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Darknet-Robin Hood leakt 48 Millionen Papers im Kampf gegen große Verlage

Weil sie zahlreiche Papers renommierter Wissenschaftsverlage öffentlich zugänglich machte, könnte ein New Yorker Gericht der Website von Alexandra Elbakyan den Saft abdrehen. Doch die Kasachin hat schon einen Plan B.
Bild: jeanbaptisteparis | Flickr | Lizenz: CC BY-SA 2.0

Die Veröffentlichung wissenschaftlicher Studien ist für alle Parteien ein unbefriedigendes Unterfangen: Wer die Papers online lesen möchte, muss teilweise horrende Summen für einen Zugang zum Artikel zahlen und auch die Wissenschaftler selbst werden von den Herausgebern zur Kasse gebeten—schon für die Veröffentlichung muss meist gezahlt werden. Dabei werden die Artikel der Forscher oft ohne eine Begutachtung oder gar Lektorat der Verlage publiziert—auch diese Arbeit übernehmen oft andere Forscher ohne dafür entlohnt zu werden. Die meisten zahlen dennoch, denn für Karrieren in der Wissenschaftswelt sind Publikationen obligatorisch.

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Eines der größten Probleme dieses Systems: Die interessierte Öffentlichkeit findet kaum Zugang zu all dem Wissen, das in den Fachjournalen veröffentlich wird—sogar viele Unis können es sich nicht leisten, die teuren Abos der Magazine zu bezahlen.

Alexandra Elbakyan hat eine radikale Antwort darauf gefunden und mal eben 48 Millionen wissenschaftliche Papers für jeden zugänglich ins Internet gestellt.

In letzter Instanz will sie ins Darknet abwandern, um dort weiterzuveröffentlichen: „Das System ist kaputt"

Mit der Veröffentlichung der im Original oft hinter Paywalls oder in Uni-Netzwerken gesicherten Artikel möchte die Neurowissenschaftlerin die Inhalte der Allgemeinheit zugänglich machen und gleichzeitig ein Statement gegen die zunehmend ungerechtere Preispolitik der Publisher setzen. „Das System ist kaputt", kritisiert sie ihre Verfolgung durch die Verlage—und kündigt an, in letzter Instanz ins Darknet abzuwandern. Ihr kompromissloser Kampf für Informationsfreiheit erinnert nicht zuletzt an den Hacker Aaron Swartz.

Mit ihrer Website Sci-Hub beruft sich Elbakyan auf Artikel 27 der von der UN festgesetzten Erklärung der Menschenrechte: „Jeder hat das Recht, […] am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzuhaben." Um die Artikel von den Servern der Unis herunterzuladen, verwendete sie Proxys, die vorgaben, sich in den Uni-internen Netzwerken zu befinden.

„Ein Betrag von 32 US-Dollar (28,50 Euro) [pro Paper] ist verrückt, wenn du für eine Recherche hunderte dieser Paper lesen oder auch einfach nur überfliegen musst. Ich beschaffe diese Papers, indem ich sie raubkopiere," erklärte Elbakyan Torrent Freak. „Jeder sollte unabhängig von Einkommen oder Herkunft Zugang zu Wissen haben. Und das ist vollkommen legal."

Die Diskussion in der Wissenschaftswelt um Urheberrecht und Zugang zu Content lässt sich auch nicht mit der in der Musik- oder Kunstbranche vergleichen. Im kulturellen Bereich schaden Raubkopien den Künstlern, in der Wissenschaft möchten die Forscher ihre Ergebnisse jedoch häufig nur präsentieren und leben nicht von den Einnahmen aus ihren Veröffentlichungen. „Alle Paper in den Journalen wurden von Forschern verfasst, und Forscher bekommen nichts von dem Geld, das Elsevier einsammelt", so Elbakyan. „Das ist ganz anders als in der Musik- oder Filmindustrie, wo die Schöpfer für jedes verkaufte Exemplar einen Anteil ausgezahlt bekommen."

Elbakyan hatte Sci-Hub bereits 2011 ins Leben gerufen und konnte im Durschschnitt 80.000 Besucher pro Tag verzeichnen, bevor die Seite gesperrt wurde. Doch die gebürtige Kasachin gab nicht auf und zog einfach auf eine neue Domain um. Ende letzten Jahres meldete sich, wie zu erwarten, das nächste Problem: Ein New Yorker Amtsgericht stellte fest, dass der Dienst gegen das us-amerikanische Urheberrecht verstoße. Damit entschieden die Richter zugunsten des großen akademischen Publishers Elsevier, der geklagt hatte.

Elsevier zählt zu jener handvoll Herausgeber, die die renommiertesten Magazine mit dem höchsten „Impact Factor" herausgeben. Genau wegen jener marktbeherrschenden Stellung wird das Unternehmen von Elbakyan scharf kritisiert: Sie behauptet gar, Elsevier arbeite mit einem illegalen Geschäftsmodell.

Die Neurowissenschaftlerin, hofft nun, dass sich ihr Verfahren zu einem Präzedenzfall für einen freieren Zugang zum Wissen der besten Forscher der Welt entwickelt. Sollte sie verlieren und gezwungen werden, Sci-Hub offline zu nehmen, kündigt sie bereits an, wie es weitergeht: Sie will mit ihrem Projekt zur Not ins Darknet abwandern.