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Syrien ist zu einer Front der DIY-Waffenschmiede geworden

Knappe Mittel und die Anforderungen des Häuserkampfs förden in Syrien den kreativen Waffenbau.
Syrische Rebellen in Jabal al-Zawiya nutzen Motorradteile, um ein Maschinengewehr ihren Bedürfnissen anzupassen. Bild: Freedom House / Flickr | CC BY 2.0

Das US-Militär hat sich längst daran gewöhnt „Iron Man"-Anzüge zu entwickeln und ferne Angriffsziele mit Predator-Drohnen zu zerstören—gesteuert aus gemütlichen Ego-Shooter-Sessel in der Wüste Nevadas. Den syrischen Aufständischen bleiben nur ihre selbstgebauten Waffen, um einen gewissen taktischen Vorteil auf dem Schlachtfeld zu erlangen.

Ein schmales Budget bedeutet für Dschihadisten und FSA-Rebellen einen klaren technologischen Nachteil gegenüber dem Feind. Auch wenn sich die Aufständischen zunehmend gegenseitig bekämpfen, so ist ihr gemeinsames Ziel immer noch der Sieg über Assads gut ausgerüstete Truppen. Und das bedeutet gegen russische Panzer und Kampfjets und gegen iranische Drohnen anzukommen.

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Statt Raketen und Bombern greifen die waffentechnisch maßlos unterlegenen Rebellen deshalb auf hausgemachte Tötungsmaschinen zurück. Vor wenigen Wochen berichtete die Islamische Front über Twitter, wie sie ferngesteuerte LKWs, die vollgepackt mit Sprengstoff sind, zu verheerenden Attacken umbaut.

Ausgezeichnete Nachrichten: Al-Hamra-Checkpoint im Osten in die Luft gejagt #Hama http://t.co/LJnyMXV8GU

— Islamic Front En (@IslamicFront_En) May 11, 2014

Das verlinkte Video zeigt wie eine LKW-Bombe auf ein Gebäude zufährt und dann in einem Feuerball aufgeht. Angeblich wurden bei dem Anschlag 20 syrische Soldaten getötet. Eine Zahl, die sich von unabhängiger Seite nicht bestätigt lässt.

Seit der Irakkrieg Selbstmordanschläge und selbstgebaute Sprengsätze revolutioniert hat, gehören ferngesteuerte Fahrzeugbomben zur Taktik syrischer Dschihadisten, um nicht mehr wertvolle Kämpfer zu verlieren als nötig. Der Irak ist zu einem Korridor des Waffenschmuggels zwischen Rebellen in Syrien und kampferfahrenen Aufständischen geworden, die in Baghdad einst die Amerikaner bekämpften und sich heute gegen die irakische Regierung stellen.

In den frühen Tagen des Bügerkrieges erzählten mir Rebellen in der Nähe von Aleppo, dass sie die meisten ihrer Waffen aus dem Irak bezögen. Heute gibt es Berichte nach denen die CIA und andere westliche Akteure bestimmte Rebellen-Gruppen mit Waffen beliefern. Aber unabhängig davon kommen die Waffenbauer der Freien Syrischen Armee auf teils geniale Entwicklungen in ihren Waffenschmieden—ganz ohne fremde Hilfen.

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Im Jahr 2013 verbreiteten sich Online-Videos von einem FSA-produzierten ferngesteuerten Maschinengewehr. Das Robotergewehr passt perfekt zum Strassenkampf in kleinen Gassen und schiesst mit Kaliber 50. Von einer Konsole aus kontrolliert ein Kämpfer die Waffe, die speziell mit einer Videokamera ausgerüstet wurde.

Auch ferngesteuerte Scharfschützengewehre wurden von manchen FSA-Einheiten genutzt. Scharfschützen gehören seit Anbeginn zum Inventar des verheerenden Bürgerkrieges und professionelle Regime-Sniper terrorisieren Rebellen und Zivilisten. Die FSA benutzt die Roboter-Gewehre um Soldaten des Regimes sozusagen um Ecken herum beschiessen zu können. Ob diese Waffen weit verbreitet sind ist nicht ganz klar, aber es existieren mehrere Online-Videos, die ihren Einsatz auf dem Schlachtfeld zeigen.

Berühmt wurde ein von Kämpfern selbst gebauter Panzer, der stark an die Ungetüme aus dem ersten Weltkrieg erinnerte. Der AFP zufolge wurde der Panzer aus Autoschrott von einem Ingenieur in Aleppo innerhalb eines Monats zusammengebaut. Rausgekommen ist dabei der „Sham II", der von einem PlayStation-Controller gesteuert wird und als Panzer zu einem Sinnbild syrischer DIY-Waffen geworden ist.

Neuerdings sind es nicht mehr nur Aufständische und von der CIA geförderte Rebellen, die DIY-Waffen nutzen. Der englische Blogger Eloit Higgins (bekannt als Brown Moses), der soziale Netzwerke nutzt um Informationen zum Syrienkonflikt zusammenzutragen, berichtet, dass auch das Assad-Regime beginnt sich für DIY-Waffen zu interessieren—wahrscheinlich aufgrund schwindender Ressourcen.

„Regierungstruppen verlassen sich zunehmend auf Hubschrauber, die improvisierte Fassbomben anstelle konventioneller Bomben abwerfen", schreibt mir Higgins per E-Mail: „[Sie] haben ein verdammt schlagkräftiges Raketensystem namens Volcano entwickelt, dass anscheinend auf IRAMs (improvisierten Raketen-gestützten Mörsern) basiert und von Milizen aus dem Irak und von der Hisbollah verwendet wird."

Im wesentlichen sind die Bomben mit Sprengstoff und Splittern gefüllte Fässer, die vom hinteren Teil eines Transporthekikopters abgeworfen werden. Und die „Volcano"-Rakete des Regimes sei „eine furchtbar zerstörische Waffe im Häuserkampf", sagt Higgins. Die stärkste Bombe dieser Art ist „mit dem Sprengkopf eine SCUD-Rakete vergleichbar." Unter den Oppositionstruppen wiederum sind laut Higgins DIY-Mörser am beliebtesten. Von ihnen werden grosse Stückzahlen in improvisierten Waffenmanufakturen hergestellt.

Higgins glaubt, dass der Aufstieg von DIY-Waffen im Syrienkonflikt auch den Krieg selbst reflektiert. „Die Opposition macht das Beste aus dem, was ihr zur Verfügung steht. Und die Regierung stellt sich auf die sich ändernen Bedingungen ein."