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Kultur

Wie steht es um das deutsche Brot?

Das traditionelle Bäckerhandwerk ist ein wichtiger Bestandteil der deutschen Kultur. Doch die Massenproduktion sowie andere Faktoren stellen die Branche vor ernstzunehmende Herausforderungen. Naht mit der Schließung unabhängiger Bäcker das Ende unserer...
Brötchen von Wiedemann. Fotos von der Autorin.

Wer schon einmal längere Zeit im Ausland gelebt hat, weiß das heimische, deutsche Brot zu schätzen. Sogar Bertolt Brecht sehnte sich während seiner Zeit im US-amerikanischen Exil danach.

Heute, mehr als 70 Jahre später, hat sich unsere Liebesbeziehung zu Brot nicht viel verändert. Jeder Deutsche isst jährlich 87 Kilo davon und mit über 300 verschiedene Sorten ist deutsches Brot weltweit für seine große Vielfalt bekannt. Neben Bier und der Pünktlichkeit ist Brot eines der Dinge, die unser Land in den Augen von Ausländern definieren, es ist einer der wichtigsten Kulturexporte. Ja, Brot hat einen so großen Stellenwert, dass die UNESCO die deutsche Brotkultur im letzten Jahr auf die Liste des immateriellen Kulturerbes gesetzt hat.

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Alle Fotos von der Autorin

Trotzdem macht die Bäckerbranche gerade eine maßgeblichen Wandel durch, der zu einem starken Rückgang unabhängiger Bäckereien sowie schwindendem Interesse am Berufsbild des Bäckers geführt hat.

„1955 gab es in Deutschland 55.000 Bäckereien, heute sind es noch 12.500. Jeder Tag schließt irgendwo im Land ein Bäcker, oft nach vielen Generationen", sagte Bernd Kütscher, Brotexperte und Direktor der Bundesakademie des Deutschen Bäckerhandwerks in Weinheim.

Wiedemann, eine unabhängige Bäckerei in Duisburg, könnte einer dieser Betriebe sein, die endgültig die Türen schließen, wenn ihre Besitzer in Rente gehen.

„Es ist sehr schwierig, junge Leute zu finden, die heutzutage Bäcker werden wollen", sagte Petra Wiedemann, die seit 30 Jahren im Familienbetrieb arbeitet.

„Obwohl wir in der Gegend ein bekanntes und profitables Unternehmen sind, müssen wir wahrscheinlich schließen, wenn wir in Rente gehen, weil es niemanden gibt, der es übernehmen könnte", erzählte sie.

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Das Angebot bei Wiedemann.

Das Bäckerhandwerk wird traditionell im Rahmen der Ausbildung von Generation zu Generation weitergegeben. Ökonomen auf der ganzen Welt loben das heimische, duale Ausbildungssystem, das eine wichtige Grundlage für das traditionelle Bäckerhandwerk bildet.

„Der Bäckerberuf ist körperlich anstrengend. Man muss sehr früh aufstehen—normalerweise fängt man um ein oder zwei Uhr nachts an. Für Diskobesuche und andere Dinge, die Jugendliche gerne machen, ist da kein Platz", erklärte Wiedemann.

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Aus diesem Grund, unter anderen, ist das Interesse an der Ausbildung zum Bäcker so extrem zurückgegangen. Laut eines Berichts des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks ist die Zahl der Azubis um mehr als 40 Prozent von über 36.000 im Jahr 2008 auf gut 20.500 im Jahr 2014 zurückgegangen.

Kütscher ist sich dessen bewusst, obwohl er persönlich das Bäckerhandwerk eine sehr bereichernde Arbeit findet. „Die Jugendlichen wissen nur wenig über den Beruf, außer dass man sehr früh aufstehen muss", sagte er.

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Roggenvollkornbrot

Um jüngere Generationen auf diesen Karrierepfad zu lenken, wurden Rekrutierungsprogramme entworfen und sogar eine Bäckerhymne geschrieben, inklusive Video. Trotzdem sind bei weitem nicht alle Ausbildungsplätze vergeben.

Eine weitere große Herausforderung, der die unabhängigen und handwerklichen Bäcker gegenüberstehen, ist die Massenproduktion und das Aufkommen von Backabteilungen in Supermärkten.

„Ich glaube, ich stehe mit meinem Kaufverhalten recht repräsentativ für meine Generation", sagte die 28-jährige Nina Käwel.

„Ich würde sehr gerne mein Brot bei einem lokalen, unabhängigen Bäcker kaufen. Ich weiß, dass es viel besser schmeckt. Aber ich habe nicht viel Zeit, deshalb nehme ich Brot meistens beim Einkaufen im Supermarkt mit."

„Und, ich weiß nicht, ob das daran liegt, dass da irgendwelche Stoffe im Brot sind, aber das aus dem Supermarkt bleibt viel länger frisch", stellte Käwel fest.

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Trotz des Anstiegs an massenproduzierten Backwaren betont Wiedemann, dass die Verkaufszahlen in den letzten Jahren tendenziell gestiegen sind.

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„Unsere Stammklientel ist recht alt. Aber in letzter Zeit haben wir immer mehr jüngere und gesundheitsbewusste Kunden, die unsere Verkaufszahlen in die Höhe treiben", sagte sie. „Die Betriebe schließen oder wechseln den Besitzer, aber die Nachfrage steigt und deshalb glaube ich nicht, dass die Vielfalt unseres deutschen Brots in Gefahr ist." Die Hipster retten also die alte Bäckertradition?

Trotz all der Herausforderung sieht auch Kütscher die Lage der Branche optimistisch und er betrachtet die aktuellen Veränderungen als Paradigmenwechsel.

„Die Zahlen lassen es wie den Untergang eines Handwerks aussehen, aber es ist nichts anderes als eine Anpassung an den Markt und die gibt es in jeder Branche. Manche Bäckereien schließen, gleichzeitig expandieren aber andere und eröffnen ständig neue Filialen. Insgesamt steigt die Zahl der Bäckereien in Deutschland. Momentan sind es etwa 46.000", erklärte er.

Ganz so schnell wird unsere Liebesgeschichte zu Brot also kein Ende finden. Kütscher jedenfalls lässt sich seinen Optimismus nicht nehmen, besonders nicht nach der Anerkennung der UNESCO: „Die deutschen handwerklichen Bäcker sind sehr stolz und blicken zuversichtlich in die Zukunft."