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Fußball

Wie Greuther Fürth den 1. FCN als fränkischen Chaos-Verein abgelöst hat

Seit der verlorenen Relegation gegen den HSV geht es bei Greuther Fürth drunter und drüber. Besonders eine Nürnberger Diskothek ist zum Tatort der Kleeblätter geworden.
Foto: Imago/DeFodi

„Lieber Fünfter als Fürther!": Wenn man in der fränkischen Provinz aufwächst, kommt man an dieser Weisheit der 'Glubb'-Fans nicht vorbei. Während der fünfte Platz in der durchwachsenen Saison 2014/15 noch mit Wunschdenken verbunden war, spielt der 1. FC Nürnberg dieses Jahr um den Aufstieg mit—ein Verpassen der Relegation erscheint, stand jetzt, beinahe undenkbar.

Nachdem Sportdirektor Martin Bader den Verein in Richtung Hannover 96 verlassen hat und Problemspieler wie Timo Gebhardt (der in einer Nürnberger Diskothek eine Frau bis zur Bewusstlosigkeit würgte) verscherbelt wurden, ist endlich so etwas wie Ruhe eingekehrt.

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Das kann man in der Nachbarstadt Fürth ganz und gar nicht behaupten. Sportlich hängt man im Tabellenmittelfeld fest und sorgt maximal mit Skandalen für Aufsehen.

Erst letzte Woche wurde der Einspruch des Mittelfeldspielers Jürgen Gjasula gegen seine Sperre von fünf Spielen vor dem DFB-Sportgericht in Frankfurt am Main verhandelt. Im Spiel gegen den VfL Bochum ging der 30-jährige albanische Nationalspieler zunächst Thomas Eisfeld an den Hals. Nachdem der Schiedsrichter keine andere Wahl hatte, als den Fürther Spielgestalter für diese Tätlichkeit vom Platz zu stellen, schubste Gjasula den Unparteiischen und beleidigte zu allem Übel auch noch den Vierten Offiziellen. Bei der Verhandlung zeigte sich der Spieler einsichtig und wurde dafür auch belohnt, indem das fünfte gesperrte Spiel auf Bewährung ausgesetzt wurde.

In letzter Zeit häuften sich die Fürther Ausfälle. Erst in der Nacht vom Ostersonntag auf den Ostermontag stürzte der norwegische Stürmer Zlatko Tripic in der Nürnberger Diskothek ‚Indabahn' von einer Empore drei bis vier Meter in die Tiefe. Die daraus resultierenden Verletzungen—Frakturen des Schädeldaches und des Dornfortsatzes der Brustwirbel—beendeten auf tragische Weise die Saison des 23-Jährigen. Der Verletzung war eine Schlägerei, an der der Spieler nicht beteiligt gewesen sein soll, vorausgegangen, bei dem ein Tisch gegen das Sofa, auf dem Tripic Schutz suchte, stieß und den Spieler so zu Fall brachte.

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Obwohl die Stadt Nürnberg nicht gerade für sein wildes Nachtleben bekannt ist, häufen sich dort in den letzten Jahren die Vorfälle, bei denen Fußballprofis involviert sind. Unter anderem machte auch der mittlerweile ausgeliehene Fürth-Spieler Stefan Thesker in Marko-Arnautovic-Manier von sich reden. Geholfen hat es ihm zwar wenig, aber nachdem er aus einer Disko geworfen wurde, versuchte er, das Leben des Türstehers zu kaufen. Als er 20-Euro-Scheine auf den Türsteher regnen ließ, waren auch filmende Club-Fans nicht weit. Neben dem stattlichen Trinkgeld, das der Türsteher an besagtem Abend unfreiwillig bekam, musste der Verteidiger außerdem noch 5.000 Euro an eine wohltätige Organisation spenden.

Ein weiterer nächtlicher Ausflug eines Fürther Spielers, der in einem Desaster und beinahe seinem Tod endete, war Ilir Azemis Unfall im Sommer 2014. In den frühen Morgenstunden kollidierte der Shootingstar der Rückrunde (dreizehn Treffer und eine anschließende Nominierung für die Nationalmannschaft des Kosovo) zwischen Nürnberg und Fürth mit einem Kleinlaster. Über eine halbe Stunde soll der Angreifer damals in dem völlig zerstörten Wagen eingeklemmt gewesen sein. Mehrere Brüche im Becken- und Hüftbereich sowie eine Lungenquetschung zogen eine Zwangspause bis 2016 nach sich. Dass er überhaupt wieder professionell Sport betreiben kann, grenzt an ein Wunder. Zwar tat und tut der Verein weiterhin alles, um das Sturmjuwel wieder in die erste Mannschaft zu integrieren, allerdings stand sich der Spieler dabei selbst im Weg. Der 24-Jährige ist seit Februar vorbestraft.

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In der Disko, in der Zlatko Tripic durch eine Schlägerei schwer verletzt wurde, ließ auch Ilir Azemi vor knapp einem Jahr die Fäuste fliegen. Nachdem er Frauen angepöbelt haben soll, musste er den Club verlassen. Nur war ihm noch gar nicht danach zu gehen, weswegen er sich zunächst mit dem Security-Personal und später noch mit einem Bundespolizisten prügelte. Im Februar hatte der Profi mit dem Urteil gerade nochmal Glück im Unglück: Seine achtmonatige Haftstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Ilir Azemi hat wieder gut lachen; Foto: Imago/Zink

Der fast schon demütige Slogan der Nürnberger-Fans, ‚Ich bereue diese Liebe nicht', scheint immer mehr auf den verhassten Nachbarverein zu passen. Denn seit Pierre-Michel Lasoggas Kopfball im Relegationsrückspiel 2014 die Erstklassigkeit der Kleeblätter verhinderte, wirkt die Mannschaft fast schon traumatisiert. Denn neben den privaten Eskapaden läuft es auch auf dem Platz nicht rund. Zu inkonstant spielt der Verein: Schon die letzte Saison endete mit einem enttäuschenden 14. Platz und auch dieses Jahr ist man weit abgeschlagen hinter den Spitzenvereinen—unter anderem dem ehemaligen Sorgenkind aus Nürnberg, das 2014 äußerst unglücklich abstieg.

In Franken mag noch so manchem Club-Fan ein kalter Schauer den Rücken runterjagen, wenn er das Geräusch eines Balles, der auf Aluminium trifft, hört. Erinnerungen an die Abstiegssaison geistern noch heute vielen Fans durch die Köpfe. Alleine in der Hinrunde trafen die ‚Clubberer' 16 Mal Pfosten oder Latte und konnte auch deswegen keines der ersten 17 Spiele gewinnen. Dies schaffte nicht einmal Tasmania Berlin in der Bundesliga-Saison 1965/66, die bei jeder Negativserie als Referenzwert herhalten muss. Dabei war der Offensivfußball, den Trainer Gertjan Verbeek spielen ließ, gar nicht mal unattraktiv. Und auch als der Trainer vor dem drittletzten Saisonspiel seine Koffer paaucken musste, hatte er (den Umständen entsprechend) weiterhin bei vielen Fans eine gewisse Lobby.

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Nachdem im Folgejahr einige Trainer verschlissen wurden, wuchs auch der Unmut der Anhänger. Der Konflikt mit den Ultras endete letztlich in einer Serie von unschönen Ereignissen. So forderten die Fans nach einem blutleeren Auftritt gegen Karlsruhe die Trikots der Spieler ein, um sie später wie Jagdtrophäen auf einer Wäscheleine zu präsentieren. Nach einer demütigenden 3:6-Niederlage gegen den SC Freiburg gingen die Anhänger sogar noch einen Schritt weiter. Um zur Deeskalation im Fanlager zu sorgen, beschwichtigte Bader samt Mannschaft auf einem Autobahnrastplatz ungefähr 200 wütende Fans. Diese Idee manövrierte den angezählten Manager noch weiter in die Schusslinie, da es vereinsintern missfiel, wie viel Macht den Ultras in solchen Situationen gegeben wurde.

Erst als der Sportdirektor mit einer seiner letzten größeren Amtshandlungen den Schweizer Rene Weiler zum Trainer ernannte, kehrte in dem Verein langsam wieder Ruhe und Kontinuität ein. Stück für Stück griffen die einzelnen Teile der Mannschaft besser ineinander.

Die Nürnberger in bekannter Jubel-Pose diese Saison; Foto: Imago/Eibner

Sogar der Verkauf von Alessandro Schöpf im Winter ließ den Erfolg nicht abbrechen. Ganz im Gegenteil: Erst letzten Sonntag riss die Serie von 18 ungeschlagenen Ligaspielen in Folge gegen das Tabellenschlusslicht aus Duisburg. Auch wenn Swag-Avantgardist Rolf Feltscher nur auf der Bank saß, reichten den Duisburgern drei Torgelegenheiten, um ein klares fränkisches Chancenplus zu egalisieren. Kurz vor Schluss ließen die Nürnberger ihrem Frust über das 1:2 freien Lauf. Zuerst hatte Tim Leibold in der 89. Minute die Ampelkarte gesehen, kurz darauf brannten bei Dave Bulthuis die Sicherungen durch. Nachdem er Gegenspieler Tim Albutat schubste, hielt er dem Duisburger zu allem Übel auch noch eine Finger-Pistole an den Kopf. Zwar verwies ihn Schiedsrichter Sören Storks unverzüglich des Platzes. Allerdings wird der Vorfall wohl auch noch ein Nachspiel am DFB-Sportgericht haben.

Der Totalausfall gegen die Zebras aus dem Ruhrpott wird wohl schnell wieder vergessen sein—denn Gertjan Verbeeks viertplatzierte Bochumer sind mit neun Punkten Rückstand weiterhin in sicherer Distanz. Da die Relegationsrekordmeister aus Hamburg dieses Jahr voraussichtlich nichts mit dem Abstieg zu tun haben werden, scheint es auch möglich, als Drittplatzierter aufzusteigen. Die aufkommende Diskussion, ob Weiler die Mannschaft im Falle eines verpassten Aufstieges verlässt, würde damit im Keim erstickt werden. Sollte es für die Erstklassigkeit dennoch nicht reichen, haben die Club-Fans auch dafür einen passenden Slogan: ‚Der Glubb is a Debb'.