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Interviews

Ich habe mich mit The Legendary Lightness auf eine Wiese gelegt und über das Leben philosophiert

Abwechslungsreich wie der April, leicht wie Wolken: Unser etwas anderes Interview mit dem Kopf der Zürcher Band.
Alle Fotos Francesca Camilla

Am Freitag erscheint The Legendary Lightness' neues Album April Hearts. Wie der Monat selbst ist die Platte ein Wechselbad der Gefühle: Heute scheint die Sonne, morgen regnet es, gestern hat es geschneit – immer getragen von einer gewissen Leichtigkeit. Wir haben im unberechenbaren April einen sonnigen Tag gefunden, um den Kopf der Zürcher Band für ein etwas anderes Gespräch zu treffen. Daniel Hobi, Frontsänger von The Legendary Lightness, und ich haben uns einen Nachmittag lang so unterhalten, als ginge es niemanden etwas an.

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Wir sitzen auf einer roten Bank. Vor uns ein Garten und die Weite des Zürichsees. Ferner die Alpen.

Noisey: Dani, was ist das für ein Baum?
Daniel: Ich glaube es ist ein "Chriesibaum".

Hast du nicht mal als Gärtner gearbeitet?
Sehr lange sogar. Dafür weiss ich aber viel zu wenig über Pflanzen. (lacht)

Was hat dich das Gärtnersein gelehrt?
Wenn du drei Tage lang dieselben paar Meter jätest, hast du zwei Optionen: entweder du zählst die Minuten bis zur nächsten Pause, oder du versuchst jedes einzelne Gräschen und jede Bewegung genau wahrzunehmen. So habe ich mich mit der Zeit versöhnt.

Eine Art Meditation also.
Genau. Aber du kannst dich auch gerne mal darin verlieren.

Geschieht dir das auch mit der Musik?
Beim Musikmachen ist es sogar noch viel schlimmer. Es ist viel abstrakter. In Phasen, in denen ich komponiere, bin ich darum zuweilen völlig zerstreut, beinahe lebensunfähig. Aber das gehört irgendwie zum Prozess.

Was reift in diesen Momenten in dir heran? Ein Gefühl? Ein Gedanke?
Weiterführungen. Denn die ersten musikalischen Skizzen entstehen relativ schnell und spontan. Diese Ideen spinne ich dann tagelang in meinem Kopf weiter.

Der in Genf geborene Philosoph Rousseau meinte einst, dass Künstler und Wissenschaftler von negativen menschlichen Eigenschaften – wie beispielsweise Narzissmus – getrieben seien. Ich weiss noch nicht, was ich mit dieser These anfangen soll.
Es kann narzisstisch sein, wenn sich alles nur noch um die eigene Kunst und um sich selbst dreht. Ich finde es darum wichtig eine Arbeit und ein Leben ausserhalb der Kunst zu haben, damit das, was du produzierst, auch relevant ist. Ich denke nur so kann überhaupt erst das Bedürfnis entstehen, Kunst zu machen. Und je reichhaltiger, inspirierter und aufmerksamer du lebst, umso interessanter wird die Kunst, die du erschaffst.

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Was ist deine Motivation?
Ich hatte sie schon immer. Angefangen damit, dass es mich mit Glück erfüllt, wenn ich Musik mache. Ausserdem habe ich eine Faszination für Dinge, die in der Zeit ablaufen. Ich erinnere mich, wie ich als Kind ausgeklügelte Dominoreihen aufbaute, so à la Fischli/Weiss. Etwas aufzubauen, das ich als zeitliche Abfolge von Ereignissen abspielen kann, erfüllt mich seit jeher mit Freude.

Wir sind inzwischen dem Hang entlang unter dem Schatten der Bäume zum Grün spaziert.

Worauf richtet sich derzeit dein Augenmerk?
Meine Frau und meine zwei Kinder. Sie sind der Mittelpunkt meines Lebens. Der Grosse kommt jetzt in die Schule. Er geht jetzt hinaus in die Welt. Die Welt ist in Aufruhr und vieles macht mir Angst. Jetzt geht es nicht mehr nur um mich selber.

Du hast Angst vor der Zukunft?
Ja, irgendwie schon. Aber du hast als Vater gar keine andere Wahl, als ein positives und zuversichtliches Leben vorzuleben. Da hilft es, die Welt auch durch die kindlichen Augen zu betrachten.

Und was sehen die?
Den Moment. Es ist alles so jetzt. Und darin fühlen sie sich geborgen.

Wann wärst du selber gerne wieder ein Kind?
Beim Thema Inspiration. Die kann einem im Arbeitsleben durchaus abhanden kommen.

Woran liegt das eigentlich?
Du lässt dich im Alltagstrott eben von nichts mehr ablenken.

Das ist eine interessante These. Du meinst also Ablenkung im positiven Sinne, also Begeisterungsfähigkeit und Neugier?
Genau. Kinder können bei den einfachsten Dingen wie im Jacken-Anzieh-Prozess bereits was Neues finden, was sie ablenkt und inspiriert.

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Unsere Zeit auf der Welt ist ja beschränkt. Und irgendwie scheint mir vieles von dem, was wir tun, darin zu bestehen, etwas von uns zu verewigen, für künftige Generationen. Was wäre dieses Etwas in deiner Musik?
Es geht um eine gewisse Sorglosigkeit. Dass du gemeinsam Musik machen kannst. Dass du die Stimme erheben kannst. Das du hin stehen kannst und etwas machen kannst, ohne direkten Nutzen. Es geht um diesen poetischen Moment, in dem es um nichts geht.

Das klingt schwer nach dem Motto von The Legendary Lightness.
Das hat sicherlich miteinander zu tun, du hast Recht. Der Name ist aber anders entstanden. Es ist aber definitiv eine Lebensaufgabe für mich, immer wieder zu dieser Leichtigkeit zu finden. Bei allem was ich mache.

Heute reden alle davon glücklich zu sein. Kaum jemand spricht mehr vom guten Leben, also dasjenige, das in unserer philosophischen Tradition über Jahrhunderte hinweg diskutiert wurde. Was ist für dich das gute Leben? Was beinhaltet es?
Meine Familie, Musik und auch ein paar Klischees wie Essen und Sex natürlich. Aber zentral finde ich, wie erwähnt, das was ich Inspiration nenne, auch ausserhalb des künstlerischen Lebens.

Dann würde ich gerne genauer wissen, was du damit meinst.
Mit offenen Augen und Sinnen durchs Leben zu gehen, die Tage wirklich zu erleben. Zu merken, dass die Dinge beseelt sind.

Klingt nach harter Arbeit. (lachend)
Absolut. Du musst dir diese Inspiration erkämpfen, indem du deine Tagesabläufe überdenkst, indem du dich vielleicht technologisch etwas einschränkst.

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Denkst du früher war es einfacher inspiriert zu sein?
Irgendwie schon. Aber vielleicht bin ich einfach romantisch. Es ist heute sicher einfacher sich medial zuzumüllen.

Klar. Internet. Handy.
Aber auch ohne Gadgets. Nur weil du ohne Natel in einem wunderschönen Park wie diesem hier sitzt, heisst das noch lange nicht, dass du inspiriert bist. Du musst was dafür tun, indem du der wahrgenommenen Realität etwas von dir aus hinzufügst.

Wir haben die Wiese verlassen und stehen unter einem prächtigen Baum. Neben uns eine namenlose Statue.

Um noch etwas metaphysisch zu werden: Woher kommt das alles? (Mit dem Finger auf die Welt zeigend)
Ich weiss es nicht. Ich bin selber sehr religiös aufgewachsen. In meiner Kindheit war es also klar, woher alles kommt. Davon habe ich mich zwar in der Pubertät befreit, aber etwas ist geblieben. Vielleicht die Hoffnung, dass die Welt beseelt ist und dass ein Plan dahinter steckt. Ich glaube, diese Idee hat mich als Kind beruhigt.

Das Universum könnte aber auch reiner Zufall sein, ohne Gott, ohne Plan.
Klar. Aber ich fände diese Vorstellung ziemlich deprimierend. Was man mit Sicherheit sagen kann, ist dass in allem ein unaufhaltsamer Drang zum Leben hin steckt.

Die Flucht nach vorne.
Genau. Daraus kann ich durchaus eine optimistische Grundhaltung gewinnen.

Ein Pudel läuft an uns vorbei. Wir halten ein Augenblick inne.

Glaubst du was wir besprochen haben interessiert irgendjemanden?
Wahrscheinlich nicht. (lacht)


The Legendary Lightness auf Tour 21.04. TERRORSAMBA | BASEL
22.04. LA PARENTHÈSE | NYON
23.04. TAP TAB | SCHAFFHAUSEN
25.04. KAUFLEUTEN | ZÜRICH (Plattentaufe)
12.05. CAFÉ BAR MOKKA | THUN
17.06. B-SIDES FESTIVAL | KRIENS/LUZERN


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