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Sex

Kastration am Telefon, eine Hodensack-Geldtasche und Stalker: alles für zwei Euro pro Minute

Dirty Hannah verdient ihr Geld mit Telefonsex und hat den vielleicht dreckigsten Twitter-Account Deutschlands.

Hannah ist 24, finanziert sich ihr Kunstgeschichtsstudium mit Telefonsex und betreibt mit Dirty Hannah den vielleicht dreckigsten und gleichzeitig lustigsten Twitter-Account Deutschlands, worüber ich sie auch kennengelernt habe. Gerade weil wir in einer Welt leben, in der man im Prinzip jede Art von Porno innerhalb von Sekunden abrufen kann, ist doch gerade Telefonsex faszinierend, ein bisschen wie ein Relikt aus der technologischen Vergangenheit. Für zwei Euro die Minute.

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Verbringt Hannah also ihre Schichten mit Technik-Versagern, die doppelt so alt sind wie sie selbst, und hört sich das nicht wie der deprimierendste Job der Welt an? All das waren Fragen, die sich mir stellten, und damit auch der Grund, warum ich mich mit ihr unterhalten wollte. Und ja: Sie hat mir einen Testanruf angeboten, aber ich war nach unserem Gespräch zu beschäftigt damit, mir die Lachtränen aus den Augen zu wischen. Hannah ist übrigens nicht ihr richtiger Name.

VICE: Wie bist du zu Telefonsex gekommen?
Hannah: Ich glaube, mit 16 wollte ich schon unbedingt mal Telefonsex machen. Vielleicht weil es einfach ist und ich damals ein paar Dokus dazu gesehen hatte. Ich habe direkt nach dem Abi angefangen zu studieren und habe eben einen Nebenjob gebraucht. Ich dachte einfach: Wenn nicht jetzt, wann dann? Und dann ging's los!

Und dann hast du dir eine Agentur gesucht?
Es ging alles total einfach. Ich habe im Internet geschaut und es gibt unheimlich viele Agenturen, die Frauen an diese Sexhotlines vermitteln. Ich habe einfach richtig stumpf „Telefonsexagentur Hotline" bei Google eingegeben, mehrere gefunden und mir eine rausgesucht, die von einer Frau gegründet wurde, die selber zehn Jahre lang Telefonsex gemacht hat. Dann ging es innerhalb von zwei Wochen los. Ich musste einen Vertrag unterschreiben, wo natürlich ein Paar Sachen geregelt waren; und vor allem, was erlaubt ist und was nicht. Alles, was in Deutschland nicht erlaubt ist, wie Inzest, Pädophilie, Nekrophilie usw., das darf man am Telefon natürlich auch nicht machen.

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Wie funktioniert das praktisch?
Die ganzen Frauen sprechen Intros ein, meins zum Beispiel lautet: „Hi, hier ist Hannah, ich bin 24 und gar nicht so unschuldig, wie ich klinge." Wenn ich anrufe, höre ich nur die Männer-Intros, und die Männer hören nur die Intros von den Frauen. Man kann sich gegenseitig anrufen oder auch Voicemails schicken. Daher glauben auch immer noch Männer, dass ich das aus Spaß mache und kein Geld dafür bekomme. Dieses System täuscht vor, dass alle gleichberechtigt sind. Jeder kann jeden anrufen und Nachrichten schicken und alles ist ganz offen. Aber die Frauen kriegen alle Geld und die Männer müssen natürlich zahlen.

Der hat doch zu lange am Nagellackentferner von Mutti geschnüffelt.. — Dirty Hannah (@DirtyTalkHannah)8. Februar 2016

Warum hast du diesen Twitter-Account?
Da ich noch nie ein Geheimnis um meinen Nebenjob gemacht habe, wissen fast alle, die mich kennen, darüber Bescheid und fragen mich oft nach neuen Erlebnissen. Wegen der durchweg positiven Resonanz, die ich bis jetzt auf meine Geschichten erfahren durfte, habe ich mir vor einem Jahr überlegt, dass auch andere Leute vielleicht ihren Spaß daran haben könnten. Ich rede so offen und auch so häufig über meinen Beruf, da ich es als Möglichkeit sehe, meinen Mitmenschen die Scham zu nehmen, darüber zu sprechen. Ich sehe meine Kunden nicht als gestörte und notgeile Wichser, die ich langsam aussauge und über die ich mich dann noch bei Twitter lustig mache. Wenn die Männer mir mit Respekt entgegenkommen, mache ich das auch und ich akzeptiere ihre Fantasien und bin immer wieder überwältig, wie breit Sexualität gefächert sein. Ich bin 24 und ich habe viele Freunde in meinem Alter, die es kaum schaffen, ihre Bedürfnisse in Worte zu fassen. Frauen, die noch nie richtig über ihre eigene Sexualität und ihre Vorlieben nachgedacht haben. Männer, die über meine Kunden spotten und mitleidsvoll lächeln und meinen, dass sie das nie nötig hätten.

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Und ihr so? — Dirty Hannah (@DirtyTalkHannah)11. November 2015

Hast du so eine Art Twitter-Persona entwickelt?
Als Hannah schreibe ich teilweise sehr spöttisch über meine Kunden. Ich nehme ihre geheimsten Fantasien, welche die Männer vielleicht mit niemandem sonst teilen, und stelle sie ohne mit der Wimper zu zucken ins Internet und schreibe Kommentare dazu, die oftmals alles andere als schmeichelnd sind. Gleichzeitig stelle ich mich aber nicht als Heilige dar, sondern als geldgeiles Luder. Ich spiele gerne mit diesem Image der dauerfeuchten Telefonnutte, die jeder noch so perversen Vorliebe gewachsen ist. Twitter ist für mich so wichtig geworden, weil ich auch mein Leid mit den Menschen teilen kann. Kunden, die nervlich so an mir zerren und Diskussionen mit mir führen, die mich auch noch nach dem Telefonat beschäftigen, gehören genauso dazu wie die ganzen amüsanten Geschichten. Meine Offenheit ist das einzige, was ich zu bieten habe, und das scheint mir der größte Reiz an meinem Twitter-Account zu sein.

Telefonsex macht dir aber auch Spaß?
Ja, total! Ich mache das jetzt über dreieinhalb Jahre und es gibt Männer, die ich schon seit drei Jahren kenne. Man ist aber nicht wirklich befreundet, weil ich sie ja immer noch als Kunden betrachte und nur das mache, was ihnen gefällt. Im Endeffekt kenne ich manche davon aber so gut, die sind wie Onkel, die dann auch Telefonsex wollen. Da kann es einem schon kalt den Rücken runterlaufen. Aber ansonsten macht es echt Spaß, immer noch. Es ist auch teilweise verdammt heiß! Man fängt mit seinen eigenen Fantasien an und denkt sich manchmal: „Verdammt, das passt richtig gut!" Wenn so was passiert, vergessen die Männer immer die Zeit und telefonieren dann stundenlang. Es gibt auch Männer, die anrufen, aber nur zehn Minuten lang dran bleiben. Das ist ein guter Schnitt. Manche spritzen nach drei Minuten ab. Da brauche ich gar nicht anfangen! Das bringt mir nichts! Eine Viertelstunde oder 20 Minuten sollte man mir schon gönnen.

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Wie ist es mit deinen Stammkunden—wie oft rufen die an?
Ich habe mehrere Stammkunden. Der, der am häufigsten anruft, macht das ungefähr zweimal pro Woche, und das wirklich seit drei Jahren. Wir telefonieren dann ungefähr 40 Minuten bis eine Stunde lang, aber er ruft auch teilweise nur an, um mir von seinem Tag und von seinen Sorgen zu erzählen. Ich habe aber andere Stammkunden, die rufen nur alle zwei Monate an. Manchmal dann aber eine Woche lang jeden Abend.

Man denkt sich immer, dass die Frauen ungeduscht in Pyjamas rumhängen, während sie das machen. Wie ist es bei dir, wenn du arbeitest?
Ich muss zugeben, ich liege nicht in sexy schwarzer Spitzenunterwäsche auf dem Sofa und es liegen auch nicht Dildos überall neben mir, sondern ich habe eigentlich ganz normale Alltagsklamotten oder eben einen Pyjama an. Oder Jogginghose.

Gibt es auch Männer, die nicht zufrieden sind?
Die mögen meine Fantasien nicht—also wenn die Männer mich fragen, worauf ich stehe oder so, ist es natürlich schwierig, alles abzudecken. Man muss für jede Richtung offen sein, aber trotzdem passt es manchmal nicht und sie legen dann mitten im Gespräch auf. Das darf man sich aber nicht zu Herzen nehmen.

Hast du dich schon mal verknallt?
Noch nie. Ich hatte am Anfang ein bisschen Angst davor, also dass es vielleicht passieren könnte. Ein Stammkunde von mir hat sich aber wirklich in mich verliebt. Er hat mich andauernd angerufen, hat richtig viel Geld da gelassen und sogar Anzeigen in der Zeitung geschaltet und mich gesucht. Das Problem ist, dass man anfängt, Sachen über sich zu erzählen, obwohl man das gar nicht möchte. Langsam kommt immer mehr raus. Man erzählt, wo man studiert und fragt sich danach „Warum?", weil es so schwer fällt, für so Kleinigkeiten zu lügen. Man denkt ja nicht wirklich darüber nach. Keiner hat aber bisher meinen richtigen Namen herausbekommen—zum Glück.

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Du gibst aber nie Daten von dir raus?
Ich muss aber sagen, dass ich das ein einziges mal gemacht habe. Das ist auch schon zwei Jahre her. Ich habe einen Mann über die Hotline kennengelernt. Er hatte eine unglaublich schöne Stimme, ganz tief und dunkel. Der war ungefähr in meinem Alter und total lustig und wir haben uns richtig gut verstanden. Einmal hat er nach meiner Nummer gefragt. Ich habe ihm gesagt, dass das nicht erlaubt ist und eine Stunde lang hat er mich überredet. Irgendwann dachte ich mir: „Scheiß drauf!" Er hat mir dann seine Nummer gegeben und ich habe sie aufgeschrieben. So kann man mir ja nichts vorwerfen. Dann hat er aufgelegt und ich habe ihm geschrieben. Wir hatten privat noch verdammt oft Telefonsex und es war auch verdammt gut. Das war natürlich verschenktes Geld, aber es hat sich gelohnt.

Was ist das Witzigste, das dir bisher passiert ist?
Das war relativ am Anfang meiner Karriere. Ein Mann hat mich angerufen und sein Intro war „Ich suche eine Frau für Schwanz- und Hodenfolter. Hast du vielleicht auch ein Skalpell?" Ich so: „Ja!" Und in dem Moment wusste ich, dass ich nicht mehr zurückziehen konnte. Der Typ meinte: „Ich würde gerne von dir kastriert werden." Kastration ist ja schon ein Ding für sich und wenn man das auch noch sexy erzählen muss, ist das gar nicht so einfach! Ich habe ja noch niemanden kastriert und war da ein bisschen überfordert, aber ich hatte mal gesehen, wie man Katzen kastriert und dachte: „OK, daran orientierst du dich jetzt." Was anderes hatte ich ja nicht.

Ich habe alles gegeben: „Ich schneide mit dem Skalpell ganz langsam deinen Hodensack auf. Hole deine Eier raus. Binde sie ab. Schneide sie ab. Dann nähe ich alles wieder zu." Er hat sich alles ganz brav angehört, ohne sich aber einen runterzuholen. Er meinte nur „OK … Mmh… Ja…" Das ging nur zwei, drei Minuten, wie lange kann man das hinziehen? Dann meinte ich: „OK. Jetzt bist du kastriert." Dann sagt er zu mir: „Das war ja schön. Aber ich habe eigentlich gedacht, dass du alles abschneidest. Mit Hodensack." Ich habe ihm dann gesagt: „So, ich schneide jetzt alles ab. Mit Hodensack." Und dachte mir: „Darauf kann er doch nicht geil sein? Was hat er jetzt davon? Es hat drei Sekunden gedauert." Er : „Ja super! Und was machen wir jetzt damit? Was machen wir jetzt mit meinem Hodensack?"

Was habt ihr dann mit seinem imaginären, abgetrennten Hodensack gemacht?
Ich habe ihn einfach gefragt: „Hast du vielleicht eine gute Idee?" Und er: „Ja, ich habe eine ganz fantastische Idee. Stell dir vor, du bist im Supermarkt und stehst an der Kasse. Du musst bezahlen und dir fehlt Kleingeld. Dann greifst du in deine Tasche. Und da ist mein Hodensack. Daraus hast du eine kleine Geldtasche gemacht."

Wir haben nachgespielt, wie ich an der Kasse stehe, und dass ich ein paar Cents aus seiner Hodensack-Geldtasche hole. Er war total glücklich und zufrieden! Ich dachte: „Gut, jetzt sind wir fertig." Dann sagt er aber zu mir: „Was ist mit meinem Schwanz, schneidest du ihn auch ab?"

Ich war schon so weit gekommen und dachte: „OK, machen wir. Schwanz ab!" Und er: „Und, was machen wir damit? Ich habe eine tolle Idee. Wie wär's, wenn du meinen Schwanz in einem Glas einmachst? Dann kommt er in deiner Küche zu deiner Schwanzsammlung." Ich meinte dann: „Warte, ich habe doch eine bessere Idee. Wir könnten ja einen richtig geilen Kleiderständer daraus machen. Der wird ein bisschen ausgestopft und zack, an der Wand." Er fand es toll, dass seine Genitalien so umfunktioniert werden.