FYI.

This story is over 5 years old.

Tech

Fragen, die die Drogen-Securitys in der U6 aufwerfen

Dürfen die Securitys gleich viel wie die Polizei? Werden sie das Drogenproblem bekämpfen? Ist das alles unproblematisch? Nein, nein und nein.

Foto: Jobst/PID

In Wien wird seit Jahresbeginn offener denn je gedealt. Die Polizei muss einem Drogen-Dealer nämlich drei Straftaten nachweisen, um ihn des gewerbsmäßigen Handels zu überführen. Das bleibt wahrscheinlich nur bis Anfang Juni so. Bis dahin sollen private Securitys–30 von den Wiener Linien, 8 von der Firma Securitas–das Sicherheitsgefühl der Fahrgäste erhöhen. Dieses Vorgehen ist ungewohnt und hat für Kritik gesorgt. Wir haben einige Fragen gesammelt.

Anzeige

Was dürfen die Securitys?

Die Securitys sollen die Hausordnung der Wiener Linien überprüfen und Ansprechpartner für Fahrgäste sein. Im Klartext heißt das: Sie sind da, sie schauen zu und holen bei Bedarf die Polizei. Das gilt auch für die eigens engagierten Mitarbeiter von Securitas, die zwar nicht mehr dürfen, aber das Gewünschte „anders durchsetzen" und „ein anderes Auftreten" haben, wie der Geschäftsführer der Wiener Linien meint. Das dürfte wohl eine freundlichere Beschreibung für den kahl rasierten Muskelmann sein, der sonst samtagmorgens die Betrunkenen aus dem Club schmeißt. In der U-Bahn haben die Securitys jedenfalls nicht mehr Rechte als jeder Fahrgast: Sie dürfen jemanden bei einer Straftat bis zum Eintreffen der Polizei festhalten.

Screenshot aus der Hausordnung der Wiener Linien.

Werden sie den Drogenhandel bekämpfen?

Nein. Weder die Wiener Linien noch die Securitys haben die Kompetenz dazu. Außerdem liegt die Bekämpfung des Drogenhandels in Wien gar nicht im Interesse des Unternehmens: „Als Wiener Linien liegt unser Fokus natürlich auf unseren eigenen Anlagen", heißt es in einer Antwort auf einen Facebook-Hinweis, dass man das Drogenproblem damit nur verlagere. „Die Presse" beobachtete ähnliches: Die Security-Mitarbeiter werfen Personen, die sich offensichtlich nicht fortbewegen wollen, aus den U-Bahn-Stationen. Draußen wird weiter gedealt.

Sind die Sicherheitskräfte gleich gut ausgebildet wie Polizisten?

Auf keinen Fall. Securitas wirbt auf seinem Karriere-Portal, dass „keine Vorkenntnisse notwendig" sind—eine interne 3-tägige Ausbildung reiche aus. Auch, wenn die Polizei nicht immer optimal reagiert, haben die Beamten immerhin eine zweijährige Ausbildung hinter sich. Polizisten lernen die Verfassung, die Menschenrechte sowie den de-eskalierenden Umgang mit Konflikten. Securitys sind bloß Dienstleister in schwarzen Jacken und Warnwesten.

Anzeige

Ist es problematisch, dass private Sicherheitskräfte zunehmen?

Ja—vor allem, wenn man es in größerem Kontext betrachtet. In einem Rechtsstaat verzichten alle auf Gewalt und überlassen diese Kompetenz dem Staat, damit dieser Gewalt (mit Gewalt) verhindern kann. Wenn sich jedoch zunehmend private Unternehmen für die öffentliche Sicherheit verantwortlich fühlen, wird das Gewaltmonopol in Frage gestellt. Eine ähnliche Diskussion gab es vor gut zehn Jahren, als der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) eine Ordnungswache für die Innenstadt einführte: „Wenn die Verantwortlichen nicht gut ausgebildet sind, kann es sein, dass die Konfrontations- und Kriminalitätsbereitschaft der Bevölkerung steigt", meinte damals der Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk zum Standard, den die Ordnungswache an die 1992 von der FPÖ eingeführte Bürgerwehr erinnert. Aktuelle beobachtet der Verfassungsschutz mit Bedenken selbsternannte Bürgerwehren, die sich seit der Asylkrise im Internet organisieren.

Wird diese Aktion irgendetwas ändern?

Sehr wahrscheinlich nicht. Die Öffi-Stadträtin Ulli Simma (SPÖ) kann sich für drei Tage der Law & Order-Sonne des Boulevards erfreuen und vielleicht wird sich bei einigen eingeschüchterten Menschen die „gefühlte Sicherheit" verbessern. Aber das Drogenproblem wird damit sicher nicht kleiner. Eine ernsthafte Drogenpolitik würde die Wurzel des Problems bekämpfen, die in den meisten Fällen bei der Perspektivenlosigkeit junger und/oder ausländischer Menschen beginnt.

Kann ich nicht selbst etwas unternehmen, wenn ich etwas Bedenkliches beobachte?

Die amerikanische Homeland Security hat eine einprägsame Antwort auf diese viel gestellte Frage: „If you see somehting, say something." In Wien gibt es auf jedem U-Bahn-Gleis, in jedem Zug und allen neueren Trams eine Notsprechstelle, die geräuschlos ausgelöst werden kann und das Kamerabild des jeweiligen Standorts an die Leitstelle überträgt. „Auch wenn Sie nicht sicher sind, ob es sich um einen 'echten Notfall' handelt: Holen Sie sofort Hilfe!", bitten die Wiener Linien. Die Polizei um Hilfe zu rufen ist so einfach und dennoch effektiv. Die privaten Securitys machen im besten Fall auch nicht mehr.

Christoph auf Twitter: @Schattleitner