FYI.

This story is over 5 years old.

Stuff

Was ich als Shot-Girl gelernt habe

Banker und Junggesellinnenabschiede sind das Beste!

Du glaubst, deine Konzernkarriere ist ein Albtraum aus Stress und sinnfreiem Managergelaber? Kann ich mir vorstellen. Aber wie viele KPIs du auch immer bis Geschäftsschluss implementieren musst, glaub mir, wenn ich sage, dass es tausendmal nervtötender ist, ein Shot-Girl zu sein. Es hat auch keinen der Leistungsanreize, wie zum Beispiel vierstellige Bonuszahlungen, nüchterne Kollegen und die Tatsache, dass man angezogen zur Arbeit gehen darf.

Anzeige

Versuch mal, ein falsches Grinsen aufrecht zu erhalten, während du auf der Tanzfläche herumstreifst, in jeder verschwitzten und klebrigen Hand eine Flasche Sauren, und Calvin Harris die dritte Nacht infolge dein Trommelfell wie ein Presslufthammer bearbeitet. Versuch mal, dich durch einen Haufen argwöhnischer Banker zu drängen, wenn deine Fußballen brennen wie die Hölle und deine Selbstachtung sich auflöst wie Zigarettenpapier bei einer Schaumparty.

Und versuch das Ganze mal nüchtern.

Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals Kurze in einer Bar verkaufen würde. Nachdem ich wegen meines Masterstudiums nach London gezogen war, führte mich meine Schwester in die Welt der Promotionjobs ein. Ich habe schon Flyer verteilt (6 Pfund (7,50 Euro) die Stunde, um Papierschnipsel im Müll zu versenken), war Hostess in Clubs (8 Pfund (10 Euro) die Stunde, um bei wildfremden Leuten einen auf beste Freundin zu machen) und habe Namen von einer Liste abgehakt (meiner Erfahrung nach 10 Pfund (12,50 Euro), um mir bei Minusgraden rassistische Kommentare von Türstehern anzuhören).

Shots zu verkaufen, war der einzige Promojob, der tatsächlich halbwegs gut bezahlt war. Man arbeitet auf Kommissionsbasis. Je größer also der Club, desto besser. Man kann aber auch gut was einnehmen, wenn man Banker in die Ecke treibt, die gerade einen dieser albernen Macho-Wettkämpfe am Laufen haben und versuchen, einander mit Don-Julio-Shots zu überbieten. Als ob der Wunsch, in teurem Tequila zu ertrinken, sie in irgendeiner Weise attraktiver machen würde. Für diejenigen, die bereit sind, auch über Weihnachten und Neujahr zu arbeiten: Ich habe schon von Mädchen gehört, die fast einen Tausender pro Abend gemacht haben.

Anzeige

Aber ihr habt nicht nur mit Möchtegern-Dan-Bilzerians zu tun, die für einen Geldregen sorgen und versuchen, euch in ihr Penthouse mitzunehmen. Die Arbeit als Shot-Girl war ermüdend, deprimierend, demoralisierend und alles in allem der schlimmste Job, den ich je gemacht habe. Während der ganzen Abende, an denen ich mir meinen Jägermeistergürtel umgeschnallt habe, habe ich viel gelernt. Ich habe allerdings versucht, das meiste davon in den dunkelsten Winkeln meiner Erinnerung zu vergraben. Doch in der Hoffnung, dass ihr das nächste Mal Mitleid haben werdet, wenn ihr ein Shot-Girl seht, das durch einen Club watet, schreibe ich hier für euch nieder, was ich mitgenommen habe.

Trinkgeld gibt's für nette Gespräche—nicht für Brüste

Soziale Kompetenz ist unerlässlich in diesem Job. Nur mit den Wimpern zu klimpern, bringt dir rein gar nichts, weil in jedem Club normalerweise mindestens ein weiteres Shot-Girl herumläuft und die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass es hübscher ist als du und nicht so schwitzt.

Außerdem musst du ständig in Bewegung bleiben. Behalte das andere Mädchen im Auge. Versuch dein Glück bei den Leuten, die ihr eine Abfuhr erteilt haben, und stell sicher, dass neue Gäste sofort zu dir kommen. Du kannst es dir nicht leisten, in einer Ecke herumzuhängen und mit nur einem Typen zu flirten. Geld bringen dir die großen Gruppen ein, und wegen des Geldes bist du schließlich hier (es sei denn natürlich, es macht dir Spaß, deinen Freitagabend damit zuzubringen, von angetrunkenen Soziopathen angerempelt zu werden).

Anzeige

Wenn es darum geht, auf welche Gruppen man sich am besten konzentriert, kann ich nur sagen: Junggesellinnenabschiede. Wo andere nur Diademe und riesige, aufblasbare Penisse sehen, sah ich eine Möglichkeit, meine Heizkosten zu bezahlen. Wenn du dich also als Shot-Girl versuchen willst, begib dich auf dem kürzesten Weg zur zukünftigen Braut, sobald sie den Raum betritt.

Du kannst viel Geld verdienen, aber du müsst dafür schuften

Mit dem Verkaufen von Kurzen kannst du genug Geld verdienen. Du musst aber auch bereit sein, ein gewisses Risiko einzugehen. Zunächst einmal bekommst du den Alkohol nicht gratis—so war es zumindest, als ich als Shot-Girl gearbeitet habe. Meine Kolleginnen und ich mussten zwei Flaschen Schnaps an der Bar kaufen, für den astronomischen Preis von 70 Pfund (90 Euro) pro Flasche. Bevor du überhaupt zu arbeiten angefangen hast, bist du demnach schon mal 140 Pfund (180 Euro) im Minus.

Na ja, das ist dann zumindest ein Ansporn. Du wirst mit Sicherheit nicht den Abend damit zubringen, deinen eigenen Rekord bei Candy Crush zu brechen, wenn ein Großteil deiner Miete auf dem Spiel steht. Die Konsequenzen mangelnden Engagements sind keinesfalls zu unterschätzen: Zwar kenne ich kein Mädchen, das je Verlust gemacht hat, aber ich habe schon einige getroffen, die nach einer langen, harten Nacht mit kaum mehr als 30 Pfund (40 Euro) nach Hause gegangen sind.

Du wirst dir wünschen, dass du in Mathe besser aufgepasst hättet

Wenn du als Shot-Girl arbeiten willst, musst du mit Zahlen umgehen können. Normalerweise verkaufst du verschiedene Shots: beispielsweise einen „gemischten" für 3, einen „puren" (daher unverdünnten) für 3,5 und eine Jägerbomb für 5. Wenn du den Gästen Angebote machen willst—zum Beispiel drei pure Shots für 10, solltest du vorsichtig sein. Andernfalls verlierst du noch das bisschen Geld, dass übrig geblieben ist, nachdem du die zwei großen Flaschen Schnaps an der Bar bezahlt hast.

Du wirst dich schuldig fühlen, wenn du die Leute abzockst

Zu meiner Schande muss ich zugeben, dass ich zwielichtige Methoden angewendet habe, um meine Gewinne zu steigern. Wenn ich z.B. eine Jägerbomb gemischt habe, habe ich den Shot so schnell in das Energy-Drink-Glas fallen lassen, dass niemand gemerkt hat, dass das Schnapsglas nur zu drei Viertel voll war. Wenn jemand einen gemischten Shot wollte, hatte ich immer schon einen fertigen an meinem Gürtel, der fast ausschließlich aus Saft bestand. Manchmal habe ich auch gesagt, ich müsse saubere Gläser holen, und habe dann absichtlich immer die gerade abgewaschenen Gläser genommen, in denen noch Wasser war.

Den Schnaps in der Flasche zu verdünnen, ist mir allerdings immer zu riskant gewesen. Dafür hätten sie mich rausschmeißen können.

Leuten verwässerte Drinks für den vollen Preis zu verkaufen, ist zwar nicht gerade das moralisch Einwandfreiste, das ich je getan habe, aber zu meiner Verteidigung: Komasaufen ist ganz, ganz böse und außerdem habe ich immer nur diejenigen abgezockt, die zu betrunken waren, um geradeaus zu kucken. Die hätten es eh nicht gemerkt. Also, keine Sorge, ich kann nachts ruhig schlafen.