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Der Erfinder des Touchpad-Synthesizers bastelt auch mit 81 noch an neuen Sounds

Morton Subotnick erzählte mir im Interview von seiner Erfahrung mit 50 Jahren Musiktechnologie und seiner Vision von einem Komponisten, dessen Orchester der Sound ist.
Subotnick beim Auftritt in San Francisco. Bild: Max Cherney

Morton Subotnick ist der Erfinder des ersten Synthesizers mit Touchpad und wird auch gerne als einer der „Urväter elektronischer Musik" bezeichnet. Subotnick war eine der führenden Figuren der Synthie-Bewegung der 60er Jahre an der Westküste der USA. Und auch im Alter von 81 Jahren geht Subotnick gelegentlich noch für das ein oder andere Konzert auf Tour, und so hatte ich kürzlich das Vergnügen ihn in seiner alten Heimatstadt San Francisco für ein Interview zu treffen.

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In den frühen 60er Jahren baute Subotnick, zusammen mit Ramon Sender und Don Buchla, den Buchla 100, den Urahnen analoger Synthesizer. Anders als die zeitgleich an der amerikanischen Ostküste entwickelten frühen Synthesizer von Moog, die mit Keyboards als Input-Quelle funktionierten, überraschte der Buchla 100 mit einem druckempfindlichen Touchpad, mit dem komplexe Soundwellen übergangslos von Tonhöhe zu Tonhöhe gespielt werden konnten.

Subotnick in seinem Hotel in San Francisco. Bild: Max Cherney

Die Erfindung des Buchla 100 markierte auch den Beginn von Subotnicks Laufbahn als Entwickler und Performer elektronischer Musik. Seine Bühnenkarriere dauert bis heute an und so trat er beispielsweise vor vier Jahren zur Eröffnung des ctm Festivals in Berlin auf, und wird am 19. September in Vancouver wieder auf der Bühne stehen.

Motherboard: Welchen Einfluss hatte die technologische Entwicklung auf ihre Arbeit?

Morton Subotnick: Die fortschreitende Technik hat die Vision von Studiokünstlern und auch meinen eigenen Weg, den ich 1959 begann, sehr viel realistischer gemacht. Es war wundervoll an all den Entwicklungen teilzuhaben.

Für mich war es ein technologischer Big Bang, als Transistoren so günstig wurden, dass schließlich auch unsere Technik billig werden konnte. Als wir in den 1960er Jahren begannen, brachte die Bank of America gerade die erste Kreditkarte auf den Markt und du brauchtest nicht einmal mehr physisches Geld, um deine Geräte zu kaufen.

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Manchmal verändert eine technische Entwicklung meine eigene Arbeit, wenn die Maschinen plötzlich sehr gut in etwas waren, an dass ich zuvor nie gedacht habe. Aber mein Ansatz unterscheidet sich von dem der meisten Leute, denn ich weiß meistens vorher, was ich von der Technologie will, und frage mich deshalb: Was kann die Technik, was es mir erlaubt, das zu tun, was ich möchte.

Haben die größeren Arbeitsspeicher, die effizienteren Prozessoren etc. dazu geführt, dass sie ihre Ziele einfacher erreichen konnten?

Meine Vision war eine unsichtbare Technologie. Es sollte so einfach funktionieren, dass ich nur singen brauchte und die Maschinen den Rest erledigten. Irgendwann habe ich das geschafft, aber dafür waren sehr viel Arbeit und sehr viele Kabel nötig.

Am Anfang bin ich mit Don Buchla auf die Bühne gegangen, aber mich persönlich packte es nicht, was wir taten. Für mich war es nicht ideal. Ich wollte mein Studio auf der Bühne haben. Aber damals war sehr viel Overdubbing nötig, was wir auf der Bühne nicht machen konnten. So mussten wir viele Loops nutzen, und das war nicht mein Ding. Also hörte ich erstmal auf.

Eine Sound-Aufnahme wird zu einem gemalten Werk.

Erst nach acht oder neun Jahren war die Technologie schließlich soweit, dass ich meine im Studio vorbereiteten Sounds mit auf die Bühne nehmen konnte. Ich habe immer im Studio gearbeitet. Und nun konnte ich endlich auf mein Studiomaterial auch auf der Bühne zugreifen. Ich war wie ein Dirigent auf der Bühne und das Klangmaterial wurde zu meinem Orchester.

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Welche Stücke spielen sie bei ihrer aktuellen Tour?

Ich arbeite mit meinem musikalischen Material der letzten 15 Jahre; von Silver Apples of the Moon bis zu A Sky of Cloudless Sulfur Revisited. Gerade bin ich mit Lucy fertig. Dafür habe ich vier Jahre gebraucht.

Bei Lucy geht es um Tonhöhen—um die Möglichkeit mit Tonhöhe Gesten zu machen, als empathischer Begegnungsraum. Die Höhe eines Tons ist intim, sie zieht dich hinein, wie eine direkte Form der Kommunikation. Rhythmus wiederum bringt Menschen zusammen. Wir werden eins, verlieren uns selbst. Anstatt uns selbst zu finden gehen wir in einer Gemeinschaft auf. Die Gruppe wird zu einem Wesen.

Die Spannung zwischen Rhythmus und Tonhöhen ist der Spannung zwischen zwei grossen kulturellen Systemen nicht unähnlich. Nationen bekämpfen einander. Wenn alle zusammen marschieren wie eine Maschine, sind wir Menschen wie Ameisen oder Bienen. Wir werden in etwas hineingezogen. Aber ohne jene beiden zentralen musikalischen Kategorien wären wir nicht dort, wo wir heute sind.

Subotnicks Bühnenaufbau. Bild: Max Cherney

In welchem Maße hat die Technologie es ihnen ermöglicht die Grenzen von Instrumenten zu überschreiten?

Wenn dich jemand vor eine Tastatur setzt und sagt „spiel was du willst", dann bist du auf das beschränkt, was das Instrument kann, zum Beispiel auf eine chromatische Skala. Elektronik hat dazu geführt, dass diese Beschränkungen wegfallen, und dass die Instrumente gemeinsam mit ihren Performern wachsen.

Was denken sie über die anhaltende Ehrerbietung gegenüber dem Analogen in einer digitalen Welt?

Ich fetischisiere das Analoge nicht. Für uns gab es damals halt nur analoge Technik. Uns war das egal. Mein Ziel, was 1959 aufkam und was ich seit 1961 ernsthaft verfolgte, war es einem Komponisten zu ermöglichen, wie ein Studiokünstler zu arbeiten—wie ein Maler zum Beispiel. Der Komponist braucht dann keine Musiker mehr für die er arrangieren muss. Und eine Aufnahme wird zu so etwas wie einem gemalten Werk.

In gewisser Weise war analoge Technologie immer dafür da, aber inzwischen hat die digitale Technik längst aufgeholt. Erst kürzlich wurden zum Beispiel digitale Hüllkurven-Filter schnell und billig genug, um die analogen Strukturen, die das bisher erledigt haben zu ersetzen.

Damals war die Technologie einfach noch nicht reif dafür. Wir haben alles ausprobiert und haben es nicht hingekriegt. Aber ich konnte meine Vision, mit einem Gerät bei dem die Kontrollknöpfe wie ein Pinsel für den Maler sind, entwickeln. Der Künstler kann die Sounds damit gewissermassen malen. Nicht wie eine Druckerpresse, die immer das gleiche baut. Eher wie das Zeichnen mit der Hand—so kam mir die Idee mit dem Touchpad.