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Deutscher Zusammenhalt

Eine Studie erklärt, warum Menschen in Sachsen so unsozial sind

Und weshalb der Rest von Deutschland auch nicht viel besser ist.
Foto: imago | Uwe Meinhold

Es war einmal ein Bundesland, das wie vier andere jahrzehntelang durch eine Mauer von der westlichen Welt abgeschottet wurde: Sachsen. Glaubt man westdeutschen Vorurteilen, ist Ostdeutschland noch immer eine arbeitsscheue und rassistische Insel. Eine neue Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt jetzt: Das stimmt zum Teil. Aber auch der Rest Deutschlands kann sich nicht unbedingt selbst auf die Schulter klopfen.

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Laut der Untersuchung gehen die Deutschen untereinander eher wenig liebevoll miteinander um. Im Auftrag der Stiftung hatten Wissenschaftler des Sozialinstituts "infas" im Frühjahr 2017 den sozialen Zusammenhalt in Deutschland analysiert. Für die repräsentative Studie befragten sie 5.041 Einwohner und Einwohnerinnen aller Bundesländer unter anderem dazu, wie oft sie sich mit ihren Freunden treffen und ob sie einen Ausländer als Nachbarn akzeptieren würden.

Sie kommen zu fragwürdigen Ergebnisse, so gab mehr als ein Fünftel der Deutschen an, keinen Migranten oder Ausländer als Nachbarn zu wollen. Im Vergleich schnitten die ostdeutschen Länder besonders schlecht ab. Das soziale Schlusslicht der Studie bildet Sachsen: In der Gesamtwertung hatte das Bundesland den niedrigsten Wert und damit den schlechtesten Zusammenhalt in ganz Deutschland. Die Wertung setzt sich aus neun verschiedenen Teilbereichen zusammen, die laut Studie Zusammenhalt ausmachen – etwa, ob die Bewohner ihren Mitmenschen oder Institutionen vertrauen oder ob sie hilfsbereit sind und andere Kulturen akzeptieren.


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Hier sind die interessantesten Fakten der Studie:

  • Sachsen liegt in allen neun geprüften Teilbereichen unter dem deutschen Durchschnitt.
  • Allerdings identifizieren sich die Sachsen besonders stark mit ihrem Wohnort, in diesem Bereich holen sie ihren Höchstwert – 76 von 100 möglichen Punkten. Doch selbst damit landet das vermeintlich patriotische Bundesland in dieser Wertung nur auf dem sechstletzten Platz.
  • Den niedrigsten Wert aller Bundesländer erspielte Sachsen beim Thema Gerechtigkeit. Hier wurden die Menschen etwa gefragt, ob sie fänden, dass Besitz und Vermögen in der Bevölkerung gerecht verteilt seien. Nur vier Prozent der Sachsen sind der Meinung, dass jeder das bekommt, was er verdient.
  • Nicht einmal die Hälfte (45 %) der Sachsen trifft sich regelmäßig mit Freunden und Bekannten.
  • "Zu Gast bei Freunden" war das Motto der WM 2006. Und die Deutschen so: Geht klar, solange ihr wieder geht. 22 Prozent der Befragten in ganz Deutschland sagen, dass sie keinen Ausländer als Nachbarn wollen. In Sachsen sind ist es sogar fast die Hälfte – 43 Prozent.
  • Und noch einen deutschen Höchstwert hat Sachsen in der Studie erzielt: 29 Prozent der dortigen Befragten gaben an, sich nicht für Politik zu interessieren. In keinem Bundesland sind es mehr.

Sachsen aber nun vereinfacht zum "failed State" zu erklären, wäre nicht fair. Die Bertelsmann-Stiftung stellt fest, dass sich die Menschen in dem Bundesland nicht nur subjektiv ungerecht behandelt fühlten, sondern es dort tatsächlich viele Ungleichheiten gibt. "Um den Zusammenhalt zu stärken, kommt es darauf an, soziale Ungleichheit zu verringern und Armut zu verhindern und die ökonomische Situation in den neuen Bundesländern weiter zu verbessern", so der Experte Kai Unzicker.

Wo viele Menschen von Armut oder Arbeitslosigkeit betroffen lebten, sei der Zusammenhalt generell niedriger, stellt die Stiftung fest. Wohlstandsgesellschaften zeigten sich untereinander solidarischer – hätten aber auch allgemein eine positivere Einstellung zur Globalisierung. Die Moral von der Geschichte: Egal, ob in der Garage nun die Pegida-Flagge liegt oder der polierte Porsche steht – wir könnten uns alle ein bisschen mehr lieb haben.

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