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Drogen

In Deutschland jagt man Cannabis-Gärtner mit Hubschraubern

Und dafür geht eine Menge Steuergeld drauf.

Die Polizei bei der Ernte | Foto: Imago | Bernd Friedel

Der US-Bundesstaat Colorado gilt als Erfolgsmodell der Cannabis-Legalisierung. Allein im Juli 2016 hat der Staat etwa 14,5 Millionen Euro an Cannabis-Steuern eingenommen. In deutschen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen gibt man stattdessen aber lieber Geld aus—und zwar, um gegen Kiffer, Anbauer und Verkäufer vorzugehen.

Ein Teil des Geldes für den Kampf gegen Cannabis in Deutschland fließt in die Luftaufklärung. Mit Hubschraubern oder Drohnen hält die Polizei Ausschau nach auffälligen grünen Pflanzen, vor allem in Maisfeldern. Denn einige Cannabis-Gärtner, denen das Risiko der Plantage auf dem eigenen Dachboden zu hoch ist, nutzen den Sichtschutz der Felder für ihre Graszucht.

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Der nordrhein-westfälische Politiker der Piratenpartei und Landtagsabgeordnete Lukas Lamla wollte genau wissen, wie der Luftkampf gegen Cannabis in seinem Bundesland aussieht. Immer wieder würden gerade in ländlichen Regionen Hubschrauber über Feldern auftauchen, sagt er. "Anwohner sind verunsichert und fragen sich, was da über den Feldern passiert." Schnell würden dann in den sozialen Medien Gerüchte über vermisste Personen oder gesuchte Verbrecher kursieren.

Lamla hat darum im Juli eine kleine Anfrage an die Landesregierung gestellt. Er wollte nicht nur wissen, wie oft die Polizei auf der Suche nach Cannabis-Plantagen abhebt, sondern auch, wie viel das kostet und wie es eigentlich mit Ermittlungserfolgen aussieht. "Wird in NRW wirklich massenweise Cannabis auf Feldern angebaut?", fragt er.

Piratenpolitiker Lukas Lamla | Foto: Imago | nordpool

Letzte Woche hat das Innenministerium des Bundeslandes geantwortet: Von 2010 bis 2015 gab es 201 Hubschraubereinsätze gegen Cannabis-Plantagen mit einer Flugzeit von insgesamt etwa 197 Stunden. Die genauen Kosten konnte das Innenministerium nicht nennen. Aber eine Flugstunde des Hubschraubermodells BK 117, das die nordrhein-westfälische Polizei regelmäßig für ihre Aufklärungsflüge nutzt, kostete im Jahr 2015 durchschnittlich 822 Euro. Hochgerechnet haben die Flüge in den fünf Jahren also 165.000 Euro gekostet—ohne Personal. Würde man das noch dazurechnen, dürfte die Drogensuche deutlich teuerer gewesen sein.

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Günstiger ist es, kleine Drohnen statt Hubschraubern einzusetzen. Wie 2013 ebenfalls durch eine Anfrage der Piratenpartei herauskam, hat die Polizei in Nordrhein-Westfalen das in der Vergangenheit auch bereits getan. Ein Sprecher des NRW-Innenministeriums erklärte auf Nachfrage von VICE, dass dies nur sehr selten vorgekommen sei und man weiterhin vor allem auf Hubschrauber setze.

DIE POLIZEI HAT KEINE AHNUNG WIE ERFOLGREICH DIE EINSÄTZE SIND

Wie wirksam die Lauftaufklärung ist, kann das Ministerium allerdings nicht sagen. In der Antwort auf die jüngste Anfrage von Lukas Lamla heißt es etwas sperrig: "Eine beweiserhebliche Feststellung einer Cannabis-Plantage erfolgt nie ausschließlich nur aufgrund der Ergebnisse von Aufklärungsflügen des Polizeihubschraubers." Darum habe man auch keine Erfolgsstatistik.

Piratenpolitiker Lamla findet, die Hubschrauber sollten auf dem Boden bleiben. "Wenn man sich ein bisschen unter den Cannabis-Konsumenten umhört, wird schnell deutlich, dass hinter den illegalen Outdoor-Plantagen kein organisiertes Verbrechen steckt", sagt er. Vielmehr würden organisierte Dealer ihr Gras in geschlossenen Räumen anbauen, wo sie die gleichbleibend hohe Qualität kontrollieren könnten.

In einem Landeshaushalt sind 165.000 Euro nicht allzu viel Geld. Insgesamt sind die Kosten für die Strafverfolgung von Kiffern, Cannabis-Gärtnern und Dealern aber deutlich höher. In Deutschland "kostet" das Gras-Verbot jedes Jahr Milliarden Euro.

Stattdessen könnte man das Geld natürlich auch in andere Dinge investieren: In Aufklärungs- und Präventionsprojekte an Schulen zum Beispiel, oder in Organisationen, die Süchtigen helfen. Wäre Cannabis legal, könnte man mit den Steuereinnahmen sogar eine Qualitätskontrolle finanzieren, die dafür sorgt, dass keine gefährlichen Streckmittel wie Kunststoffe oder Blei im Gras sind.

Auch Lamla, der sich für die Legalisierung von Cannabis einsetzt, hat eine Idee für eine bessere Verwendung der 165.000 Euro: "Dieses Geld hätte man in einen wissenschaftlich begleiteten Modellversuch zur kontrollierten und legalen Abgabe von Cannabis investieren können."