Türkische Lammhoden—besser als man denkt

Seit den späten 1970ern ist Stoke Newington in Londons East End das Zuhause einer türkischen Gemeinde. Auf der Hauptstraße befinden sich zahlreiche traditionelle Restaurants, die alles von lahmacun bis ali nazik (geräuchertes Auberginenpüree) und Lamm-Köfte servieren.

Kürzlich begab ich mich aber auf die Suche nach etwas—zumindest für den Londoner Gaumen—weniger Bekanntem: koç yumurtası, oder marinierte Lammhoden.

Ich war noch nie ein großer Fan von Innereien, aber das hat sich kürzlich geändert, als ich zum ersten Mal mannish water probierte—eine jamaikanische aphrodisische Suppe aus Ziegenkopf, Eingeweide und Magen. Seither bin ich verrückt nach Organen.

Als ich meine türkischen Freunde fragte, wo ich traditionell zubereitetes koç yumurtası bekommen würde, lautete die einstimmige Antwort Testi, ein ocakbaşı (Grill-)Restaurant, das für seine Lammhoden und seine traditionellen türkischen Kebabs bekannt ist. Merkwürdigerweise hat der Name nichts damit zu tun, dass das Restaurant Testikel serviert. Testi ist eine Art Tonkrug, der in der Türkei für Trinkwasser verwendet wird.

Als ich im Restaurant ankam, empfing mich Testis Oberkellner Onder. „Du hast uns Glück gebracht", sagte er zu mir. „Jemand hat gerade fünf Portionen Hoden zum Mitnehmen bestellt, bevor du gekommen bist!"

Ozkan, der Koch des Restaurants, erklärte mir Schritt für Schritt die Zubereitung der Hoden, die bereits in Wasser eingelegt waren. Komplett übersät mit violetten Venen sahen sie auf den ersten Blick nicht besonders ansprechend aus. Ich fragte mich, ob meine neue Leidenschaft für Innereien wohl auf die Probe gestellt werden würde.

Durch das Tränken werden die Hoden weich und so lassen sie sich leichter schneiden. Ansonsten können sie recht schwierig zu handhaben sein. Zuerst muss die äußere Membran des Hodens und der Rest des Nebenhodens abgeschnitten werden. Dann werden die Hoden der Länge nach halbiert. Wenn die äußere Schicht einmal entfernt ist, gleicht das Fleisch einer Niere oder sogar einem Hähnchenfilet.

Anschließend werden die Hoden kurz mit Olivenöl, Paprikapulver, Oregano und Salz vermischt, auf die Kebab-Spieße gesteckt und über dem Holzkohlegrill gegrillt. „Sie dauern ein bisschen länger als normaler Hühnchen- oder Lammkebab", sagt Ozkan. „Hoden haben kein Fett. Wir grillen sie normalerweise zwischen 30 und 35 Minuten."

Während die Hoden über der Holzkohle braten, hole ich mir ein Glas süßen schwarzen çay-Tee und spreche mit Onder über die Bedeutung des Gerichts in der Türkei. „Wir lieben diese Art von Fleisch", sagte „Hoden, Leber, Herz, Nieren. Das macht einen großen Teil unseres Essens aus." Im Testi stehen noch weitere Gerichte mit Innereien auf der Karte, wie böbrek (Barbecue-Niere) und ciğer (Barbecue-Leber).

Koç yumurtası ist keine regionale Spezialität, erklärte er mir. „Dieses Gericht gibt es überall im Land. Unterschiede kann es aber trotzdem geben. Die Marinade ist hier und da ein bisschen anders."

Früher servierten noch einige andere türkische Restaurants in London Hoden, aber die meisten haben es von der Karte gestrichen. Aber solange Onder noch hier arbeitet, wird das im Testi nicht passieren. „Ich bin damit aufgewachsen", sagte er.

Nachdem ich ein paar Tassen Tee getrunken hatte, waren die Hoden fertig. Sie wurden mit weißem Reis, gegrillter grüner Paprika, gegrillten Tomaten und Fladenbrot serviert. Meine Gabel durchdrang mühelos das Fleisch. Die Konsistenz erinnerte mich an Quorn, der Fleischersatz auf Pilzbasis. Diese Eier waren richtig weich, cremig und schön geschmackvoll.

Als ich mich durch den riesigen Teller vor mir aß, kam Onder zu mir herüber. „Danach wirst du dich großartig fühlen, Mann!", strahlte er. In vielen Kulturen glaubt man daran, dass Hoden (und Innereien allgemein) essen Energie bringt, in sexueller oder anderer Hinsicht. „Diese Art von Fleisch—Niere, Leber und Hoden—wird in der türkischen Kultur am Morgen oder am frühen Nachmittag gegessen", sagte Onder. „Sie eignen sich gut, um in den Tag zu starten."

Leider fühlte ich mich nicht in der Lage, gleich nach dem Essen einen Marathon zu rennen, aber das könnte auch an der riesigen Portion gelegen haben. Vielleicht sollte ich nächstes Mal eine kleinere Portion Gonaden bestellen.

Wenn du bisher der Meinung warst, dass dir Hoden nicht auf den Teller kommen, kann ich dir nur empfehlen, dich selbst vom Gegenteil überzeugen zu lassen. Mir gehen sie so schnell nicht auf die Eier.

Was sonst noch dafür spricht, mehr Hoden zu essen erfährst du in einem weiteren MUNCHIES-Artikel: Her mit den Cojones