
„Die sozioökonomischen Auswirkungen von Landminen und Blindgängern sind sehr groß. Sie blockieren die wirtschaftliche Entwicklung und die arme Bevölkerung in abgelegenen Gegenden leidet unter ihnen”, sagt Tekimiti Gilbert, Verantwortlicher bei der Minenräumungs-NGO Apopo. „Wenn die Bevölkerung weiß, dass es auch nur eine Mine in dem Gebiet gibt, wird sie dieses Land aus Angst nicht mehr für die Landwirtschaft nutzen. Viele dieser Gemeinschaften betreiben Subsistenzwirtschaft. Sie brauchen das Land für Landwirtschaft, Viehzucht und Forstwirtschaft—auch um Brennholz für ihre Häuser zu sammeln. Je weiter man aufs Land fährt, desto größer ist das Problem.”Zufällig hat Bart Weetjens, ein in Belgien geborener Zen-Buddhist und Gründer von Apopo, Pionierarbeit mit einer neuen Methode geleistet, mit der man Landminen aufspüren und beseitigen kann. Er arbeitet mit Riesenhamsterratten—katzengroßen Ratten, die fast alles für ein Stück Avocado tun würden. Mithilfe anderer Minenräumungs-NGOs und der britischen Regierung sollen diese Ratten dafür sorgen, dass Mosambik bis Ende des Jahres minenfrei wird.„Viele halten die Idee für verrückt”, sagt Bart Weetjens mit starkem belgischen Akzent und lacht. „Für mich standen die Sterne günstig, als ich die Verbindung zwischen Ratten und Minenräumung fand.”Weetjens Mission, eine hoch qualifizierte Nagetierkampftruppe zusammenzustellen, begann, als er neun Jahre alt war und seinen ersten Hamster, Goldie, bekam. Kurze Zeit später fing er an, eine ganze Menagerie von Nagetieren in seinem Kinderzimmer zu züchten und die Tiere an Zooläden in Antwerpen zu verkaufen, um sich etwas Taschengeld dazu zu verdienen.
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Mosambik: Ein Ratte findet eine Landmine.Als Weetjens 1999 mit der Sokoine-Universität in Tansania zusammenarbeitete, begann er damit, eine Armee von Gambia-Riesenhamsterratten zusammenzustellen und zu trainieren. Er baute eine Versuchseinrichtung an der Universität auf und belohnte die Ratten jedes Mal, wenn sie Sprengstoff erschnüffelt hatten, mit Essen—erst unter Laborbedingungen, dann auf einem Feld voller Landminen. Weetjens Theorie hielt auch in der Praxis stand: Die Ratten erwiesen sich als hervorragend geeignet, um Landminen aufzuspüren.„Ratten sind überaus opportunistisch. Sie würden alles für Futter tun. Und sie mögen Routineaufgaben. Sie arbeiten in übertragenem Sinne für einen Apfel und ein Ei. Sie sind von ihrer Biologie her gut geeignet, weil sie fast blind sind. Außerdem sind sie nachtaktiv. Das bedeutet, dass sie sich auf ihren Geruchssinn verlassen. Und der kann durch gezieltes Training noch verbessert werden.”
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Ratten werden während des Trainings und nach geleisteter Arbeit mit Essen belohnt.Zusätzlich zu ihrem hervorragenden Geruchssinn haben Ratten den Vorteil, dass sie weltweit verbreitet sind. Das bedeutet, sie können überall gezüchtet und trainiert werden und das mit geringem Kostenaufwand. Außerdem sind sie gegen die tropischen Krankheiten resistent, die in den von Landminen betroffenen Ländern auftreten. Was noch viel wichtiger ist, sie werden sich selbst und ihre Trainer nicht jedes Mal, wenn sie ein Minenfeld betreten, in die Luft sprengen, weil sie viel zu leicht sind, um die Minen auszulösen.Das Training ist gründlich, denn für den Einsatz auf dem Minenfeld werden die Ratten nach den Internationalen Standards bei der Minenräumung (IMAS) nur zugelassen, wenn sie eine 100-prozentige Erfolgsrate beim Aufspüren von Sprengstoff vorweisen können. Es dauert ungefähr sechs Monate und kostet ungefähr 4600 Euro, um eine Minensuchratte (Mine Detection Rat, MDR) auszubilden. Manche Tiere lernen aber auch schneller als andere.„Ararat war einer meiner Lieblinge”, erzählt mir Weetjens. „Dieser kleine Kerl war wirklich ungewöhnlich. Eine sehr ehrgeizige Ratte. Die meisten Ratten machen einen Lernprozess durch, aber er hat alles immer beim ersten Mal richtig gemacht.”Die Ratten von Apopo beim Training2013, vier Jahre nachdem sie mit ihrer Arbeit begonnen hatten, hat Apopo das IMAS-OK für den Einsatz der Ratten in Minenfeldern bekommen. Nachdem sie umgerechnet 3,4 Millionen Euro an Spendengeldern erhalten hatte, begann die Organisation ihre Arbeit in Mosambik, einem Land, das immer noch von Landminen durchsiebt ist—Überbleibsel aus dem Bürgerkrieg, der von 1977 bis 1992 in dem Land tobte.
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Ratten sind nicht schwer genug, um Landminen auslösen. Sie lernen, an der Stelle, an der sie eine Mine gefunden haben, zu kratzen und auf ihren Trainer zu warten.Bis einschließlich 2013 hatten die Minensuchratten insgesamt 8,8 Millionen Quadratmeter Land in Mosambik abgesucht. Das sind 1260 Fußballfelder. Und das für umgerechnet nur 90 Cent pro Quadratmeter.
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