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So klingt es, wenn man in Nordkorea ein Handy benutzt

Dank eines Simulators des Informatikers Will Scott kann jetzt jeder austesten, was passiert, wenn man in Nordkorea telefonieren möchte.
imago

Nordkorea ist wohl das isolierteste Land der Welt. Selbst für Touristen ist es nicht gerade einfach, in das Reich von Kim Jong-un einzureisen. Wer es doch geschafft hat, für den ist es praktisch unmöglich, einen authentischen Einblick in das Leben unter dem Regime zu bekommen. Doch dank eines US-Forschers bekommen wir nun wenigstens einen kleinen Eindruck einer echten Alltagssituation: Will Scott hat einen Simulator gebaut, der zeigt, wie sich Handy-Freizeichen und lokale Provider-Ansagen anhören, wenn man in Nordkorea zum Handy greift.

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Der US-amerikanische Forscher, der Informatik in Nordkoreas Hauptstadt Pjöngjang unterrichtet, legte sich im Herbst 2015 einen lokalen Handyvertrag zu. Um seine Erfahrungen mit der ganzen Welt zu teilen, hat Scott einen interaktiven Simulator auf seine Website gestellt, der die automatischen Ansagen von Koryolink, dem staatlichen Mobilfunkanbieter, imitiert.

„Entschuldigung, Ihr Telefongespräch ist eingeschränkt", ertönt die Stimme einer Koryolink-Mitarbeiterin, sobald Ausländer versuchen, ein Ortsgespräch zu führen – denn diese sind laut Scott nicht erlaubt.

Der Mobilfunkvertrag für Ausländer, der nur einen eingeschränkten Service bietet und relativ schwer abzuschließen ist, hat einen stolzen Preis. Allein für Sprachanrufe zahlt Scott monatlich 80 Euro und 120 Euro für den Datenservice mit einer 3G-Datennutzung von mageren 50 MB pro Monat. Um überhaupt einen Vertrag abschließen zu können, musste er einen Antrag mit seiner Kontaktperson im Außenministerium ausfüllen.

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Da Scott jedoch viel Zeit in Pjöngjang verbringt, nahm er die Kosten und Mühen für eine halbwegs zuverlässige Verbindung in Kauf. Die automatischen Ansagen nahm er auf, um den Menschen „eine Kostprobe vom Koryolink-Telefonservice zu geben, ohne dass sie nach Pjöngjang reisen müssen". Scott hat insgesamt fünf Koryolink-Ansagen online gestellt, darunter eine für falsche Telefonnummern, eine für den Fall, dass Ausländer eine lokale Nummer wählen und den Koryolink-Kundendienst.

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„Ich fand es lustig, dass sie die ganze Telefon-Hotline aufgesetzt haben", erklärte Scott gegenüber Motherboard im Online-Chat. „Ich weiß nicht, wie viele Leute den Service jemals nutzen, aber ich dachte, es sei ein nettes Artefakt, das bewahrt werden sollte."

„Es ist paradox: Auf der einen Seite haben Sie sich die Mühe gemacht haben, die Nachrichten auf Englisch aufzunehmen, und trotzdem gibt es für mich keine Möglichkeit, jemanden zu erreichen."

Mal abgesehen von den hohen Kosten sei der Dienst erstaunlich gut gewesen. Laut Scott gibt es nur wenige Filter und Zensur. Das Surfen auf einem Mobiltelefon mit einem Ausländer-Vertrag in Nordkorea unterscheide sich kaum von der Nutzung des internationalen Internets. „Es ist zumindest besser als in China", fügt er hinzu.

Zwar begann Nordkorea 2016, den Zugriff auf Web-Dienste einzuschränken, „doch die Sperren sind nicht sehr durchdacht", meint Scott. So wurde beispielsweise YouTube in Nordkorea blockiert, da der Service „zu viel Bandbreite in Anspruch nahm".

An dieser Stelle sollte bemerkt werden, dass die verhältnismäßig uneingeschränkte Internetnutzung nur auf den Mobilfunkempfang von Ausländern zutrifft. Für Einheimische gilt ein separater Dienst, der ausschließlich die Nutzung von Nordkoreas eigener Miniaturversion des Internets erlaubt, ohne Zugriff auf externe Internetdienste.

Besonders kurios fand Scott, dass Koryolink sich zwar die Mühe gemacht hatte, zweisprachige Nachrichten aufzunehmen, jedoch keinen echten Telefonsupport anbietet. Da es unmöglich war, über die Hotline einen Mitarbeiter zu erreichen, musste er bei jedem Problem persönlich im Koryolink-Büro in der Innenstadt vorsprechen.

„Es ist paradox: Auf der einen Seite haben Sie sich die Mühe gemacht, die Nachrichten auf Englisch aufzunehmen", sagt Scott, „und trotzdem gibt es für mich keine Möglichkeit, jemanden zu erreichen."

Nur ein weiterer Widerspruch in einem der isoliertesten Länder der Welt.