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Idee aus der Schweiz: Flüchtlinge sollen an der Grenze Eintritt zahlen

Eine Einreisegebühr für Flüchtlinge soll skrupellosen Schleppern das Handwerk legen—Bernd Mesovic von Pro Asyl erklärt, was er von der Idee hält.

Das Ticket ins Glück kostet 1.500, 3.000, manchmal 5.000 Euro. So viel nehmen Schlepper von Flüchtlingen, je nachdem, über welchen Weg sie kommen. Geld, das man besser verwenden könnte als für kriminelle Netzwerke, schreiben Margit Osterloh und Bruno S. Frey von der Universität Zürich in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Das funktioniert so: Jeder Einwanderer zahlt einen bestimmten Betrag vor oder bei der Einreise. Dafür darf er ins Land, kann sofort arbeiten, keiner würde mehr abgeschoben—und niemand müsste eine traumatische Flucht auf sich nehmen. Das Geld könnte für Integration verwendet werden. Und auch der Steuerzahler spart, weil teure Grenzen und aufwändiger Papierkram wegfallen. Dagegen ist die derzeitige Politik „inhuman und versagt auf der ganzen Linie", so Osterloh und Frey.

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Wir haben Bernd Mesovic von Pro Asyl gefragt, was er von dem Vorschlag hält.

VICE: Ist das nicht eine schöne Idee: Die Länder Europas werden zu Genossenschaften, in die sich jeder gleichberechtigt einkaufen kann?

Bernd Mesovic: Das hat schon etwas von: Wir verallgemeinern die schweizerische Eidgenossenschaft zur Weltidee. Ein sehr gediegenes und ahistorisches Selbstbewusstsein spricht daraus. Und ganz nebenbei werden die Menschenrechte abgeschafft. Asylsuchende, Migranten, Armutsmigranten werden so miteinander vermischt, dass man es gar nicht mehr auflösen kann. Dann gibt es nur noch die Registrierkasse, an der man für seinen Aufenthalt bezahlt.

Also für ein Recht, das eigentlich jedem zusteht?
Genau. Asylrecht ist Völkerrecht und aus unserer Sicht auch Menschenrecht. Niemand darf einfach zurückgewiesen werden, der verfolgt ist. Ihm steht ein Prüfungsverfahren zu, und das darf nicht abhängig gemacht werden von einem Vorabbetrag. Es ist unsittlich und unsäglich zu sagen: Die zahlen ja auch ihre Schleuser, dann können sie auch Eintritt zahlen. Stellen Sie sich vor, dass nicht nur das Asyl sondern alle Rechte mit einem Preisschild versehen werden. So lassen sich die Probleme nicht lösen.


Auf der Flucht durch Europa:


Die Professoren klagen selbst die Asylpolitik an, inhuman zu sein.
Ihre Idee ist neoliberal im schlimmsten Sinne. Ich sehe förmlich die beiden älteren Professoren aus der Schweiz in ihrem gesicherten Drei-Säulen-Rentensystem auf die Welt schauen, ob man nicht aus dem Schweizer Wesen noch Profit schlagen kann. Das ist absurd.

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Einreisen ohne Lebensgefahr, sofortige Arbeitserlaubnis—das sind doch Vorteile?
Ja, gut. Erkaufte. Aber das funktioniert nicht. Natürlich kann man behaupten: Dann gäbe es keine Schleuser mehr, man hätte diesen Markt ausgetrocknet. Aber dafür würde man nur einen neuen Markt des Geschachers eröffnen. Laut den Professoren geht der Eintrittspreis hoch, je weniger ein Land aufnahmebereit ist.

Auf Motherboard: Geheimbericht: Offenbar ernste Mängel beim deutschen Grenzschutz

Wären Schleuser dann tatsächlich überflüssig?
Das kommt darauf an, wie die Schlange an der Registrierkasse funktioniert. Man könnte sich zum Beispiel vorstellen: Makler geben betroffenen Menschen einen Kredit, um den Anteilsschein zu finanzieren—aber zu halsabschneiderischen Bedingungen. Dabei drohte zwar keine Lebensgefahr. Aber es wären sklavenähnliche Abhängigkeitsverhältnisse. Ich würde dieser ganzen Idee am liebsten das Etikett anhängen: Hier weht ein leichter Geruch von Sklavenmarkt.

Hätte das Modell Chancen in der EU?
Das wird weder heute noch morgen realisiert. Europa hat sich der Abschottung verschrieben. Es gibt daneben die erklärte Absicht der EU-Staaten, Flüchtlinge aus Erstaufnahmestaaten aufzunehmen und ähnliche Ideen.

Gibt es etwas Vergleichbares in anderen Ländern?
Wenn Sie eine goldene Kreditkarte haben, dann spielt für Sie Ausländerrecht fast gar keine Rolle. Ein Millionär kann sich überall einkaufen. Über ihren erworbenen Besitz oder die Firma bekommen sie Dauervisa, doppelte Staatsangehörigkeiten und Ähnliches. Es gibt eine ganze Reihe Länder in der Welt, in denen man sich—zu sehr unterschiedlichen Beiträgen—die Staatsangehörigkeit kaufen kann.