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Könnten synthetische Designerdrogen psychische Krankheiten therapieren?

Ein britischer Mediziner fordert, dass die Forschung die Erfahrungen von Konsumenten experimenteller laborgezüchteter Rauschmitteln analysiert und sich zu Nutze macht.
Bild: Shutterstock​

Designerdrogen gehören für manche Menschen zu den annehmlichen Höhepunkten ihres Alltags—​synthetische, quasi-legale Alternatien zu Ketamin, Ecstasy oder auch Marihuana. Nun fordert der britische Mediziner David Nutt, dass die Forschung sich dieses Interesse an experimentellen laborgezüchteten Rauschmitteln zu Nutze machen. Die entspannende Bewusstseinserweiterung soll wertvolle Erkenntnisse für neue Behandlungsmethoden psychischer Krankheiten wie Depression, Angststörungen und vielleicht sogar neurologischer Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson liefern.

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Da manche Psychonauten die Erlebnisse ihrer Trips nur allzu gerne auch online mitteilen, könnten sich für Psychologen und Mediziner hier tatsächlich neue Chancen eröffnen, um durch eine fundierte Analyse der Nutzererfahrungen tatsächlich auf vielversprächende Ansätze oder Mittel zu stoßen, oder neue medizinische Therapien zu entwickeln.

Warum sollten wir Forscher uns ihre Erfahrungen nicht zu Nutze machen?

Synthetische Drogen haben nicht die beste Reputation. Sie werden ​im Labor zusammengemischt und ihre Wirkung wird vor dem Verkauf allzu häufig kaum gründlich untersucht. ​Internetforen​Subreddits und verschiedene ​Online-Communitys sind allerdings voll von gleichermaßen positiven und negativen Erfahrungsberichten mit diversen künstlich hergestellten Substanzen. In den vergangenen Monaten gab es vermehrt Berichte von Menschen, deren Konsum in der Notaufnahme endete, während gleichzeitig Designerdrogen wie 2C zunehmend an Popularität gewannen. Pharma-Konzerne oder der Gesetzgeber waren bisher jedoch noch nicht dazu bereit, auch einen positiven Nutzen aus dieser Entwicklung zu ziehen, und das Wissen der Konsumenten synthetischer Drogen immerhin als mögliche Quelle akademischer Therapieentwicklung anzuerkennen. (Eine Auseinandersetzung, die im übrigen auch eine solide Grundlage für gelungene Präventionsarbeit bieten könnte.)

„Außer einem einzigen Fall wurden alle Psychopharmaka der Geschichte mehr oder weniger zufällig entdeckt. In den vergangenen 50 Jahren haben wir dann eigentlich nur an diesen Entdeckungen weiter gefeilt", sagte mir David Nutt, der am Imperial College in London lehrt und im November einen Artikel zu den möglichen Potentiallen synthetischer Designerdrogen in Nature veröffentlicht hat.

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„Tausende von Menschen verändern ihre Gehirnstruktur mit Mitteln, die wir Mediziner aus moralischen Gründen nicht benutzen dürfen. Warum sollten wir uns ihre Erfahrungen nicht zu Nutze machen?"

In seinem Artikel weist Nutt darauf hin, dass die beruhigende Wirkung von Benzodiazepinen zufällig entdeckt wurde, als man zu einem anderen Zweck Experimente an Tieren durchführte. Mit dem ersten Antidepressivum wurde ursprünglich Tuberkulose behandelt und Ketamin wurde im Krieg als Narkosemittel verwendet. Nutt ist der Überzeugung, dass die Medizin bei den Konsumenten synthetischer Drogen, verschreibungspflichtiger Medikamente und traditioneller illegaler Drogen nach positiven Nebenwirkungen suchen sollten.

Immerhin beginnen Wissenschaftler bereits, ernsthafte klinische Studien zum therapeutischen Nutzen von Rauschmitteln wie Ketamin, Ecstasy oder Pilzen durchzuführen. Und obwohl viele der Drogen recht problematische Nebenwirkungen mit sich bringen, waren die ersten Tests durchaus vielversprechend. Nutt hofft nun, dass sich diese wissenschaftliche Begeisterung für „traditionelle" illegale Drogen auch auf synthetische Drogen ausweitet.

„Wenn du viel Ketamin nimmst—und irgendwann kommt der Punkt an dem du recht viel nehmen musst, weil du schnell eine Toleranz aufbaust—bekommst du ernsthafte Blasenprobleme", sagt Nutt.

​Es gibt hunderte synthetischer Äquivalente zu Ketamin, auch legale, die sich als ein mögliches Antidepressivum besser eignen würden. Wenn jemand berichtet, er habe eine Ketamin-Alternative ausprobiert und sich danach wochenlang besser gefühlt, dann sollten wir diese Substanz untersuchen. Wenn drei oder vier Leute dasselbe sagen, dann kann dies bereits eine kleine Studie rechtfertigen."

Es lohnt sich zweifellos, sich dieser Idee etwas ausführlicher anzunehmen: Im Internet pflegen Drogenkonsumenten bereits einen exzessiv Austausch. Es gibt Unmengen von Informationen über die Nebenwirkungen von synthetischen Drogen und verschreibungspflichtigen Medikamenten. Die staatlichen Stellen und die Forschungsinstitute müssten die Konsumenten einfach nur auch nach den positiven Wirkungen ausfragen, und diese richtig zu deuten wissen.

Doch offensichtlich wird jegliche Initiative von offiziellen Stellen von einer großen legelan Hürde ausgebremst. Für Nutt ist klar, dass sich dieser Ansatz als produktiv erweisen wird, wenn er richtig verfolgt wird, und die juristischen Bedenken ausgeräumt werden:

„Wir haben dabei eigentlich nichts zu verlieren. Wir sollten uns sowieso bemühen, ein vollständigeres Bild von Legal Highs zu erhalten, damit die Konsumenten einen Bogen um die Drogen machen, die wirklich gefährlich sind. Unser Ansatz ist kontrovers, doch letztendlich müsste man einfach nur sagen: 'Wenn ihr etwas nehmt, dann erzählt uns von euren Erfahrungen'."