Verwesender Hai in Formaldehyd-Tank
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In diesem verlassenen Wildtierpark gammelt ein Weißer Hai vor sich hin

Das vier Meter lange Ungeheuer verwest in einem Tank Formaldehyd wie ein Billig-Damien-Hirst.

Zwischen ein paar Bier erzählte mir eine Freundin etwas Spannendes: Nur anderthalb Autostunden von Melbourne entfernt könne ich in einem verlassenen Wildtierpark einen Weißen Hai sehen. Einen, der einsam und allein in Formaldehyd vor sich hin rottet.

Kurz vor meinem Ausflug tauchte dann ein Video in meinem Feed auf. Offenbar hatten auch andere den verlassenen Park besucht und sogar gefilmt. In nur wenigen Tagen hatte das Video zahlreiche Views bekommen, bald sind es zehn Millionen.

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In dem Clip kann man sehen, dass irgendjemand das Dach des Hai-Tanks abgerissen hatte, was wiederum andere Trottel oder Trottelinnen dazu verleitete, einen kaputten Fernseher reinzuschmeißen. Den feinen Rissen im Glas des Tanks nach zu urteilen hatte jemand den Sarkophag mit einem schweren Gegenstand bearbeitet. Da das Video nicht zur chemischen Grabruhe des Tieres beitragen dürfte, gab es keine Zeit mehr zu verlieren.

Mit unerwartet teuren Atemschutzmasken gegen die giftigen Formaldehyd-Dämpfe und etwas Proviant ausgestattet, machten eine Freundin und ich uns auf dem Weg zum Gammelhai.

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Die Scheune mit dem Tier war das Erste, was wir nach zwei Minuten Fußweg vom Eingang des Grundstücks sahen. Wir zogen das Rolltor hoch und inmitten von Müll und Gerümpel stand er: ein riesiger dunkler Tank. Die Formaldehydlösung war algig-grün geworden, der Hai in der trüben Brühe kaum zu sehen. Licht kam nur vereinzelt durch das Dach. Nachdem sich unsere Augen etwas an die Dunkelheit gewöhnt hatten, tauchten die Umrisse des Tieres vor uns auf. Der Hai war groß und irgendwie surreal.


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Im Gegensatz zum eingelegtem Tigerhai des Künstlers Damien Hirst, der übrigens 2006 ebenfalls wegen fortschreitender Verwesung ausgetauscht werden musste, hatte der Hai des Wildtierparks nie Kunst werden sollen.

1998 war "Rosie", wie der Weiße Hai getauft worden war, vor der südaustralischen Küste als Beifang im Netz von Thunfisch-Fischern gelandet, der Kadaver wurde für ein staatliches Ökotourismus-Zentrum für Seebären aufbereitet. Da diese Robbenart auf dem Speiseplan von Weißen Haien ziemlich weit oben steht, ergab das auch durchaus Sinn.

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Als das Seebärenzentrum in den frühen 2000ern den geplanten Ausbau seiner Unterwasserausstellung nicht durchzog, wurde Rosie heimatlos. Ihr damaliger Besitzer siedelte das Tier übergangsweise in einen kleinen Wildtierpark um, der sich der Erhaltung eines australischen Riesenregenwurms, dem Giant Gippsland Earthworm, verschrieben hatte. Das ergab schon etwas weniger Sinn.

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Dieser Wurmpark wurde 2003 zusammen mit dem Hai verkauft, der eigentlich nur vorübergehend hatte dort bleiben sollte. Der ursprüngliche Besitzer des Hais empfahl, das eingelegte Tier dem Melbourne Museum zu schenken. Das neue Management des Wurmparks sah das anders – und behielt den Hai.

Ein paar Jahre später baute die Regierung die Straße in der Nähe des Parks zu einer zweispurigen Schnellstraße aus, jedoch ohne Ausfahrt zum Riesenregenwurmpark. Entsprechend schnell ging es mit Rosies Zuhause dann bergab. Neue Besitzer kamen und gingen und kümmerten sich mit unterschiedlicher Hingabe für die Erhaltung des Parks und die Einhaltung der Auflagen. Das führte am Ende dazu, dass der Laden 2012 ohne Wildtier-Erlaubnis geschlossen wurde.

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Rosie ließ man zusammen mit allen anderen leblosen Attraktionen des Parks einfach zurück. Im Melbourne Museum hielt sich das Interesse an dem eingelegten Hai nach all den Jahren offensichtlich in Grenzen. Der vier Meter lange Fisch hatte in seinem Tank definitiv schon bessere Tage gesehen und wurde vergessen. Wenn Leute nicht gerade Teil von Melbournes Urban Explorer Szene waren, hattest du keine Ahnung, dass unweit vom Stadtzentrum ein Billig-Damien-Hirst wartet.

Dank des Internet-Ruhms dürfte es aber mit Rosies Ruhe vorbei sein. Bei den ganzen Schäden, die irgendwelche Schwachmaten schon angerichtet haben, ist es nur eine Frage der Zeit, bis der weiße Hai komplett verwest – oder aus dem Tank ausbricht.

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