Schwarzes Gold aus dem Elendsschacht

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The Road to Nowhere Issue

Schwarzes Gold aus dem Elendsschacht

Fotograf Michael Biach hat Minenarbeiter bei ihrer illegalen Arbeit in polnischen Kohleschächten begleitet.

Als in den 1990er Jahren die letzten Kohlezechen in Polen geschlossen wurden, verlor Roman Janiszek seinen Job. Heute graben er und seine ehemaligen Bergbaukumpel in den Wäldern um Walbrzych nachts illegal nach Kohle und werden dabei von der Polizei gejagt. Ein Besuch in den „Armenstollen" von Niederschlesien.

„Irgendwann gab es einen Zeitpunkt, da war ich wirklich am Ende", erinnert sich der hagere 57-jährige Roman Janiszek an die Jahre, direkt nachdem er seinen Job als Kohlekumpel in Walbrzych verloren hat. Einst galt die Stadt als Zentrum des wichtigsten Bergbaugebiets Polens. Bereits in den 1980ern wurden viele Werke unrentabel und mussten geschlossen werden. Der Übergang von Plan- zur Marktwirtschaft beschleunigte den Auflösungsprozess und so verlor Roman neben Tausenden anderen Anfang der 1990er seinen Arbeitsplatz. „Ich fand keinen neuen Job, staatliche Sozialleistungen gab es anfangs keine", erinnert er sich. Der einst so stolze Bergbauarbeiter verlor jegliches Selbstwertgefühl, seine Frau ließ sich von ihm scheiden. Er selbst bettelte auf der Straße um Arbeit und Kohle.

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„Eines Tages habe ich dann einen alten Bergbaukollegen getroffen, der mir erzählte, dass im Wald wieder nach Kohle gegraben wird", erinnert sich Roman an diesen besonderen Augenblick voller Euphorie und Tatendrang. Aus seinem Keller holt er Spitzhacke und Spaten und macht sich mit den ehemaligen Kumpel auf, um in den Wäldern um Walbrzych nach dem „schwarzen Gold" zu suchen. „Die Tätigkeit unterscheidet sich nicht sonderlich vom industriellen Bergbau", schmunzelt Roman. Zuerst wird ein Schacht vertikal in die Erde gegraben, bis man auf eine Kohleader trifft. Dann wird horizontal weitergegraben.

Erinnerungen in Roman Janiszeks Wohnung.

Mit Holzstämmen und Sandsäcken stützen die „Kohlespechte", wie die Männer im Volksmund genannt werden, unterirdische Gänge, die kaum mehr als einen halben Meter hoch sind und tief in die Erde reichen. In einem Stollen—zehn Meter unter Tag—schürft Roman wie wild Kohle, die gepresst zwischen Steinformationen lagert. Dass es außerhalb der Kohlemine Minusgrade hat, merkt man unter der Erde nicht. Roman Janiszek schaufelt die herausgebrochene Kohle in einen bereitgestellten Plastikkübel, an dessen Ende ein Kabel hängt, das bis zum Ausgang führt. Ist der Behälter voll, wird die schwere Fracht von einem Kollegen durch den schmalen Gang nach oben gezogen und in Säcke verpackt. Die Männer schürfen so einige Kilogramm Kohle pro Nacht und verkaufen sie in der Stadt direkt an Endverbraucher. „Wir alle haben unsere eigenen Kunden. Der Preis wird im Voraus vereinbart", erklärt der „Kohlespecht" die Situation.

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„Das einzige Problem an unserer Arbeit ist, dass sie illegal ist", lacht Roman. Die Politik ignoriert das Problem. Offiziell gibt es die sogenannten „Armenstollen" gar nicht. Dennoch macht die Polizei unerbittlich Jagd auf die „Biedaszybnicy" („Kohlespechte"), verhaftet die Männer, konfisziert Kohle und Transportfahrzeuge, und zerstört intakte Stollensysteme. „Wird eine Grube geschlossen, graben wir daneben ein neues Loch", sagen die Betroffenen dazu.

Tatsächlich schaut der Wald um Walbzrych aus wie Schweizer Käse. Durch die nicht reglementierte Tätigkeit leidet auch die Umwelt, da leere Gruben oft zur Müllentsorgung dienen. Die illegalen Kohlekumpel graben mittlerweile nur mehr nachts, wenn sie die Polizei im unwegsamen Gelände nicht überraschen kann. Diese ausweglose Situation und Stigmatisierung wollte Roman nicht länger hinnehmen. Seit 2004 kämpft er mit seinem „Komitee zur Vereidigung der Armenschächte" für eine Legalisierung der Tätigkeit und musste für sein Engagement bereits Bußgelder bezahlen und sogar ins Gefängnis. „Seit 500 Jahren wird hier nach Kohle gegraben. Solange sie da ist, wird jemand sie abbauen", ist sich Roman sicher. Mit bloßen Händen graben die Männer Schächte und Tunnel. Immer wieder passieren auch tödliche Unfälle. „Acht Menschen kamen im Vorjahr in den Minen ums Leben", erzählt er. Gehör hat sein Engagement in Polen bislang nicht gefunden. Die Medien berichten zwar immer wieder über die Armenschächte, aber ihm und den anderen geht es nicht um Mitleid: „Uns geht es darum, einer ganzen Berufsgruppe ihre Würde wieder zu geben."

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Roman Janiszek auf der Suche nach einem neuen Platz zum Graben.

Zbigniew Harasymowics und Roman Janiszek arbeiten illegal am Kohleabbau außerhalb von Walbrzych.

Roman Janiszek hat ein Komitee gegründet, das sich gegen die Illegalisierung seines Berufes stark macht.

Illegaler Kohleabbau ist wichtig für viele Ortsbewohner, um ihr Überleben zu sichern—er führt aber auch zu Umweltbelastungen.

Das Ergebnis einer Nachtschicht.

Die Arbeiter flüchten durch eine „Rattenloch“-Mine.