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Restaurant Confessionals

Mein Job als Bartender machte mich zum sexsüchtigen Frauenhelden

Die meisten Barkeeper sind gleich: Wir wollen deine Nummer nicht, weil wir dich mögen. Wir wollen einfach nur Sex.

Willkommen zurück zu den Restaurant Confessionals, wo wir den Leuten aus der Gastronomie eine Stimme geben, die ansonsten viel zu selten zu Wort kommen. Hier erfährst du, was sich hinter den Kulissen in deinen Lieblingsrestaurants so alles abspielt. Dieses Mal haben wir uns mit einem 33-jährigen Barkeeper unterhalten, der seinem Job die Schuld dafür gibt, dass er von Sex nicht genug bekommen kann.

Hinter der Bar unterhalten wir uns nur über Alkohol und Sex. Die meisten Barkeeper sind gleich: Wir wollen deine Nummer nicht, weil wir dich mögen. Wir wollen einfach nur Sex. Ich erzähle euch, an was das liegt.

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Als ich anfing, in Bars zu arbeiten, war ich 18 Jahre alt und Jungfrau. Schon bald wurde mir klar, dass eine Cocktailbar die ideale Umgebung ist, um Frauen abzuschleppen. Wenn viel los ist, gleicht der Bartresen einem All-you-can-eat-Büffet: Ständig sitzen neue Frauen auf den Barhockern, alle nur etwa einen Meter entfernt. Ihre Augen sind auf dich gerichtet. Sie sehen dir dabei zu, wie du rührst, schüttelst, garnierst und servierst wie ein Profi.

ARTIKEL: Mein Job als Koch machte mich sexsüchtig

Wir stehen auf einem Podium für Leute, die Lust auf Spaß haben. Ein Bartender ist nicht nur da, um einen leckeren Cocktail zu mixen, sondern auch um dafür zu sorgen, dass die Gäste sich wohlfühlen. Smalltalk und Unterhaltung sind Teil des Jobs.

Als Cocktail-Neuling war mir damals sehr bewusst, dass Frauen es gerne mochten, wenn ich mit ihnen flirtete—und ich war ziemlich gut darin. Ich bin sicherlich nicht der attraktivste Typ, aber ich bekam immer mehr Handynummern und ging mit den verschiedensten Frauen nach Hause. An einem Abend eine 50-jährige Frau, ein anderes Mal ein Calvin Klein-Model. Als ich 23 war, hatte ich mit 100 Frauen geschlafen.

Das schönste Mädchen zu bekommen, war nicht mehr genug. Ich wollte die schönste Verheiratete oder zumindest eine, die in einer Langzeitbeziehung war.

Damals war ich ein ziemliches Arschloch. Ich hatte zu Sex die gleiche Einstellung wie Fußballspieler zu ihrem Sport: Das Spiel macht Spaß, aber das Wichtigste ist, ein Tor zu erzielen. Ob das Ziel schön ist oder nicht, spielt keine Rolle, solange der Ball im Netz landet. Ich sah Frauen als Häkchen auf meiner Eroberungsliste, nicht als Menschen. Es war mir egal, mit wem ich nach Hause ging. Frauen abzuschleppen, war mein größtes Hobby und meine Kollegen machten eifrig mit.

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Es wurde so schlimm, dass wir das Ganze zu einem Wettbewerb mit einem Punktesystem machten: ein Punkt für eine Handynummer, zwei Punkte für einen Zungenkuss, drei für Fummeln, vier für Ficken und fünf für Analsex. Meistens ging ich zu den Frauen nach Hause, so konnte ich immer dann gehen, wann ich Lust hatte. Manchmal trieben wir es auch während der Arbeitszeit im Büro, auf der Couch oben, im Gang des Notausgangs oder auf der Toilette. Ich war ständig auf der Suche nach noch größeren Herausforderungen. Das schönste Mädchen zu bekommen, war nicht mehr genug. Ich wollte die schönste Verheiratete oder zumindest eine, die in einer Langzeitbeziehung war.

Heute bin ich 33 Jahre alt und obwohl ich Frauen nicht mehr verschlinge wie eine Packung M&Ms nach einem Joint, flirte ich immer noch mit vielen bei der Arbeit. Was als Spiel anfing, ist zu einer Sucht geworden. Manchmal ist es so schlimm, dass ich keinen weiblichen Gast ansprechen kann, ohne mit ihr zu flirten, auch wenn ich sie nicht einmal anziehend finde. Es ist für mich eine selbstverständliche Gewohnheit geworden. Ich flirte sogar mit Frauen, die gerade auf einem Date sind. Ich bringe die Getränke dann von der Seite des Tisches, an der der Mann sitzt, damit er nicht sieht, wie ich die Frau anschaue.

In diesem Moment fühlt sich das wahnsinnig gut an, aber im Nachhinein fühle ich mich wie ein Arschloch. Ich habe so viele Beziehungen zerstört—inklusive meiner eigenen, aber auch die anderer. Ich kann einfach nichts dagegen machen. Flirten ist bei mir kein Knopf, den ich an- oder ausmachen kann. Es ist einer großer Teil meiner Persönlichkeit geworden, wie mein Humor, meine Vorliebe für Sneakers und mein Schwanz.

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Man fühlt sich wie ein Freak, wenn man nicht jedes Wochenende mit einer anderen Person schläft.

Ich habe bemerkt, dass viele meiner jüngeren Kollegen und andere Barkeeper in meinem Bekanntenkreis den gleichen Weg einschlagen. Kürzlich haben ein paar Jungs die Nummern ihrer nächtlichen Bettgeschichten in unserer Whatsapp-Gruppe zusammengetragen. Egal, wie gut ihre Absichten sind, sie verbringen alle viel Zeit damit, Frauen dazu zu überreden, mit ihnen zu schlafen. Und das liegt an ihrem Job als Tender, da bin ich mir sicher.

Wer die meisten Frauen abbekommt, ist der Champion. Das ist irgendwie krank, aber es funktioniert.

Der, der flachgelegt wird, bekommt positive Reaktionen: ein High-Five oder ein anfeuerndes „Gratuliere!", während der, der schon länger keine mehr hatte, nur beschissene Kommentare abbekommt. Man fühlt sich wie ein Freak, wenn man nicht jedes Wochenende mit einer anderen Person schläft. Wenn ich nicht auf die Flirtversuche eines Mädchens einging, verpönten mich meine Kollegen, als hätte ich ihr Fahrrad in den Kanal geschmissen.

Die Bar ist sein Königreich und wer will nicht mit dem König flirten? Neben seinem Selbstbewusstsein hat der Barkeeper noch einen weiteren entscheidenden Vorteil: Er hat das Sagen über den Alkohol. Für eine Frau kann er schon mal einen Gratis-Drink ausgeben oder einen speziellen Cocktail kreieren, der nicht auf der Karte steht. Das ist Grundschulmathe: Mädchen fühlt sich geschmeichelt und ist beeindruckt von deinen Fähigkeiten, Mädchen will mit dir nach Hause gehen. Meistens ist es so einfach.

Was bin ich eigentlich für ein Arschloch?

Der schmerzvollste Grund, warum wir Barkeeper so fixiert auf Frauen sind, ist unser sehr beschränktes Sozialleben. Wenn andere Leute ausgehen und ihre zukünftigen Verlobten in einer Cocktailbar treffen, arbeiten wir. Ich kann ehrlich zugeben, dass es mir einen Stich versetzt, wenn ich ein Paar an einem Tisch sehe. Ich möchte das auch haben, aber meine Arbeit erlaubt es mir nicht.

Der Biorhythmus einer Person, die in einer Bar oder einem Restaurant arbeitet, ist komplett auf den Kopf gestellt: Wir kommen nach Hause, wenn normale Leute aufwachen. Wir schlafen den halben Tag und haben dann eine weitere lange Schicht vor uns. Da bleibt kaum Zeit, jemanden auf „normalem" Wege kennenzulernen. Der Tag, an dem mir klar wurde, dass meine Sexsucht eine Art ist, eine Leere in meinem Leben zu füllen, musste ich mich einer schwierigen Seite meiner Persönlichkeit stellen. Was bin ich eigentlich für ein Arschloch?

Aufgezeichnet von Stefanie Staelens