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Ein Architekt wurde bei einem schockierenden BDSM-Mordprozess schuldig gesprochen

Damit wurde eine zweimonatiges Gerichtsverfahren abgeschlossen, das die irische Öffentlichkeit mit Themen wie Manipulation, Blutdurst, Depressionen und brutaler Gewalt in Atem hielt.

Foto: imago/Bernd Friedel

Der wohl berüchtigste Mordfall in Irlands jüngster Vergangenheit fand ein Ende, als Graham Dwyer von einer Gruppe Geschworener—bestehend aus sieben Männern und fünf Frauen—für den Mord an Elaine O. schuldig gesprochen wurde. Damit wurde ein zweimonatiges Gerichtsverfahren abgeschlossen, das die irische Öffentlichkeit mit Themen wie Manipulation, Blutdurst, Depressionen und brutalem Mord in Atem hielt. Der vorsitzende Richter Tony Hunt sagte, dass er mit dem Schuldspruch zu „110 Prozent übereinstimme".

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Das Verfahren der Staatsanwaltschaft gegen den Angeklagten schockierte die Leute so sehr, dass in den letzten Wochen die Bewohner Dublins in Scharen vor dem Gericht anstanden, um bei der Verhandlung dabei sein zu können. Bei dem Angeklagten handelte es sich um Graham Dwyer, einen 42-jährigen, erfolgreichen Architekten mit Frau und drei Kindern—eine richtige Bilderbuch-Vorortfamilie. Dwyer wurde angeklagt, weil er womöglich die Kindergärtnerin Elaine O. erstochen hatte—angeblich als Teil seines BDSM-Fetischs, bei dem er auch davon träumte, die Sexpartnerin zu erstechen.

Die Unheimlichkeit des Falles wurde nochmals durch die Tatsache verstärkt, dass der Mord eigentlich nur aufgrund einer Kette von Zufällen überhaupt erst ans Licht kam. In einem normalen Trockenjahr fällt der Wasserstand des Roundwood-Stausees im Wicklow-County um knapp zwei Meter. Im September 2013 war er jedoch schon um gut viereinhalb Meter zurückgegangen und so sind zwei örtliche Fischer in den ungewöhnlich seichten Gewässern zufällig auf einen Rucksack gestoßen.

In besagtem Rucksack fanden die beiden Männer Masken, Messer, zwei Handys und Fußfesseln. Sie berichteten der Polizei von dem seltsamen Fund und im Laufe der darauffolgenden Tage wurden noch andere Dinge im dichten Schlamm gefunden: eine Bondage-Maske, zwei weitere Messer, Treuekarten, eine Kette, verrostete Handschellen und ein Seil.

Noch in der gleichen Woche entdeckte ein Hundetrainer dann im angrenzenden Waldgebiet menschliche Überreste, die schließlich als die 36 Jahre alte und als vermisst gemeldete Elaine O. identifiziert wurden. Mehrere Sexspielzeuge und ein Haustürschlüssel lagen direkt neben der Leiche.

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Schließlich kam langsam die schockierende Hintergrundgeschichte der Tat ans Licht. Als die Beziehung zwischen Dwyer und O. bekannt wurde, brachte man Dwyer schnell mit dem Mord in Verbindung und er wurde verhaftet.

Während des Prozesses konnte die Staatsanwaltschaft zwar keine forensischen Beweise liefern, die Dwyer mit dem Tatort in Verbindung bringen, aber dafür wurden mehr als 320 Beweisstücke präsentiert und über einen Zeitraum von 37 Tagen hinweg 194 Zeugen vorgeladen—eine richtige Lawine an Indizienbeweisen. Der leitende Staatsanwalt Sean Guerin trug die Anklageschrift vor und bezichtigte Dwyer darin einer Beziehung zu O.—einer depressiven Kindergärtnerin—, bei der er ihre psychologischen Probleme für seine eigenen sadomasochistischen Zwecke missbrauchte.

Viele der von der Staatsanwaltschaft vorgebrachten Beweise wurden mithilfe von Durchsuchungsbefehlen gesammelt und stammen von Dwyers Computer. Es dauerte nicht lange und sein Schein als glücklich verheirateter Familienvater mit den Hobbys Camping, Gartenarbeit und Porsche fahren war dahin. Die gefundenen Dateien wurden im Gerichtssaal gezeigt und sie sorgten bei den Anwesenden für Übelkeit und Schockzustände: Von Kurzgeschichten, in denen gewalttätiger sexueller Missbrauch bis ins kleinste Detail beschrieben wurde, bis hin zu unzähligen brutalen Videoclips war alles dabei. In einem dieser Videoclips war zum Beispiel zu sehen, wie sich Dwyer augenscheinlich selbst mit einem Messer verletzt und seine Sexpartnerin dann mit „Blut" übergießt, während sie vor Schmerzen stöhnt. Andere Beweisstücke waren unter anderem noch Videos und Fotos, die Erstickung, Verstümmelung und Gewalt gegen Frauen zeigten.

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Im Laufe der Gerichtsverhandlung zeigte Guerin diesen heimlichen und schockierenden Aspekt von Dwyers Leben immer deutlicher auf und lenkte dabei die Aufmerksamkeit der Geschworenen auch auf die BDSM-Internetforen, in denen Dwyer mit dem Usernamen „architect72" unterwegs war. Die Staatsanwaltschaft vermutete, dass sich O. und Dwyer dort zum ersten Mal begegnet waren: O. war auf der Suche nach einem „Herren" und laut Guerin war Dwyer auf der Suche nach einem Opfer.

Die Staatsanwaltschaft ist davon ausgegangen, dass die beiden über Jahre hinweg eine BDSM-Beziehung führten. Das, was sie als „Blutspiel" bezeichneten, wurde im Voraus immer mithilfe von Wegwerfhandys bis ins kleinste Detail geplant.

Laut der Staatsanwaltschaft waren diese entsetzlichen SMS-Konversationen zwischen dem Mörder und seinem baldigen Opfer ein perfektes Beispiel für die erschütternde und manipulative Beziehung, die in brutaler Gewalt gipfelte. Der Staatsanwalt las lange Auszüge aus den besagten Konversationen vor und wies dabei darauf hin, dass das Ganze im Jahr 2011 nach einer kurzen Pause noch unheilvoller wurde.

„Ich verspüre einen gewaltigen Drang zu vergewaltigen, mit einem Messer zuzustechen und zu töten. Du musst mir dabei helfen, diesen Drang zu kontrollieren oder zu befriedigen", schrieb Dwyer O. angeblich im Jahr 2011. „Kontrollieren, mein Herr, nicht befriedigen", antwortete sie.

Die Staatsanwaltschaft fuhr fort und beschrieb, wie O. mehrmals den Wunsch geäußert hatte, das Blutspiel zu beenden. Sie wurde jedoch jedes Mal für den bloßen Gedanken bestraft. Die Geschworenen mussten von einer schockierenden Ereigniskette erfahren, die ihnen in SMS-Erzählweise vorgetragen wurde: Jegliche Diskussion über ein Beziehungsende führte dazu, dass O. während der „Sessions" mit einem Messer verletzt wurde. Im gleichen Zug wurde sie auch soweit gehetzt und manipuliert, dass sie dachte, entweder ein Mordopfer finden zu müssen oder—wie es in einer Nachricht steht—„ihr eigenes Fleisch hergeben zu müssen."

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„Du musst für mich ein Opfer finden, das ich erstechen kann. Das ist ein Befehl. Wir werden abgelegene Spaziergänge machen … und bei den richtigen Voraussetzungen zur Tat schreiten."

Dann schrieb er noch: „Ich werde einen Jagdbeutel mit den Dingen für den Mord vorbereiten."

Mit dem Mord als offen ausgesprochenes Beziehungsziel musste O. ständig mit dem Gedanken leben, dass sie jederzeit als Opfer enden könnte.

„Vielleicht raste ich auch aus und ersteche dich einfach gegen deinen Willen."

„Es wird sich alles gelohnt haben, wenn ich dich umbringe ;)."

Der Wald, in dem die Überreste gefunden wurden

So etwas wäre für jeden Menschen (und besonders für O. in ihrem psychologischen Zustand) richtige Folter gewesen. Und trotzdem hat sie die ganze Sache nicht beendet. Die wohl erschreckendste Provokation folgte, nachdem O. ihrem Herren gebeichtet hatte, dass sie beim Arzt gewesen war und sich ziemlich schlecht fühle.

„Leider bin ich nicht selbstmordgefährdet", schrieb sie.

„Ich helfe dir so gut ich kann—auch bei einem schmerzfreien Ende. Ich habe schon alles vorbereitet, falls dir das Ganze zu viel wird", heißt es in der Antwort. „Denk doch mal nach: Alle deine Sorgen wären verschwunden. Donnerstag hätte ich Zeit für dich."

„Hör auf", schrieb sie später zurück.

„Ich weiß doch, dass du es willst. Es dauert nur 30 Sekunden und alles ist vorbei."

Guerin machte vor allem auf diesen Moment aufmerksam und beschrieb Dwyer dabei als „pure Boshaftigkeit—versteckt hinter einer Maske aus Mitleid—, die einer suizidgefährdeten Frau bei einem ‚Ausweg' ‚helfen' will."

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Sechs Wochen vor ihrem Tod wurde O. erneut wegen ihrer psychologischen Probleme ins Krankenhaus gebracht. Sie wurde am gleichen Tag entlassen, an dem sie schließlich auch verschwand. Im Gerichtssaal erklärte Guerin, wie O. noch Zeit mit ihrem Vater und ihrer Nichte verbrachte, mit ihrem Hund spazieren ging und anschließend das Grab ihrer Mutter besuchte. Am späten Nachmittag erhielt sie dann eine SMS, in der sie angewiesen wurde, zu der Eisenbahnbrücke in der Nähe des Shanganagh-Friedhofs zu kommen und nur ihre Schlüssel mitzubringen. Man vermutet, dass sie irgendwann an diesem Abend ermordet und außerhalb von Dublin vergraben wurde.

Die Staatsanwaltschaft stellte Dwyer zum Ende hin noch weitere Fragen zu den mit „gore" betitelten Videos auf seinem Handy—besonderer Fokus wurde dabei auf ein Bild gelegt, das den Namen „lovely disgrace.com" trug und scheinbar eine junge Frau zeigte, die an ein Bett gefesselt und erstochen wurde. Dwyer erklärte den Anwesenden, dass eines der Videos einen „Live-Mord" aus Russland zeige.

Als er gefragt wurde, warum er sich solche Dinge anschauen müsse, antwortete Dwyer: „Das kann ich nicht sagen. Mir ist selbst klar, wie krank das ist."

Bei seiner finalen Stellungnahme bezeichnete sich Dwyer auch weiterhin als „unschuldig" und wies darauf hin, dass es noch andere Tatverdächtige gäbe, die die Polizei unter die Lupe nehmen sollte.

Am darauffolgenden Tag hatten viele der auf Dwyers Verteidigung wartenden Leute kaum einen Platz gefunden, da war die ganze Sache auch schon wieder vorbei. Die Anwälte konnten nur drei Zeugenaussagen vorweisen und waren demnach schon nach 27 Minuten fertig. Dabei konzentrierten sie sich vor allem auf eine Behauptung aus den SMS-Nachrichten, dass Dwyer auf ein totes Schaf eingestochen hätte. Dazu schossen sie sich noch auf die Selbstmordgefährdung von O. ein. Der dritte Zeuge behauptete, dass er am Tag des Verschwindens eine wie O. aussehende Frau auf dem Friedhof gesehen hätte.

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In seinem Plädoyer sagte Guerin, dass O. „das perfekte Opfer" darstellte. „Dwyer meinte zu einer Frau mit schwerwiegenden Problemen, dass er alles beenden könne", erklärte Guerin abschließend. „Er nutzte ihre Schwäche dazu, um sie zu isolieren … In ihrem schlechten Gesundheitszustand sah er seine Chance, sich seinen lange gehegten Wunsch zu erfüllen."

Der problematischste Aspekt der Beweisführung der Staatsanwaltschaft—und darauf machte auch Dwyers Anwalt Remy Farrell aufmerksam—bestand darin, dass vor allem Indizienbeweise vorgelegt wurden, die Dwyer nicht direkt mit der Tat in Verbindung bringen.

Laut der Zeitung Irish Independent war der finale Schlag für Dwyer wohl die „schockierenden" SMS-Nachrichten an O., durch die „ans Licht kam, dass er einen abgelegenen Ort tief im Wald gefunden hatte, wo sie am Tag ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus gefesselt, geknebelt und erstochen werden würde. Das Signal von Dwyers Arbeitshandy wurde von Mobilfunkmasten am Golfplatz von Edmondstown und am Sportplatz von St. Marks GAA ausgemacht—diese beiden Masten decken die Gegend um Killakee ab, wo auch O.s Leiche gefunden wurde."

Dywer droht nun eine lebenslange Haftstrafe. Die Urteilsverkündung wird am 20. April folgen.

Aufgrund der traumatischen, grauenvollen und langwierigen Natur der Verhandlung hat der Richter die Geschworenen für die kommenden 30 Jahre von der Geschworenenpflicht freigestellt.