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Popkultur

Das 1x1 des internationalen Kokainhandels - Teil 2

In diesem Interview mit Ronald Miehling, der in den 80ern tonnenweise Kokain nach Europa brachte, klären wir ihn darüber auf, dass man mittlerweile Drogen im Internet bestellen kann. Das findet er schwachsinnig.

Wie wir gestern im ersten Teil unseres Interviews mit Ronald Miehling, dem Schneekönig, erfahren haben, importierte er in den 80ern tonnenweise selbsterlesenes, astreines Kokain von Südamerika nach Europa und machte damit ein Vermögen, das er traditionell in (wahrscheinlich) fantastische Ausschweifungen mit Koks, Nutten, Knarren und schnellen Autos investierte. Im zweiten Teil unseres Interviews mit ihm erfahrt ihr nun, wie beschissen die Drogenpolitik der Regierung in seinen Augen ist und wie man eine lange Zeit im Knast mental durchsteht. Außerdem hört er das erste Mal davon, dass man sich im Internet Drogen kann, findet das aber total schwachsinnig.

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VICE: Wie viel Blut klebt an dem Zeug, das sich manche hier reinziehen?
Ronald Miehling: Mehr als in so einer Blutkonserve. Da klebt viel Blut dran. Wird man dann schnell selbst dazu gezwungen zu morden?
Ja.

Ist das schonmal vorgefallen?
Weiß ich nicht.

Was stört dich an der aktuellen Drogenpolitik?
Wenn der Staat schlau wäre, würde er es freigeben. Der ganze Kampf gegen die Drogen ist verloren. Unsere ganze Welt ist voller Drogen, das fängt mit Alkohol an, geht über Zigaretten und Tabletten und die ganzen neuen Designerdrogen. Es ist alles da, was willst du machen? Und jetzt ist die Frage, warum das eine illegal und das andere legal ist? Dann kommen natürlich diese moralischen Erklärungen, aber die sind alle Quatsch. Wer was gegen Kokain hat, dem kann ich mit Alkohol kontern und sagen, Alkohol dauert nur ein bisschen länger. Du wirst genauso süchtig und Rauchen hat den gleichen Suchtfaktor wie Heroin. Das wird aber dem Normalbürger nicht erzählt.

Würde sich an der Masse etwas verändern, wenn Drogen legal wären?
Dann wäre der Staat gezwungen, Aufklärung zu betreiben. Ich entwickle gerade ein Konzept mit einem Verein in Marburg, das nenne ich „Drogenführerschein“. Der Hintergrund ist folgender: Wenn du Auto fahren willst, dann musst du in die Fahrschule. Wenn du Drogen nehmen willst, dann sagt dir keiner was. Du kriegst sie und nimmst sie. Beim Auto musst du lernen, ein Gerät zu beherrschen, das dir schaden kann. Bei Drogen ist das genauso. Das heißt, du musst wissen, was du tust. Wenn du heute Leute auf der Straße fragst: „Was sind denn die schlimmsten Drogen?“, dann kommt direkt: „Haschisch, Kokain und Heroin.“ Und dann frage ich mich, wo bleiben denn Sachen wir Krokodil oder Tranquilizer und solche Dinge? Die sind viel gefährlicher. Das ist einfach eine Fehlinformation. Die Leute müssen Informationen haben und müssen dann selbst entscheiden, was sie machen.

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Als du die ganze Zeit mit wirklich gutem Koks versorgt warst, bist du da nicht selbst auf den Geschmack gekommen?
Nee. Ich sehe das immer so: Jeder hat Gene für irgendeine Droge. Meine Droge ist Rauchen. Ich kann mit Alkohol umgehen und ich kann auch mit Kokain umgehen. Was ich auch probiert habe, ist Haschisch, das ist für mich aber eine Behinderung. Heroin würde ich nicht anfassen, weil der Suchtfaktor zu hoch ist. Aber klar habe ich Kokain genommen, aber ich habe das eigentlich als Wachhalter oder als Party-Droge genommen. Ich war nicht süchtig, sodass ich es schon morgens nehmen musste, damit der Tag in Ordnung ist.

Hattest du da gewisse Rituale?
Die darfst du nicht haben. Wenn du Rituale hast, dann wirst du auch süchtig. Das fängt mit dem Auspacken, Schnuppern, Hacken und Drücken an. Wenn ich etwas genommen habe, habe ich ein Stück abgebrochen und in ein Glas geschmissen und mit Selters runtergespült. Das löst sich ja sofort auf. Ich habe nie gehackt. Wenn du irgendein Ritual hast, wie einen Joint zu drehen, bist du auf dem Weg, süchtig zu werden.

Wie hast du dein Koks auf Reinheit getestet?
Es gibt verschiedene Methoden. Um die Einfachste zu benutzen, musst du allerdings einmal reines Kokain gehabt haben, um überhaupt einen Vergleich zu haben. Man nimmt ein Stück Silberfolie und legt ein stecknadelgroßes Stück davon drauf und macht das mit einem Feuerzeug warm, bis es dampft. Dann nimmst du das Feuerzeug wieder weg und atmest den Rauch ein. Dieser Rauch muss einen spezifischen Geruch haben. Den Rest, der auf der Folie ist, streicht man mit dem Finger weg. Wenn der Finger eine schwarze Anhaftung hat, dann ist es gestreckt, und riechen kann man es dann auch. Ich kann bis auf 5 Prozent sagen, wie stark das ist.

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Hast du das Koks in Europa oder in Hamburg selbst strecken lassen?
Wir haben nur zu Anfang, als wir noch klein waren, gestreckt. Aber wir haben sauber gestreckt. Wir haben mit Mannitol gestreckt oder mit Koffein. Nachher haben wir gar nicht mehr gestreckt.

Wie groß war deine Firma zu den Bestzeiten und wie war sie aufgestellt? Was gab es für Abteilungen?
Na ja, das ist, wie aus der Schule zu plaudern. Das war ziemlich groß und das war ziemlich erfolgreich.

Wie hast du dich gegen andere Konkurrenten durchgesetzt?
In Kolumbien hatte ich mit einem etwas größeren Vertriebssystem zu tun und da ist auch keiner rangegangen. In Deutschland bestimmt der Markt, wer Chef ist. Das heißt: du hast die beste und billigste Ware, dann wirst du Chef.

Und das war deine Taktik.
Ja. Ich habe Preise manchmal runter- und hochgefahren, um Konkurrenten aus dem Weg zu drücken. Ich habe hier die Kilos auf den Markt gehauen. Dann kannst du nichts verdienen, und sie haben ihre Ware nach Berlin oder Frankfurt gebracht, weil sie nicht mithalten konnten. Kaum war die Ware weg, haben wir den Markt trockengelegt. Das dauerte zwei Tage, und dann gab es zwei Tage nichts mehr. Dann haben wir die Preise angezogen und den Verlust wieder reingeholt.

Geht es dann tatsächlich nur um den Hamburger Markt?
Das war ein bisschen größer.

Wie geht es einem, wenn man so ein Unternehmen sozusagen im Kopf hat?
Du hast eigentlich Dauerkopfschmerzen. Da sind so viele Informationen drin, auf die du achten musst. Du kämpfst ja nicht nur gegen die Polizei. Du kämpfst auch gegen Banditen. Du musst Zahlungsmodalitäten einhalten, du musst korrekt sein. Es ist eigentlich ein Management-Posten.

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Und wie hoch ist die Gewinnspanne?
Der Gewinn, der lässt sich ganz leicht errechnen. Wir haben damals ein Kilo für 800 eingekauft und hier war der Marktpreis [pro Gramm] zwischen 40 und 50 und wir haben das für 30 verkauft, weil wir sowieso schon genug Gewinnspanne hatten.

Und wo ist dein ganzes Geld hingeflossen?
Verbraten, einfach verbraten. Ich hätte etwas wegpacken können, habe ich aber nicht. Das ist immer die erste Frage, die gestellt wird: „Da muss doch noch was übrig bleiben, oder nicht?“ Ich kenne sehr viele, die groß im Geschäft waren. Die haben das genauso gemacht wie ich. Das ist einfach. Ich habe keine Ahnung, warum das so ist, aber man verbrät das, man kauft Autos wie andere sich Zigaretten kaufen.

Und wann ist es in deiner Laufbahn zu Problemen gekommen?
Welche Probleme?

Du bist ja irgendwann im Knast gelandet.
Na ja, Knast ist kein Problem. Das war die logische Folgerung. Viele hassen das, wenn du nicht sagst: „Ich bereue das.“ Jeder, der irgendeine kriminelle Handlung macht, weiß, was er tut. Jeder Politiker oder jetzt Hoeneß, der die Steuer beschissen hat. Alle wissen, was sie tun. Und wenn es dann knallt, dann stellen sich alle hin und sagen: „Oh, ich bereue das so sehr.“ Das ist eine Floskel. Ich mache das nicht. Ich sage: „Ich habe gewusst, was ich tue, dafür habe ich meinen Knast gekriegt. Punkt. Ich stehe dazu.“

Wenn man dann im Knast landet, hat man dort als Großhändler verschiedene Vorzüge?
Ja, was heißt Vorzüge? Du kriegst eine bestimmte Achtung. Im Knast gibt's auch eine Hierarchie. Wenn du jetzt meinetwegen ein Kinderficker bist, bist du ganz unten in der Hierarchie. Ich habe jetzt schon viel Knast weg und bin fit wie ein Turnschuh. Wenn du dich ständig hinsetzt und sagst: „Warum bin ich hier? Warum so lange? Warum dies, warum der, warum dies?“ Ja gut, dann gehst du kaputt. Ich mach das anders. Ich sage: „Das ist toll hier, ich bin hier zu Hause und mal sehen, was man nicht alles machen kann.“ Dann mache ich meinen Sport, lese ein bisschen, schreibe ein Buch und mache irgendwas, bilde mich weiter. Ich habe jetzt im letzten Knast ein Studium angefangen.

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Wie sieht es im Knast mit Drogen aus?
In jedem Knast sind Drogen. Es ist so: Wo Menschen sind, werden Drogen konsumiert, egal welche. Wenn du im Knast welche haben willst, musst du halt nur ein bisschen mehr dafür bezahlen. Manchmal bekommst du sogar eine bessere Qualität als draußen. Haschisch zum Beispiel wird mehr oder weniger in manchen Knästen geduldet. Nicht ganz, aber ein bisschen. Wenn du einen Typen dort hast, der völlig irre ist, lässt du den rauchen. Dann ist der schön ruhig.

Wie hältst du es durch?
Du musst dich beschäftigen können. Jetzt bin ich ja noch im offenen Vollzug. Ich muss ganz ehrlich sagen, manchmal, wenn ich reinfahre, bin ich froh, dass ich da drinnen bin. Diese Ruhe, es gibt kein Telefon, kein gar nichts, dafür eine schöne Gartenanlage, da ist alles wunderbar. Ich kann ja auch wieder raus. Wenn du in einem geschlossenen Bau bist, dann ist das natürlich eine üble Situation, weil deine Verbindung zur Außenwelt das Fernsehen ist, und vielleicht Besuch. Aber da musst du auch mit klarkommen. Ich habe dann einfach mal zurückgedacht an Leute, die im Zweiten Weltkrieg waren, und Leute, die in Vietnam ein bisschen rumgerockert haben. Die haben sich für den Vater Staat und für Ehre, Löcher in den Kopf schießen und Beine abhacken lassen. Ja, wie geht es denen denn? Da bin ich doch viel besser dran. Drei Mahlzeiten. Alles gut.

Und danach hast du nochmal angefangen?
Ja, das zweite Mal, meinst du? Das ist eigentlich ein Ausrutscher gewesen. Ich wollte da eigentlich nur etwas für ein anderes Geschäft zwischenfinanzieren. Ich hatte eigentlich vor, Kaffee und Bananen hierher zu holen, und habe den finanziellen Rahmen falsch eingeschätzt. Durch den Knast verblödest du langsam. Nach diesem verkehrten Einschätzen habe ich gedacht: Scheiße, finanzierst du es einmal zwischen und gut. Und dann haben wir 65 Kilo genommen, rübergeschickt und sind beim ersten Mal aufgeflogen. Das ist natürlich saublöd. Wenn die durchgegangen wären, hätte ich nie wieder was gemacht. Künstlerpech. Das hängt auch damit zusammen, dass ich davor professionell gearbeitet habe. Das zweite Mal war völlig unprofessionell. Ich hatte ja auch gar nicht vor, wieder ins Drogengeschäft einzusteigen.

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Glaubst du, dass so Sachen wir Online-Drogenhandel, wo du zum Beispiel auch Kokain bestellen kannst, den Zwischenhänder jemals aufheben werden?
Nö. Du kannst dir eine bestimmte Qualität zu einem bestimmten Preis nur besorgen, wenn du die nötigen Kontakte hast. Wie willst du das im Online-Handel machen? Du kannst ja nicht einen Shop aufmachen und sagen: Wir haben hier Kokain und bestellt mal.

Gibt's schon.
Mit Kokain?

Mit Kokain.
Das ist für mich neu!

80-Prozentiges, könnte man sogar mal mit einem Tester prüfen.
Die Tester taugen nix.

Die taugen nichts?
Nein. Die können dich ja täuschen mit Chemikalien, da schlägt der voll blau an, aber es ist kein Kokain drin. Der Tester zeigt nur das Alkaloid an. Da gibt's chemische Stoffe, die voll Alkaloid sind. Aber dass es Koks im Internet gibt, dass ist für mich völlig neu. Also gut. Das wird es eine Zeit geben und dann wird auch das platzen.

Ich denke jetzt gerade logistisch darüber nach: Wenn man im Internet jetzt Kokain verkauft, da legst du doch eine Spur. Also, das kann nicht gut gehen. Das halte ich für schwachsinnig.

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