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It's still real to me, damn it!

Die VICE Wrestling Kolumne

Wrestling und VICE: Gut geölter Scheiß! Mit viel Wrestling-Poker und ganz wenig Wrestlemania.

Nach einjährigem Warten ist dieses Wochenende endlich wieder Wrestlemania und für mich als eingefleischten Fan choreografierter Kampfgymnastik stellt sich da natürlich vor allem eine Frage: Na und? Ganz genau. So viel Gleichgültigkeit gegenüber dem größten Showsport-Event des Jahres hättet ihr jetzt wahrscheinlich nicht von mir erwartet, wo ich mich doch sonst immer so enthusiasmiere und ihr bestimmt schon dachtet, dass ihr mich einigermaßen kennt und es wenig Wrestling-Verwandtes gibt, das mir nicht sofort Freudentropfen auf die Penisspitze zaubert, aber so bin ich eben – ein offenes Buch für alle, aber eins von der Lese-Rollenspiel-Sorte, das man als Nerd zuhause neben seinem Dungeons and Dragons-Zubehör liegen hat und in dem jede Seite mit einem Satz wie "Wenn du sehen willst, was am Ende der Schädelknochenstraße im Gebüsch raschelt, gehe zu Seite 67, andernfalls folge dem freundlichen Drachen zu Seite 82." endet.

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Das heißt jetzt nicht, dass sich mein Wesen aus schlecht beschriebenen Fantasy-Alternativwirklichkeiten zusammensetzt (obwohl ich Schädelknochenstraßen und freundliche Drachen schon ziemlich cool finde), sondern eher, dass ich mich manchmal selbst wundere, auf welche seltsamen Abwege und zu welchen merkwürdigen Meinungen mich manche Dinge treiben. Im Fall von Wrestlemania ist die Sache ein bisschen kompliziert:

Zum einen habe ich trotz ziemlicher Anstrengung keine Presseakkreditierung für Miami bekommen, obwohl ich sie von allen halbgaren Redakteuren – die sich auf WWE-Kosten durch Florida huren und sich pro forma zu ein, zwei Interviews mit meinen Helden karren lassen, nur damit ein paar kosmetische Presse-Clippings dabei rausschauen, mit denen sie die immensen Spesenrechnungen rechtfertigen können, die sie ihrem Chefredakteur zuhause dann vorlegen und die komischerweise auf den Konsum von gut 18 Mojitos in irgendwelchen spacigen Sky Bars zu genau demselben Zeitpunkt, an dem sie eigentlich bei Wrestlemania in einer der verfickten vordersten Reihen sitzen sollten, hinweisen – bestimmt am meisten verdient hätte (jaja, nächstes Jahr vielleicht, whatevaaaa!).

Zum anderen ist mir dieses Wrestlemania-Wochenende aber auch aus weniger bitchigen Gründen egal, nämlich weil im Wrestling-Zentrum meines Großhirns ohnehin immer noch das Tag Team-Wrestle-Poker-Event nachhallt, das meine Freunde vor zwei Wochen für sich selbst und ihresgleichen veranstaltet haben und das für mich mit sowas Ähnlichem wie einer geprellten Nase geendet hat.

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Letztes Mal habe ich eure Netzhäute ja schon mit einem ersten Schub an Schönheit vergewaltigt, heute kommt der gute Rest dran. Also lasst uns gemeinsam gepflegt auf Wrestlemania scheißen und stattdessen ein paar pokernden Halbaffen dabei zusehen, wie sie mit unendlich viel Commitment und sogar noch etwas mehr Courage in den Abgrund blicken und im Bodensatz der Hoffnung ein bisschen astreines, nerdiges Glück finden.

Die Voodoo-Puppe von Duela Harlequin baumelte wie ein Damokles-Schwert über der gesamten Tag Team-Veranstaltung und gab dem Ganzen genau die richtige Dosis Erstickungsangst und Beklemmung. Wusstet ihr übrigens, dass dieser Damokles-Dude ein totaler Verehrer des Tyrannen Dionysos war und nur unter der Bedingung an der Königstafel speisen durfte, dass über seinem Kopf ein Schwert hing, das nur von einem Rosshaar gehalten wurde? Da vergeht sogar dem schlimmsten Fanboy die Lust auf all den Luxus. Was irgendwie auch die Lektion des Dionysos und die Moral des Ganzen ist. Dass Tyrannen aber auch immer so unglaublich schlau sein müssen!

Um einiges weniger schlau als ein besonnener Despot, aber mindestens genauso unbeliebt wie Gaddafi ist die hier abgebildete Gattung Mensch: der Banker. Um diesen Hass auf Wrestling-Poker-Ebene noch deutlicher zu machen, sind diese Banker-Figuren hier ihrem Selbstverständnis nach Punks und bringen gleichzeitig die Gepflogenheiten des Aktienmarktes und den Abwechslungsreichtum der Finanzkrise in die Welt des Texas Hold'em. Wie das alles zusammenpasst, weiß ich auch nicht, aber es hat sicher denselben Hintergrund wie die Haltung unter BWL-Studenten, dass sie sowas wie die neuen Cowboys im wilden Wirtschaftswesten sind.

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Hier seht ihr das gegnerische Team, bestehend aus Justice, der als frischgebackener Bösewicht einen auf düsterer Jeff Hardy macht, und Gonzo, der stolz seinen goldenen Gonzo-Gürtel über die Schulter drapiert hat. Die Fehde hier geht fast ein Jahr zurück und umspannt den Aufstieg und Fall ganzer Imperien. Okay, genau genommen geht es um die zerbrochene Freundschaft von Gonzo und Punk, die nun beide das Anderssein für sich beanspruchen und irgendwie meinen, beide die größeren Rocksäue zu sein. Falls ihr gedanklich noch dabei seid, fragt ihr euch an diesem Punkt womöglich, wer um alles in der Welt hier die Helden sein sollen, worauf ich euch leider auch nicht mehr anbieten kann, als euch den Trololo-Song vorzuspielen und mich ganz schnell im Badezimmer einzusperren, wo ich mir dann die Scham dieses unausgegorenen Erzählstrangs stundenlang vergeblich aus der Ritze zu waschen versuche. Ich gebe es also zu: es gibt hier nur Böse. Na und? Zumindest ist mein Arsch jetzt blitzblank sauber.

Punk und sein Geronimo haben das Match übrigens verloren, auch wenn sie es mit Bestechung des Poker-Schiedsrichters, dem Einschmuggeln eigener Gold- und Silber-Chips und einem abschließenden Bailout-Antrag versucht haben. Tja. Pech gehabt, Bonzen! Poppers raus, der Spaß kann kommen. Zumindets sieht unser Punk als Verlierer ziemlich adrett aus. Dieses Bild ist glaube ich auch das Todesurteil für die ganze Musikrichtung, also nur zur Info und nur, falls unter diesem Prädikat überhaupt immer noch irgendwer Platten rauszubringen beabsichtigt haben sollte. Pffff.

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Gewinner sehen hingegen etwa so aus. Also immer leicht unscharf, weil sie vor lauter berechtigter Freude zwischen den Dimensionen hin und her oszillieren.

Der Priester und sein Diener – in der Storyline zu diesem Match ging es um ein Kloster, in dem Father Phil Good die Zukunft der Menschheit zu retten versucht, indem er dem Rat Hat Avenger Pokertricks beibringt, während die wahnsinnige Duela Harlequin immer wahnsinniger wird, weil Schwester Ignazia (alias Mint Girl, die Erzfeindin des Avengers und damit der Menschheit selbst) in ihrem Namen in fremde Betten scheißt. Oder so ähnlich. Das alles hat irgendwie auch mit übersinnlichen Raumzeitfalten und Kontinuumssprüngen zu tun (oder habe ich das nur geträumt?) und wurde beim Event von drei wunderschönen Kurzfilmen, die alles das mehr oder weniger deutlich zeigen, visuell begleitet.

Duela hat aber nicht nur einen ziemlichen Schatten und eine gruselige Voodoo-Puppe, sondern wird vom Servant of the Relentless Erection auch von dessen gekreuzigtem Dildo beschützt. Seither habe ich übrigens gesehen, dass das mit dem Kreuzigungsglied scheinbar so eine Art Reallife-Meme geworden ist, obwohl die meisten anstelle des Bro-Dildos so einen femininen Surfer-Hobo ans Kreuz stellen und ihn mit blutenden Gliedmaßen darstellen, was ich ziemlich bestialisch finde, aber gut, was will man in Zeiten von Blue Waffles und Lemon Party schon von den Leuten erwarten.

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Im Finale gab es, wie ich bereits letztes Mal berichtet habe, dann eine ganz spezielle Leckerei, mit der der General Manager der United Prestling League uns die Münder ganz schön weit aufriss. Der bereits beanspruchte Red Hat Avenger (in 3D und mit drei Brillen) musste gegen die Piratenbraut von Davey Jones in den Küchenkäfig steigen, um uns alle zu erretten und vielleicht auch den Ruhm und die Ehre der World Poker Wrestling Championship zu erringen. Leider war der Kampf weniger wie das Hell in a Cell-Match von Shawn Michaels und dem Undertaker, sondern mehr so wie das von Undertaker gegen den Big Boss Man, aber wer so coole Gimmicks hat, kann halt nicht auch noch bei dem ganzen verdammten Rest Glück haben. Der Avenger hat verloren, die Piratin hat verteidigt, unser Schicksal ist besiegelt und jetzt verstehe ich auch das Gerede um 2012: Tag Team Wrestling hat einen alternativen Endzeitmythos geschaffen und ich will bitte nie wieder irgendwas vom Maya-Kalender hören.

Schönheit durch Freude: Zuerst der Kampf, dann der Klamauk. Hach, was waren wir witzig! Vielleicht waren die Lebenssäfte auch ein bisschen vom ukrainischen Wodka in Wallung gebracht, aber das ändert absolut nichts daran, dass ich ausnahmslos jedem Mann mit Lemmy-Bart ein Duckface und meinetwegen auch einen Blowjob schenke.

Es ist aber auch wirklich unverschämt oft gut gegangen. Wer kann da bitteschön ahnen, dass man beim zehnten Mal plötzlich genauer aufpassen muss, weil sich die beschissene Sitfläche auf einmal aufklappt und mir armen Juden den Zinken zum Knacken und Bluten bringt? Ich sicher nicht. Sagt einem ja auch keiner vorher. Genauso, wie einem niemand sagt, dass man beim Selbstkopfnussen mit dem Klappstuhl aussieht wie Jabba The Hutt mit Klistier im Enddarm.

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Apropos Enddarm: Warum das hier zum Abschluss noch unbedingt sein musste, weiß ich übrigens auch nicht. Ehrlich gesagt weiß ich nicht mal, was "das hier" überhaupt darstellen soll und ob unser Banker-Punk hier eigentlich gerade bläst oder saugt. Was strenggenommen nichts macht, weil die Antwort so oder so widerlich wäre und man solche Fakten einfach nicht mehr entwissen kann. Also freuen wir uns unserer Ignoranz und gehen mit diesem Gefühl der Unbeschwertheit raus in die Wochenendwelt.

Und aporpos Unwissenheit: Eben die versuche ich mir in Sachen Wrestlemania für die kommenden zwei Wochen noch zu bewahren. Dann wird nämlich auch ich in der Casa Lust das Event endlich angeschaut, in ziemlich großer Runde, wenn's wahr ist, und all die Vorwände von wegen "Scheiß auf Mania" können endlich der Wahrheit weichen. Die hoffentlich nicht lautet "Scheiß auf Mania", aber das liegt dann nicht in meinen Händen, sondern in denen der Performer, die hoffentlich ordentlich delivern. Der eigentliche Grund für meine Gleichgültigkeit ist also, dass ich mein Blut kühlen möchte, um die kommenden zwei Wochen Wrestling-Winterschlaf zu überstehen. Und wer mich bis dahin spoilert, stirbt. Wortwörtlich. Mahalo!

FOTOS: ARMIN OBERSTEINER

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