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Whisky

Ich habe ein Whiskyfestival in Schottland überlebt

Vor Kurzem zog es mich in meine Heimat Schottland, wo ich anlässlich eines Whiskyfestivals lernen sollte, wie der goldene Nektar so hergestellt wird. Dabei machte ich auch eine nette Pubbekanntschaft: eine pissende, diamantenbehangene Ziege.

So ist das mit also mit 30. Man wird weise. Denn nachdem ich jahrelang in großem Stil mit Drinks herumexperimentiert hatte (Tequila und Tomatensaft? Auf geht's!), bin ich schließlich zu einer fundamentalen Erkenntnis gelangt: Leg dich einfach auf eine—und wirklich nur eine—Spirituose fest und diese verfluchten Katersonntage könnten schon bald der Vergangenheit angehören.

Meine Wahl viel auf Whisky. Pur. Oder mit ein paar Eiswürfeln, die ich wie ein echter Corleone gekonnt im Glas kreisen lasse. Seitdem genieße ich auch den Respekt meines Vaters, selber zeitlebens ein Whiskytrinker. Ich bin ein Mädchen aus Schottland—es liegt mir also im Blut, jeden Abend einen guten Schluck Whisky zu trinken.

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Zum Zeitpunkt meiner Sufferleuchtung wurde mir zudem klar, dass ich nicht länger auf Musikfestivals gehen sollte. Nach einem letzten, traumatischen Glastonbury-Erlebnis vor ein paar Jahren sowie einer Nacht beim Leeds-Festival, die ich in einem Einmannzelt unter Servietten und umgeben von Schinkensandwiches verbracht habe, war der Wendepunkt endgültig erreicht. Dann aber bekam ich eine E-Mail von jemandem, der wissen wollte, ob ich bei einer kleinen Pilgerreise nach Islay, eine Insel der Inneren Hebriden in Schottland, dabei wäre. Als ich hörte, dass der Anlass ein Musik- und Whiskyfestival sei, habe ich mir vor Freude (fast) in die Hosen gemacht.

Islay ist die südlichste Insel der Inneren Hebriden. Sie wird von 10.000 Schafen und 3.000 Menschen bevölkert. Eine kleine Propellermaschine landet zweimal am Tag auf dem örtlichen Flugplatz—eine kleine Hütte in direkter Schafsnähe. Hier ist ein Bild, mit meiner Tasche als Maßstab.

islayairport

Zusammen mit einem Typen wartete ich auf eines der vier Taxis der Insel. Das brachte mich dann in die Bunnahabhain Distillery. Die Luft, die durch die geöffneten Fenster ins Auto strömte, war wie der Himmel auf Erden, vor allem wenn man an die graue Drecksluft in London gewöhnt ist. Die Felder um uns herum waren sattgrün und reichten bis ans Meer heran, dessen Farbe stark an Walter Whites Crystal Meth erinnerte. Und über allem thronten in der Ferne die Paps of Jura, drei tittenähnliche Berge.

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chillcow

Islay ist berühmt für seinen Whisky. Irische Mönche begannen mit dem Destillieren im 14. Jahrhundert. Sie bauten dank des reinen Wassers und Moorbodens schneller Gerste an, als man kucken konnte. Es gibt dort mittlerweile 11 Destillerien. Manche stellen Blends her. Die bekanntesten von ihnen, darunter Laphroaig, Lagavulin oder Bunnahabhain, produzieren Single Malts. Der Unterschied? Lecker und verdammt lecker. Ein Single Malt wird, wie der Name schon sagt, aus nur einer Sorte hergestellt. Ein Blend ist hingegen eine Malzmischung mit verschiedenen Whiskysorten als Grundlage.

Andrew, der das Zepter in der Bunnahabhain-Destillerie schwingt, ist der Mick Jagger des Whiskys. Egal wo wir auch hingingen, überall haben sich ihm die Frauen an den Hals geworfen und fragten nach Autogrammen für ihre Flaschen. Noch bevor ich mich vorstellen konnte, hatte er mir schon zwei Whiskys zum Kosten angeboten: einen zwölf Jahre alten Bunnahabhain sowie einen 17 Jahre alten in nur limitierter Stückzahl. Die Uhr zeigte halb elf.

andrewdistillery

Nachdem er für fast ein Jahrhundert in der Versenkung verschwunden war, sei es als Nischengetränk oder massenproduziert, erlebt die Whiskyindustrie gerade einen regelrechten Boom. Bunnahabhain hat vor Kurzem erst drei weitere Personen für die Rundtour eingestellt—das sind 300 Prozent mehr als noch im letzten Jahr. Während des Festivals lädt jede Destillerie zum Tag der offenen Tür. Du bekommst eine Führung, darfst eine stark limitierte Flasche kaufen, die nur an dem Tag angeboten wird, und kannst bei Munchbox, der kulinarische Low-Budget-Klassiker der Insel, ein Wurstsandwich essen, das vor deinen Augen von einer netten Dame zubereitet wird. Außerdem kommst du in den Genuss einer örtlichen Céilí-Band und kannst mit anderen Whiskyfanatikern aus der ganzen Welt abhängen, wie mit dem einen, der ein T-Shirt mit dem Rückenaufdruck „Single-Malt-Whisky-Trinker" trug. Und ja, das ist wirklich ein Schlüsseband mit Whiskyglashalter auf dem nächsten Bild. Ehre, wem Ehre gebührt!

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whiskeyfanfestival

Hengst. Warum gibt es keine Duftkartenfunktion für die Brühe?

Andrew war so lieb, seine Fans für einen kurzen Moment beiseitezuschieben, um mir eine private Rundtour durch die Destillerie zu geben. Die Destillerie befindet sich in einem Gebäude, das einem Gefängnis nicht unähnlich ist—überall hohe Mauern, kleine Fenster und dazu weht noch eine recht frische Brise. Der Geruch von Burgern, die draußen am Pier auf dem Grill lagen, drang ins Gebäudeinnere. Da ich echt schon immer sehen wollte, wie Whisky hergestellt wird, benahm ich mich wie ein Kleinkind in einem Kugelbad. Andrew erklärte, dass das Leben eines Whiskys als gemälzte Gerste beginnt und dass Bunnahabhain die letzte Destillerie auf der Insel ist, die gemälzte Gerste noch mit dem Schiff liefern lässt. 100 Tonnen davon bahnen sich dann jede Woche auf LKWs ihren Weg durch die hügelige Landschaft.

Die Gerste wird dann in eine alte Schrotmühle gesteckt (ich habe für mich behalten, dass das Gerät wie ein Roboter aussah—Andrew sah so konzentriert aus), die sie in drei Teile trennt: Schale, Schrot und Gerstenmehl. Das Verhältnis der Stoffe untereinander ändert sich mit jeder Charge. Deswegen wird alles in einer alten Box mit drei unterschiedlich großen Sieben gemessen und 80 Mal geschüttelt, und das ein Mal pro Woche. Sie mögen dort noch die alten Technologien.

Dann kommt die Gerste in einen Maischekessel, der mit 45.000 Liter Wasser aus einer Quelle gleich die Straße runter gefüllt ist. Diese dampfende, blubbernde Brühe wird dann bei genau 85 Grad Celsius sich selbst überlassen.

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Nachdem die Gerstenwassermischung vier Mal gewaschen worden ist, kommt sie in 5,5 Meter hohe—und 6 Meter breite—Fässer, in denen sie zwischen 48 und 100 Stunden gären gelassen wird. Die Luft riecht—ganz ehrlich—nach feuchtwarmem Damenslip, aber auf eine angenehme Art. Die Flüssigkeit geht dann durch eine Kupferbrennerei, um den Alkohol wegzubrennen. Bei Bunnahabhain nimmt man dann den mittleren Abzug des Destillats, füllt ihn in Fässer ab und lagert ihn bis zu 40 Jahre. Der Rest wird entweder für die Herstellung von Blends verkauft oder in Flaschen gefüllt und in Duty-Free-Shops verhökert, denn „da liegt das wahre Geld", sagt Andrew mit einem Augenzwinkern. Der Whisky wird bei einem Alkoholgehalt von 43,6 Prozent abgefüllt—eine Tatsache, die du berücksichtigen solltest, wenn du nächstes Mal wieder einen Zehner für ein paar beschissene Bier auf den Kopf haust.

Meine Mitschriften zur Destillerie-Rundtour enden mit den Worten ‚die Enzyme knallen lassen.' Ich vermute, dass sich Andrew damit auf die schwarze Kunst der Fermentierung bezog. Wie dem auch sei, der Duft, der von der Munchbox zu uns rüberwehte, machte mich so hungrig, dass meine Stimmung zu kippen drohte.

Das Werbegesicht für Bunnahabhain ist angeblich Sean Connery, der nach 17 Jahren zum Festival zurückgekehrt sein soll, um ein paar wichtige Worte loszuwerden. Er wurde dann von dem Connery-Blend unten im Bild abgelöst. Ich habe Sean aber leider nicht mehr gesehen. Mist.

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seanconnery

Meine Trauer darüber wollte ich mit einer einheimischen Delikatesse verdrängen—frisch gefangene Austern mit einem Schuss Whisky. Andrew schaute ziemlich dumm aus der Wäsche, als er von mir erfuhr, dass ich einen traditionellen Spritzer Zitrone vorziehen würde. Man kann nicht alle für sich gewinnen.

Einer der Gründe dafür, dass Whisky goldener Nektar ist, ist die Tatsache, dass er einfach ein verdammt gutes Investment ist. In jedem der Fässer befinden sich 300 Liter Whisky. Es schlummert einfach nur vor sich hin, und das manchmal 40 Jahre lang. Fast so wie Austin Powers in seiner Frostkammer, nur mit einer wahnsinnigen Gewinnmarge. Der Einstiegspreis für einen zwölf Jahre alten Bunnahabhain liegt bei 43 Euro. Vor ein paar Jahren haben sie eine 40 Jahre alte Flasche mit limitierter Stückzahl für 2.500 Euro verkauft.

Bis zum Abend wanderten 23 Schnapsgläser durch meine Hand. Jetzt war es an der Zeit für ein bisschen Musik. Darum ging's nach Bowmore, die größte Stadt der Insel. Jeder von der Destillerie ist so freundlich und zuvorkommend—sie lieben einfach ihr Leben, das sich nur um Whisky zu drehen scheint. Wie sollte es auch anders sein? Vielleicht sind sie dort immun, aber alleine der Malzdunst in der Destillerie hatte mich schon auf eine sanfte, wohlige Art ein bisschen betrunken gemacht, bevor ich auch nur einen weiteren Whisky nach der Führung anrührte. Als sich dieses Gefühl dann auch noch mit dem idyllischen, grünen Paradies vor meinen Augen verband, war ich dem Himmel so nah wie nie zuvor.

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Ich hatte erwartet, auf Islay auf Whiskysnobs zu treffen, doch ich hätte nicht falscher liegen können. Ein haariger Barkeeper in Brooklyn wird dich wahrscheinlich mit einem verachtenden Blick bestrafen, wenn du einen guten Whisky nicht pur trinkst, aber so etwas kommt der Markenbotschafterin von Bunnahabhain nicht in den Sinn. „Trink ihn so, wie er dir am besten schmeckt!", meinte sie. „Es ist egal, ob du deinen Whisky mit Eis, pur oder mit Ginger Ale verdünnt bevorzugst. Es gibt nichts schlimmeres als Whisky-Wichtigtuerei." Dann führte sie uns in einen Pub, der nur halb so groß wie meine Küche war. Nach kurzer Zeit kam eine Dame mit einem diamantenbehangenen Lamm an der Leine ins Lokal spaziert. Als sie sich gerade mit einem Glas Whisky-Ginger-Ale hingesetzt hatte, begann das Lamm, sie großflächig vollzupissen. Sie hat es eiskalt ignoriert. Wie wir anderen auch. Ich könnte mich daran gewöhnen, hier zu leben. Kein Witz.

Nachdem für mich die 20. Runde Whisky eingeläutet war, begannen wir, über den örtlichen Flughafen zu reden. „Obacht!", meinte eine der Damen von Bunnahabhain mit erhobenem Zeigefinger, „die Grenzkontrollen hier sind härter als in Syrien." Irgendwie schwer vorstellbar, dass ein Flughafen, dessen Sicherheitsabteilung aus derselben Frau besteht, die auch das örtliche Café betreibt, so furchteinflößend sein soll. Ich lag aber wohl falsch. „Der Metalldetektor hat nur einmal gepiept und daraufhin nahm mich die Frau zur Seite und ich musste mich bis auf die Unterhose ausziehen. Ich stand nur so da und habe auf ein Feld voll Schafe geschaut."

Mit einem Blutalkoholspiegel, der so hoch war, dass ich mit meinem bloßen Atem ein Schaf hätte anzünden können, ging ich also ins Bett. Der Gedanke daran, morgen auf dem Flugplatz möglicherweise einen Strip hinlegen zu müssen, füllte mein whiskyschwangeres Ich teils mit Angst, teils mit Vorfreude. Und so schlief ich ein als glückliche Frau, die noch immer mit den Nachwirkungen von Dudelsackvariationen aus nächster Nähe zu kämpfen hatte. Und die mit den neugewonnenen Kenntnissen zu ihrem Lieblingsgetränk so einigen Leuten zu Hause auf den Nerv gehen würde.

Der Rückflug war schließlich echt interessant. Kein Wunder, wenn man den Tag zuvor zusammenaddiert eine ganze Flasche 43,6-prozentigen Whisky weggekippt hat.

Alle Fotos von der Autorin