Chris Floyd hat die Crème de la Crème des Britpop fotografiert

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Chris Floyd hat die Crème de la Crème des Britpop fotografiert

Chris Floyd hat schon mit Noel Gallagher Fußball geschaut, da hatten Oasis noch nicht einmal eine Single veröffentlicht.

Mit 18 Jahren wollte Chris Floyd einfach nur sein Geld mit Band-Fotografie verdienen. Zum Glück war das Anfang der 90er Jahre und die Regale waren noch voller Musikmagazine, die inzwischen immer mehr durch den Online-Journalismus ersetzt werden. Besagte Magazine waren immer auf der Suche nach Fotos der Künstler und ließen auch gerne mal etwas springen, damit man auf der Jagd nach diesen Fotos durch ganz Europa reisen kann.

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„Ich habe immer diese Zeitschriften auf der Suche nach Arbeit durchgeblättert", erzählt mir Chris am Telefon. „Man versucht es einfach immer und immer wieder, bis dir schließlich irgendjemand einen Auftrag gibt."

Außerhalb des Verlagswesens gab es noch eine andere Welt, die Chris reizte. Diese Welt wurde von Musik-PR-Managern und Plattenlabel-Bossen bewohnt—also die Art von Leuten, die du kennen musst, wenn du Albumcovers und Pressefotos schießen und dabei richtig Kohle machen willst.

Eine der ersten Aufträge, an die sich Chris erinnert, war ein Shooting mit Noel Gallagher für die zweite oder dritte Ausgabe des Männermagazins Loaded. Damals hatte Oasis noch nicht mal eine Single veröffentlicht. Chris hatte noch nie etwas von der Band gehört. Niemand hatte das.

„Ich musste zu diesem Hotel im Süden von Manchester, das sich in einem Reihenhaus befand", erzählt mir Chris. „Ich hatte keine Ahnung, wer dieser Noel Gallagher war. Ich wusste nicht, ob das nur der Manager war oder wirklich in der Band spielte. Ich wusste gar nichts. Ich bin den Flur entlang gegangen und habe das Zimmer betreten. Er meinte erstmal, dass er noch das Fußballspiel zu Ende schauen müsste, es aber gleich vorbei wäre. Ich saß da also nur rum, während er Fußball geschaut hat. Danach begann unser Gespräch."

Noel Gallagher

„Auf dem Foto siehst du bei Noels Beinen ein Adressbuch voller Telefonnummern. Er fing an, darin rumzublättern und rief bei verschiedenen Leuten an: ‚Hey, habt ihr Kid gesehen?' Wenn die Person am anderen Ende der Leitung das verneinte, antwortete Noel: ‚Alles klar, bis später.' Ich komme aus dem Süden Englands und hatte keine Ahnung, was Kid bedeutete und fragte nach. Er meinte: ‚Mein Bruder, der Sänger.' Daraufhin sagte ich: ‚Oh OK, also bist du wirklich in der Band?' Seine Antwort: ‚Ich bin die verdammte Band.' Ich war wirklich noch grün hinter den Ohren.

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„Schließlich fand Noel Liams Aufenthaltsort heraus und vereinbarte, ihn an irgendeiner Straßenecke zu treffen. Wir sind also rausgegangen und stundenlang durch Withington oder Fallowfield oder was auch immer gelaufen. Aber an eins kann ich mich noch genau erinnern: Als ich Liam traf, dachte ich mir nach nicht mal fünf Minuten, dass der Typ—falls er eine gute Stimme hat und Hits schreiben kann—ein richtiger Megastar wird. Er strotzte nur so vor Charisma."

Beck

Chris fing an, Fotos für The Face und auch Dazed and Confused zu schießen (Dazed and Confused war damals nicht mehr als quasi nur ein großes, zusammengefaltetes Poster). Damals lebte er in einer großen WG und erinnert sich an eine Anzeige der Dazed-Gründer Jefferson Hack und Rankin in einem Abendblatt.

Die lautete ungefähr so: „Zwei smarte Typen vom London College of Printing sind auf der Suche nach Mitarbeitern, die mit frischen Ideen für eine Art Magazin aufwarten können. Wenn du dich jetzt angesprochen fühlst, dann ruf bei dieser Nummer an."

Auf dem dazugehörigen Bild waren die beiden Gründer mit Tüten über dem Kopf zu sehen. Damit wollten sie zeigen, dass es ihnen wirklich um das Talent geht. Also nahm Chris den Hörer in die Hand. Rankin antwortete und lud Chris zu einem Gespräch ein.

„Ich bin also zu ihnen ins Büro gegangen und bekam direkt den Auftrag, ein Fotoshooting mit Beck zu machen", sagt Chris. „Das war meine erste Arbeit für Dazed. Beck spielte ein Konzert in irgendeiner abgeranzten Londoner Bar. Nach seinem Auftritt bin ich in den Backstage-Bereich gegangen und habe ein paar Fotos von ihm gemacht."

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Beck

Seine ersten Erfahrungen mit dem Tour-Leben machte Chris 1994, als er The Verve auf der Lollapalooza-Tour begleitete. „Ich weiß noch, dass die Beastie Boys Headliner waren und Kurt Cobain erst vor Kurzem gestorben war", erzählt Chris. „Ich bin zum ersten Mal auf Tour gegangen und es war wie ein einziger Rausch. Man konnte so viel Alkohol trinken und Gras rauchen, wie man wollte. Alles war im Überfluss vorhanden und die Plattenfirma hat dafür gezahlt."

„Ich weiß noch, als der Sänger Richard Ashcroft nach einem Konzert in Kansas City zusammenbrach und wegen eines Hitzeschlags und Erschöpfung ins Krankenhaus gebracht wurde. Er hatte einfach nicht ausreichend getrunken. Er ist ja eh so ein dürrer Typ und ist dann einfach zusammengeklappt. Das war richtig schlimm, seine Beine sind einfach weggeknickt. In der gleichen Nacht ist der Schlagzeuger im Hotelzimmer noch richtig ausgerastet und fing an, alles mögliche aus dem Fenster zu werfen. Ich fühlte mich wie in einer schlechten Parodie des Rockstar-Lebens.

The Verve

„Das ist schon irgendwie witzig, wenn ich Jahre später Sachen über sie und andere Bands lese. Das Ganze ist diese kleine Fußnote in der Geschichte der britischen Musik und ich lange mir an den Kopf und denke mir: ‚Stimmt, ich war ja dabei.' Ich habe Bilder von The Verve gemacht, wie sie backstage auf ihren Fahrrädern sitzen oder wie sie verhaftet werden. Damals waren die Bands noch so unbefangen. Ich habe fröhlich Bilder gemacht, während die Handschellen klickten."

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Chris behauptet, dass zu dieser Zeit noch nichts von einem Kult zu spüren war. Er war Anfang 20 und hatte sich ein oder zwei Jahre vorher noch mit Gelegenheitsjobs durchgeschlagen. Laut ihm ist der Grund, dass sich das damals alles nicht wie ein prägender Moment der Musikgeschichte angefühlt hat, folgender: Bands wie Blur, Oasis, Pulp oder The Verve bestanden aus Typen, die genau wie er waren—Typen die in den 80er Jahren in den trostlosen und grauen Vororten des Vereinigten Königreichs aufgewachsen sind.

Jarvis Cocker

„Ich glaube, dass viele dieser Bands mit einer romantisch verklärten Vorstellung von London aufgewachsen sind, was London sein könnte", erklärt Chris. „Für mich ist das prägendste Album über Londons Möglichkeiten dieser Ära die erste Per Shop Boys LP Please. In allen Liedern geht es um Dinge, die spät nachts in den Bars von Soho passieren könnten."

„London war zwar nur 30 Kilometer weit weg, aber es fühlte sich an wie 30.000 Kilometer. Viele dieser Bands kommen zwar aus dem Norden Englands, aber sie hatten trotzdem dieses Gefühl, Außenseiter zu sein und nur von draußen in den Club reinschauen zu können, in den sie noch lange nicht eingeladen wurden. Als das ganze Ding dann durch die Decke ging, waren sie plötzlich im Club drin."

Richard Ashcroft und Liam Gallagher

Laut Chris handelte es sich bei diesem Club um das „Smashing gegenüber von Hamleys Spielzeugladen." Jeden Freitag fand sich alles auf der farbenfrohen Tanzfläche vom Smashing ein, was in der Musik- und Modeszene vom Vereinigten Königreich Rang und Namen hatte. Sie alle wurden von den beleuchteten Quadraten angestrahlt, die auch den Macher des Musikvideos von Pulps Lied „Disco 2000" inspirierten.

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„Jeder war am Start", erzählt mir Chris. „Pulp, Blur, einfach alle. Auch die ganzen unbekannteren Bands wie Menswear oder Salad. Das war damals 1995 ich weiß noch genau, wie ich mich dort umgesehen habe und dachte: ‚Genau so muss das Leben aussehen.'"

PJ Harvey

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