Bon Jovi und The Spin Doctors: Warum es okay ist, schlechte Musik zu mögen

Willkommen zu Earworm, der neuen Kolumne in der wir Songs von früher huldigen—ob gut oder schlecht, peinlich oder noch immer cool—die wir seitdem nicht mehr aus dem Kopf bekommen.

Vorab sollten wir klarstellen: dieser Ort ist ein sicherer Ort, an dem wir über die Musik sprechen dürfen, die wir früher gern gehört haben, ohne dass es uns peinlich sein muss und egal ob sie in unseren heutigen geschulten Ohren gut oder schlecht klingt. Wir werden uns hier einigen schrecklichen Erinnerungen und auch schrecklichen Songs stellen müssen, denn die Musik, die uns gefällt, überschneidet sich nicht immer unbedingt mit der Musik, die wir mit unserer Expertenmeinung und mit unserem exzellentem Geschmack als gute Musik beurteilen würden oder mit den Band-Shirts, die wir in coolen Bars tragen würden. Sie sind Laster—und trotzdem ist es schwer, sich für sie schlecht zu fühlen, wenn sie doch aus einer komplett anderen Zeit stammen. Das Grundgerüst der Musik tritt in den Hintergrund, jetzt geht es um die Verbindung zur Vergangenheit. Mit den Ohrwürmern blicken wir in unsere Vergangenheit zurück und das sollten wir feiern, anstatt diese Lieder zu leugnen—und dass wir mal jung waren und es noch nicht besser wussten.

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Mit diesen Liedern können wir in der Zeit zurückreisen, wenn auch nur temporär, und uns daran erinnern, was wir anhatten, wie die Stimmung war, mit wem wir zusammen waren, wie es gerochen hat und wie wir uns fühlten. Es ist einfach schön, den Song deiner Jugend anzuhören und dich zu erinnern, oder nicht? Im Normalfall hast du jetzt auch einen besseren Blickwinkel, als du ihn damals hattest. Ich meine, du kannst heutzutage zum Beispiel die Lyrics googeln, deine letzte Mahlzeit war wahrscheinlich kein Hot Dog und du hast keine Schwäche mehr für Leggins-tragenden, langhaarige Sänger. Hoffentlich.

Zu „You Give Love a Bad Name” von Bon Jovi muss zum Beispiel gesagt werden, dass hier ein paar wahre und aufschlussreiche Worte über Herzschmerz ausgesprochen werden. Ich erinnere mich noch daran, als ich den Song das erste Mal gehört habe. Ich saß in der Schul-Cafeteria, alles voller weißer Bänke und Plastiktabletts, als jemand das Lied auf seiner Boombox laufen ließ. Es war Hot-Dog-Tag, ein Grund zum Feiern. Ich erinnere mich noch an den Geruch der Hot Dogs, der sich mit dem Putzmittelgeruch vermischte, und ich erinnere mich an meine Freunde: Tonya mit ihrer Tupperdose und Mike, mein Schwarm. Ich weiß auch noch, dass viele meiner Schulkameraden mitsangen und ich versuchte ebenfalls, mitzumachen. Als ich wenig später jemand anderem die Lyrics vorsang, stellte sich heraus, dass ich alles falsch sang. „Shot through the heart”, habe ich noch hinbekommen, aber danach sang ich so was wie „And you’re too vain. You give love to America!”. Sehr patriotisch. Heute denke ich, dass das Lied perfekt für Zehnjährige ist, mit dem Pyrotechnik-Musikvideo und den einfach gestrickten Wiederholungen, den euphorisierenden „Whoas” und dem Ende des Songs, das mit seinem gesprochenen Teil fast Poesie gleicht. Es ist mir egal, was ihr über dieses Lied sagt, für mich und mein jüngeres Ich ist das der Song, der dir alles erklärt, selbst wenn du nicht weißt, was sie überhaupt singen.

Ich habe drei Freunde darum gebeten, ihren peinlichsten und bedeutendsten Sommersongs ihrer Jugend rauszusuchen.

Maris Kreizman, Gründerin des Slaughterhouse 90210 Tumblr, hat sich „Ghost” von The Indigo Girls rausgesucht, zu dem sie sagt: „Er wird mich immer daran erinnern, wie ich 17 war, mit dem Auto durch die Stadt gefahren bin und laut mitgesungen habe, weil mein damaliger Freund Larry mich betrogen hatte. Er war ein Bastard. Aber das Lied zu hören, ist immer noch wie in eine gemütliche Jogginghose zu schlüpfen.” Ich höre mit gerade „Ghost” an und schon sitze auch ich in einem Auto mit meiner besten Freundin und trinke einen Mischung aus Schnaps, Tequila, Wodka, Gin und einem alten Bier aus einer Evian-Flasche, was wahrscheinlich keine gute Idee war (Sorry, Mama und Papa, sorry, Alle!). An diesem Song ist etwas wundervoll Trauriges und Beruhigendes und natürlich auch etwas Anwiderndes, aber das bedeutet im Prinzip nur, dass er perfekt für Teenager-Mädchen ist, die gerade anfangen zu verstehen, dass nicht jeder das ist, was er vorgibt. Dieser Song strotzt nur so vor Nostalgie und er wird auch noch in 400 Jahren von ein paar Robotern mit Laserhänden gehört werden.

Der Autor Kevin Smokler hat sich einen Song ausgesucht, den ich nicht kritisieren kann: „Ohh Child” von The Five Stairsteps, denn das Lied ist einfach wunderschön. „Es erinnert mich immer daran, im Sommer aus dem Kino zu kommen und an das Gefühl, wenn du merkst, es ist draußen noch viel heller als du dachtest. Das habe ich immer als Metapher für die Zukunft angesehen, ein besserer und hellerer Morgen”, sagt er. In den Lyrics passiert in diesem Song nicht viel, aber in den Harmonien und Melodien steckt viel Herz und Seele. All die Jahre später hat er nun erkannt, dass es „beim Sommer nicht um endlose Möglichkeiten geht, sondern um das Akzeptieren von Grenzen. Der Sommer ist die einzige Jahreszeit deren Ende wir nachtrauern und die einzige Jahreszeit, von der wir denken, sie ist schon vorbei, bevor sie überhaupt angefangen hat.”

„Two Princes” von The Spin Doctors kannst du einfach nicht vergessen. Egal wie oft du dich wäschst, der Song verfolgt dich wie ein seltsamer Geruch, den du nicht abschütteln kannst. Die Lyrics sind gleichzeitig allwissend und total bedeutungslos und hämmern sich in dein Gehirn: „One, two princes kneel before you. That’s what I said now. Princes, princes who adore you Just go ahead now.” Es ist kein perfektes Lied, es ist nicht mal besonders gut. Aber wen interessiert das? Es waren die Neunziger. Meine Freundin Kate Carpenter fasst das ganz gut zusammen: „Wenn dieses Lied kommt, denke ich sofort an den Sommer, als ich 16 Jahre alt war. Ich habe mich gerade von meinem Freund getrennt—oder eher er von mir—fuhr mit offenem Fenster im Auto rum und hatte einen dieser seltenen „Er ist mir egal, ich bin Single und dieser Song ist gut”-Momente. Selbst heute bekomme ich noch das gleiche Gefühl und habe den Song den ganzen Tag im Kopf, wenn er einmal läuft.”

Mein persönlicher Sommersong ist „So What Cha Want” von The Beastie Boys, den ich immer und immer wieder anhörte, während ich mit meinen Freundinnen im Auto cruiste. Wir hatten gerade erst unseren Führerschein bekommen und konnten endlich die Straßen unseres kleinen Ortes unsicher machen. Alles war möglich. Und selbst wenn es das nicht war, wussten wir es noch nicht. Und das ist doch ein wundervolles Gefühl, oder nicht?

Jen Dolls erstes Konzert war Skid Row und Bon Jovi. Sie schreibt für The Atlantic, The Hairpin, New York Magazine, New York Times, the Toast und noch mehr. Folgt ihr bei Twitter — @thisisjendoll

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