FYI.

This story is over 5 years old.

Tech

Wir haben einen Virologen gefragt, wie gefährlich das Zika-Virus für Europa wird

Wie sehr wir uns sorgen müssen und wieso das Virus so schwierig zu diagnostizieren ist.
Bild: WHO, Public Domain

Wieder mal sind es die vermaledeiten Moskitos: Diesmal hält die gestreifte Tigermücke (Aedes aegypti), die insbesondere in Südamerika, den kapverdischen Inseln im Südpazifik und der Karibik verbreitet ist und auch Gelbfieber im Gepäck hat, einen ganzen Kontinent durch die Übertragung des Zika-Virus in Atem—und auch in Europa werden immer mehr Fälle gemeldet.

Über eine Million Menschen sind allein in Brasilien mit dem Zika-Virus infiziert, das ursprünglich aus einem Affen im Zika-Wald in Uganda isoliert wurde. Nach einem ersten Ausbruch 2013 schüttelt das Virus nun neben Brasilien, Karibikstaaten und ganz Lateinamerika. Neben leichtem Fieber, Gelenk- und Kopfschmerzen gehören Hautausschlag sowie eine nichteitrige Bindehautentzündung zu den Symptomen. Manchmal zeigen die Träger des Erregers sogar keinerlei Symptome—was aber nichts an der Gefahr für eine ganz bestimmte Personengruppe ändert: Schwangere.

Anzeige

Es ist vielleicht das erste Mal, dass eine Regierung der eigenen Bevölkerung komplett davon abrät, Kinder zu zeugen. Nach 13.000 gemeldeten Fällen warnte der kolumbianische Gesundheitsminister Alejandro Gaviria: „Frauen sollten eine Schwangerschaft in den nächsten sechs bis acht Wochen vermeiden". Und das ebenfalls gebeutelte El Salvador hat gleich einen noch radikaleren Rat an die weibliche Bevölkerung: Werdet in den nächsten zwei Jahren am besten nicht schwanger, heißt es da.

„Auf jeden Fall wird es einen Impfstoff geben, aber sicher nicht in den nächsten drei Wochen; das könnte noch Jahre dauern."

Obgleich diese Maßnahmen fast schon absurd und kaum umsetzbar scheinen, ist die Gefahr für Neugeborene, die von der Krankheit ausgeht, tatsächlich groß: In Ländern wie Brasilien, in denen das Zika-Virus grassiert, kamen bereits über 4.000 Kinder mit Mikrozephalie auf die Welt, also einem zu kleinen oder fehlgebildeten Schädel, der mit einer Schädigung des Hirns einhergeht. Auch die ersten Todesfälle durch die Mikrozephalie wurden in dieser Woche gemeldet. Die Verbindung zwischen diesen Fehlbildungen und dem Zika-Virus ist jedoch bislang wissenschaftlich nicht abschließend bestätigt und kann deshalb auch nicht als sicher gelten.

Für Schwangere gibt es keine Heilung: Es bleibt nur der Schutz vor Steckmücken. Und ein paar Hauruck-Maßnahmen, wie die 220.000 brasilianischen Soldaten, die an einem landesweiten Aktionstag bei der Ausrottung der Legestellen der Gelbfiebermücke helfen sollen.

Anzeige

Die gestreifte Tigermücke. Bild: Imago.

Was bedeutet das also für Deutschland? Im November 2013 wurde das Zika-Virus erstmals in einem deutschen Urlauber nachgewiesen, der von einer Reise aus Thailand zurückkam, seit dem schleppen immer mehr Urlauber das Virus ein. Das Auswärtige Amt hat schon eine Reisewarnung für werdende Mütter herausgegeben. Grund genug für viele Reisende, sich zu sorgen.

Ein führender Experte auf dem Gebiet ist der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit. Er arbeitet am Hamburger Bernard-Nocht-Institut für Tropenmedizin und kann dort, an einem der wenigen Referenzinstitute in Europa, das Virus eindeutig identifizieren. Um herauszufinden, ob sich das Zika-Virus auch in Europa ausbreiten kann und was den anderen Laboren fehlt, haben wir ihn angerufen.

Motherboard: Guten Tag Herr Schmidt-Chanasit, wie gefährlich ist das Zika-Virus für Europäer?

Schmidt-Chanasit: Darum müssen Sie sich keine Sorgen machen, in Deutschland zum Beispiel ist eine Verbreitung sehr unwahrscheinlich. Eine Übertragung gab es hierzulande noch nicht, weil es keine Mücken gibt. Die Tropenkrankheit wird in Deutschland nicht lange überleben, es ist einfach zu kalt. Es stimmt, dass bei uns am Institut für Tropenmedizin seit 2013 zehn Fälle gezählt wurden; die Patienten haben das Virus alle durch Mückenstiche im Ausland eingeschleppt. Wenn jemand hier positiv getestet wird, dann passiert meistens nix. Man macht das Virus eben durch, es verläuft nicht besonders dramatisch.

Anzeige

Wie ist das in anderen europäischen Staaten, wo es etwas wärmer ist?

In Südspanien fliegen vielleicht noch ein paar Tigermücken herum, aber auch da gibt es erstmal keinen Grund zur Panik. Normalerweise dauern die Symptome zwei, drei Tage an und klingen dann ab. Das Virus ist dann weg und Sie sind ein Leben lang davor geschützt.

In einem Artikel haben Sie eingewandt, dass die gezählten Zika-Fälle in Europa nicht korrekt seien.

Das kam vielleicht etwas missverständlich rüber; ich meine damit nicht, dass die Zahlen der gezählten Fälle nicht gültig sind. Es gibt bei dem Virus aber hohe Dunkelziffern.

Die Dunkelziffer liegt ja vermutlich auch so hoch, weil die Krankheit nicht meldepflichtig ist. Wann genau wird eine Krankheit denn eigentlich meldepflichtig?

Tja, wenn im Gesetz steht, dass sie meldepflichtig ist—und Gesetze brauchen meist eine sehr lange Zeit, bis sie tatsächlich umgesetzt werden. Dann kann man sich auch ein besseres Bild über eine Krankheit machen.

Das historische Hauptgebäude des Bernard-Nocht-Instituts liegt mitten im Hamburger Stadtteil St. Pauli. Bild: Ajepbah, Wikimedia | CC-BY-SA-3.0 DE

Sie haben in einem Interview von nur wenigen Referenzzentren europaweit gesprochen, die das Virus nachweisen können. Wieso ist es eigentlich so schwierig, das Virus zu diagnostizieren?

Gewöhnliche Labore, beispielsweise hier oder auch in Brasilien machen dazu eine PCA. Das steht für Polymerase-Kettenreaktion, dabei vervielfältigen wir die RNA des Virus, bis wir es bestimmen und direkt nachweisen können. Das Problem ist, dass das nur ungefähr drei Tage nach den ersten Symptomen sicher funktioniert.

Anzeige

Ungefähr eine Woche nach den ersten Symptomen kann man zwar auch mit einem Test schauen, ob sich schon spezielle Antikörper dagegen gebildet haben. Aber: Manchmal sind die Laborergebnisse dann durch kreuzreagierende Antikörper verfälscht, weil die Substanzen, die benutzt werden, auch mit anderen Flaviviren reagieren.

Eine Kreuzreaktion wäre zum Beispiel: Alle, die die FSMA-Impfung bekommen haben, reagieren positiv auf das Zika-Virus, obwohl sie vielleicht nie damit in Kontakt gekommen sind. Das auszuschließen und herauszufiltern, ist die Schwierigkeit.

Und in den Referenzzentren hat man spezielle Tricks auf Lager, um die Diagnose sicherzustellen?

Genau, wir machen dann einen Virusneutralisationstest, den nur wenige Speziallabore durchführen können. Am Pariser Pasteur-Institut kann man das beispielsweise machen; oder eben bei uns in Hamburg. Der Test ist ziemlich aufwändig und teuer, weist das Virus aber sicher nach.

Man kann das Virus ja momentan noch nicht behandeln. Kann man schon ungefähr abschätzen, wie lange der Weg bis zu einem Impfstoff dauern wird?

Darüber können wir leider noch keine Prognose treffen. Es ist hier nicht wie bei Ebola, wo es zumindest schon Impfstoffkandidaten gab. Hier hat man gar nichts. Wir fangen ganz von vorne an. Für manche, sehr ähnlich gestrickte Flaviviren haben wir schon sehr schöne Impfstoffe, zum Beispiel gegen FSME. Auf jeden Fall wird es einen Impfstoff geben, aber sicher nicht in den nächsten drei Wochen; das könnte noch Jahre dauern.