausgeliefert, egal, ob sie einen Partner haben oder nicht", erklärt die Therapeutin. Andererseits belaste eine Suchterkrankung eine Partnerschaft ungemein, sagt sie: "Sucht ist sozusagen eine Partnerschaft zu dritt."

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Wenn Gehende wie Ariana Grande entscheiden, dass sie eine Situation nicht aushalten können, sei das nachvollziehbar, erklärt Bellabarba: "Man entscheidet für sich, ob man in einer glücklichen oder unglücklichen Partnerschaft leben will", sagt sie. "Ob das eine gute oder schlechte Entscheidung für den Suchtkranken ist, kann niemand beurteilen." Die Person, die geht, habe keine Verantwortung dafür, ob die andere Person konsumiert oder nicht. "Bleibt der Partner, kann das die Sucht oft erhalten, denn der Suchtkranke denkt sich: 'So schlimm ist es nun wohl nicht.'", sagt Bellabarba. "Geht er, kann es der notwendige Schock sein, der etwas in der Sucht verändert."

"Sucht ist sozusagen eine Partnerschaft zu dritt." – Paartherapeutin Julia Bellabarba

Ob Mac Millers Abhängigkeit erst nach der Trennung weiter eskaliert ist und wie viel er schon davor konsumiert hat, lässt sich für Außenstehende wohl kaum rekonstruieren. Als Maßstab dafür, wie respektvoll Menschen mit seiner trauernden Ex-Partnerin umgehen, sollte das aber ohnehin nicht herhalten. Ariana Grande wollte nach zweieinhalb Jahren offensichtlich kein Teil dieser Suchterkrankung mehr sein. Und allein das ist Legitimation genug: "Natürlich habe ich nicht darüber geredet, wie hart oder angsterfüllt die Zeit war", schrieb die Sängerin im Mai. "Aber sie war es."

Am Sonntag teilte Ariana Grande auf ihrem Instagram-Account ein Schwarz/Weiß-Foto von Mac Miller, das sie vermutlich selbst aufgenommen hat. Sie kommentierte das Bild nicht. Aber manchmal braucht es weder Worte noch Hashtags, um zu wissen, wie sich eine Person fühlen muss – sondern einfach nur etwas Empathie.

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