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Wie bayerische Beamte Donald Trump verhindern hätten können

Um ein Haar wäre Trump als Deutscher aufgewachsen—oder auch gar nicht.

Glücksritter, Bordellbesitzer, Ausgestoßener: Friedrich Trump, etwa 1918 | Foto: gemeinfrei

Man kommt ins Träumen, wenn man das hört: Donald Trump hätte nie passieren müssen. Denn eigentlich wollten seine deutschen Großeltern gar nicht in den USA bleiben. Dass sie es dann trotzdem taten und die unglückliche Trump-Saga ihren Lauf nehmen konnte, ist die Schuld einiger sturer bayerischer Beamter. Aber von Anfang an.

Als sein Großvater 1904 zurück in seine Heimatstadt Kallstadt in der Pfalz kam, hatte Friedrich Trump alles erreicht, was er sich vorgenommen hatte. 1885 hatte er sich der Winzersohn mit 16 Jahren aus dem kleinen Städtchen nach New York eingeschifft, um in Amerika sein Glück zu suchen. Nach 19 Jahren und zahlreichen Abenteuern als Hotelier in den Rotlichtbezirken Seattles und Bordellbesitzer in den Goldgräberstädten des Yukon hatte er es geschafft: Er hatte nicht nur ein beachtliches Vermögen angesammelt, sondern auch eine schöne Frau aus seiner alten Heimatstadt geheiratet. So schreibt es Gwenda Blair in dem Buch The Trumps: Three Generations That Built an Empire.

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Friedrich Trump (pfälzisch "Drumb") 1887, Elisabeth Trump etwa 1918 | Fotos: gemeinfrei

Diese Frau, Elisabeth Christ, hatte er zuerst wieder zurück nach New York mitgenommen. Weil Elisabeth mit dem American Way of Life offenbar nicht ganz so viel anfangen konnte wie ihr Mann, beschlossen die Trumps, den USA ein für alle Mal den Rücken zu kehren nach Kallstadt zurückzuziehen. In der Heimat wurden sie mit offenen Armen empfangen—auch weil Friedrich (oder "Fred", wie er sich in der Klondike genannt hatte) Trump sein gesamtes Vermögen von 80.000 Mark (das wären heute etwa 320.000 Euro) mitgebracht und in der örtlichen Bank eingezahlt hatte. Die lokalen Behörden beeilten sich, Trumps Antrag auf deutsche Staatsbürgerschaft (er hatte sie zwischenzeitlich verloren und war US-Bürger geworden) mit glühenden Empfehlungen zu unterstützen. Es sah ganz so aus, als würden die Trumps sich als eine der angesehensten und reichsten Familien Kallstadts ein gemütliches Leben in der Pfalz machen können.

Nur hatten sie da die Rechnung ohne die nachtragenden bayerischen Behörden gemacht (die Pfalz gehörte damals zum Königreich Bayern). Die weigerten sich nämlich, Friedrich Trump die Staatsbürgerschaft zu verleihen—stattdessen drohten sie ihm mit Ausweisung, wenn er das Land nicht verlasse. Am 27. Februar 1905 erging folgendes Schreiben vom königlichen Bezirksamt Dürkheim an das Kallstädter Bürgermeisteramt:

"Dem derzeit in Kallstadt befindlichen amerikanischen Bürger und Rentner Friedrich Trump ist eröffnen zu lassen, dass er längstens bis zum 1. Mai lfd. Jrs. das bayerische Staatsgebiet zu verlassen, andernfalls aber seine Ausweisung zu gewärtigen habe, nachdem demselben eine weitergehende Berücksichtigung nicht zugewendet werden kann."

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Der Grund: Friedrich Trump hatte sich nie ordnungsgemäß abgemeldet und stand deshalb im Verdacht, er habe als junger Mann dem Militärdienst entgehen wollen. Das stimmte zwar nicht, wurde Trump—und jetzt der Welt—aber zum Verhängnis.

Trump war fassungslos. Er verbrachte die nächsten Wochen damit, verzweifelt Briefe an alle möglichen Stellen bis hin zum Prinzregenten Luitpold zu schreiben, ohne irgendeinen Erfolg. Die Bayern blieben stur, und schließlich musste die Familie Trump zusammenpacken und sich mit ihrem ganzen Geld wieder in die USA einschiffen—und das, obwohl seine Frau Elisabeth bereits ziemlich schwanger mit dem ersten Sohn, Frederick Junior, war. Dort siedelten sie sich im New Yorker Stadtteil Queens an, und nach Fred Trumps Tod 1918 begann seine Witwe Elizabeth (jetzt mit "z") mit dem Aufbau des "Elizabeth Trump & Son"-Immobilienunternehmens. Das übernahm dann zuerst ihr Sohn Fred, und 1971 schließlich ihr Enkel Donald, der es 1999 in "Trump Organization" umbenannte.

Die Trumps 1915, 3 Jahre vor Freds Tod. Ganz links: Donald Trumps Vater, Fred Jr. | Foto: gemeinfrei

Das Faszinierende an der Geschichte der Trumps sind die unerwarteten Lehren, die man über Einwanderung, Auswanderung und staatliche Kontrolle ziehen kann. Denn als Friedrich Trump sich mit 16 Jahren in die USA einschiffte, war er Teil einer riesigen Migrationsbewegung. In den 1880ern machten sich über eine Million Deutsche in die Neue Welt auf und wurden dort—anders als heute—mit offenen Armen empfangen.

Aus der Pfalz, die immer noch unter den Nachwirkungen der Napoleonischen Besatzung und jetzt der bayerischen Herrschaft ächzte, machten sich sogar so viele Menschen auf den Weg, dass Deutsche in den USA auch einfach "Palatines" (Pfälzer) genannt wurden. Das führte wiederum dazu, dass die pfälzischen Behörden sich zunehmend Sorgen um die Entvölkerung ganzer Landstriche machten—und das Auswandern zeitweise praktisch verboten war. Das Misstrauen, das die bayerischen Behörden einem Auswanderer wie Trump entgegenbrachten, könnte damit zusammenhängen. Im 19. Jahrhundert gingen Staaten mit Migration also völlig anders um, als wir heute als gottgegeben wahrnehmen: Die USA als Empfängerland nahmen die Neuankömmlinge freudig auf, während es eher die Herkunftsländer waren, die ihnen Schwierigkeiten machten.

Die Gewinner waren also offensichtlich die USA mit ihren offenen Grenzen, die Glücksritter wie Trump aus der ganzen Welt anzogen—und sich in Rekordzeit zur dynamischsten und erfolgreichsten Nation der Welt entwickelten. Bittere Ironie, dass diese Erfolgsstory jetzt ausgerechnet mit dem Enkel Friedrich Trumps ihr Ende finden könnte.

Foto: imago | UPI Photos