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Österreichs Ultras geht es nicht nur um Nationalstolz

„Hurricanes Österreich" kommt am ehesten einer klassischen Ultra-Gruppierung, nur eben auf Nationalmannschaftsebene, heran. Sie organisieren Choreos und haben was gegen Pyro. Und wie sieht es mit Werbefähnchen aus?
Foto: Imago

Organisierte Stimmung bei Länderspielen ist ungewöhnlich. Während in Deutschland nahezu jeder Verein von einer Ultragruppierung unterstützt wird, beschränkt sich die Stimmung bei der Nationalmannschaft meistens auf eine obligatorische LaOla-Welle, sobald das 3:0 gefallen ist. In Österreich war das lange Zeit ähnlich, ehe sich 2010 eine Gruppe von Fans zur Aufgabe gemacht, die Stimmung zu verbessern. Seither begleiten die Hurricanes ihre Nationalmannschaft zu jedem Spiel, haben Fahnen und Trommeln zur Unterstützung und organisieren Choreographien. Wir haben uns mit Mitgründer Stephan über Fansupport bei Nationalmannschaften unterhalten.

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VICE Sports: Für viele ist Österreich ein Geheimfavorit. Was ist eure Hoffnung?
Stephan: Die Gruppe zu überstehen ist eigentlich Pflicht. Im Achtelfinale wäre Russland der wahrscheinlichste Gegner. Wenn wir einen guten Tag erwischen, können wir die schlagen, aber ich gehe davon aus, dass spätestens im Viertelfinale, vermutlich gegen Frankreich, Schluss ist.

Bei euch scheint der Nationalstolz ein wenig ausgeprägte als bei uns zu sein. Hat der direkte Auswirkung auf die Unterstützung der Mannschaft?
Der Nationalstolz ist nicht der ausschlaggebende Grund. Unserer Meinung nach hat sich die Nationalmannschaft einfach Unterstützung verdient. Der große Unterschied zu Deutschland ist, dass wir fast alle Heimspiele im selben Stadion, nämlich in Wien austragen, woher auch die meisten unserer Mitglieder sind. Wir sind auch eine kleinere Szene und konnten uns als Gruppe viel besser zusammenfinden.

Ultras sind bei Nationalmannschaften eher ungewöhnlich. Warum habt ihr euch trotzdem gegründet?
Anfangs waren wir ein kleiner Freundeskreis, der schon länger zu den Spielen des ÖFB gegangen ist. Wir waren allesamt enttäuscht von der Stimmung, obwohl man dazu sagen muss, dass 2010 auch der österreichische Fußball ziemlich am Boden lag. Wir waren in der Weltrangliste um Platz 70 herum und wollten etwas für die Stimmung tun. Das war ziemlich viel Learning-by-Doing, anfangs wussten wir noch nicht so recht welche Aktionen und Gesänge funktionieren. Mittlerweile klappt es ganz gut und wir sind etwas über 100 Mitglieder.

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Wieso heißt ihr dann nicht „Ultras Österreich"?
Wir sehen uns als ultraorientierte Fangruppe, aber nicht als reine Ultragruppe. Deswegen wollten wir uns nicht Ultras nennen. Wir nehmen zwar Elemente aus der Ultrakultur mit auf, aber es gibt auch Unterschiede. Zum Beispiel distanzieren wir uns von Schmähgesängen und Gewalt. Weiterhin gibt es bei uns keine Pyrotechnik, weil der Verband bzw. in weiterer Folge die UEFA hier eine restriktive Linie fährt.

Würdet ihr Pyrotechnik verwenden, wenn es legal wäre?
Das müssten wir dann in unserer Gruppe intern klären, inwiefern mit Pyrotechnik in unserer Kurve verantwortungsbewusst umgegangen werden kann. Jedenfalls müsste es spontan erlaubt sein, etwa wenn ein Gesang gerade leiwand ist oder ein Tor gefallen ist. Von einer vorherigen Anmeldung, z.B. fünf Bengalen in der 33. Minute, wären wir nicht sonderlich begeistert.

Wie organisiert ihr eure Choreographien?
Unsere Choreographien werden zu hundert Prozent von uns geplant, vorbereitet und finanziert. Hier und da organisiert auch der Verband unter Mithilfe mehrerer Fanklubs Choreographien. Hier haben wir öfters auch schon mitgeholfen, aber das ist dann eigentlich nicht unsere Geschichte, sondern eine vom Verband bzw. von den Fanklubs. Dass Sponsoren einfach ein überdimensioniertes Trikot mit Markenlogo in die Kurve legen passiert bei uns zum Glück nicht, dafür gibt es bei jedem Heimspiel Werbefähnchen von einer bekannten Bierbrauerei.

Die Nationalmannschaft spielt nur knapp zehn Mal im Jahr, wird euch nicht langweilig?
Das mit der geringen Spielanzahl ist zwar richtig, aber dafür sind die Auswärtsspiele teilweise mit erheblichen Entfernungen und großem Planungsaufwand verbunden. Bei den Heimspielen organisieren wir unsere Choreographien. Es ist also immer etwas zu tun.

Habt ihr noch Vereine, die ihr aktiv supportet?
Viele von uns gehen natürlich auch zu Spielen von Bundesligavereinen, wie Rapid oder Austria Wien, aber in einem Bundesliga-Fanklub ist keiner unserer Mitglieder. Unser Fokus liegt auf der Nationalmannschaft, deswegen gibt es auch keine Streitereien wegen Vereinsrivalitäten.

Findet ihr es nicht schade, wenn bei euren Gegner niemand für Stimmung sorgt?
Ja klar, auch bei Fans wäre ein sportlicher Wettkampf natürlich wünschenswert. Gerade in den osteuropäischen Ländern gibt es jedoch stark organisierte Fans. Bosnien-Herzegowina hatte zuletzt in Wien einen sehr guten Support, auch mit viel Pyrotechnik. Auswärts in Montenegro hatten wir beispielsweise auch akustisch Konkurrenz.