„Bridget Jones’ Baby”—eine romantische Komödie, die keine mehr sein möchte

Die immer wieder wiederholte zweite Szene aus Bridget Jones—Schokolade zum Frühstück zeigt den 32-jährigen Dauersingle Bridget Jones, die nach der jährlichen Truthahn-Curry-Party ihrer Mutter—auf der sie von einem Freund der Familie sexuell belästigt wurde und von ihrer neuen Bekanntschaft Mark Darcy als „verbal inkontinente Jungfer, die trinkt wie ein Fisch und raucht wie ein Schlot” beschrieben wurde—allein zu Hause sitzt, sich auf ihr Sofa fallen lässt, Rotwein trinkt, Zigaretten raucht, sich Frasier ansieht und schließlich mit vollem Körpereinsatz zu „All by Myself” Playback singt. Mit dieser und anderen darauffolgenden Szenen hat Bridget Jones anderen Frauen gezeigt, wie man erfolgreich in Selbstmitleid schwelgt. Sie hat das Rezept entwickelt—Fernsehen, Wein, Schlafanzug und gefühlsgeladene Balladen—, welches mittlerweile zum Standard zur Behandlung von Selbstmitleid geworden ist: Nicht das dunkle Grübeln deprimierter Filmmänner, sondern eine abgeschwächte Variante von Verzweiflung, die es uns erlaubt, unsere Unzufriedenheiten in Form genussvoller Laster zu zelebrieren.

Bridget Jones’ Baby spielt zehn Jahre später, beginnt allerdings am selben Ort. Bridgets beste Freunde haben sie an ihrem Geburtstag sitzen lassen, weil sie sich um ihre Kinder kümmern oder—in einem Fall—ihre Adoption vorbereiten müssen. Also sitzt Bridget wieder einmal allein auf ihrem Sofa mit einem Geburtstagscupcake, in dem eine einzelne schiefe Kerze steckt. Im Radio läuft „All by myself”, bis Bridget schließlich in einer kleinen Geste mit großer narrativer Bedeutung mit den Augen rollt und den Sender wechselt. Kurzerhand werden wir mit der neuen Bridget bekannt gemacht, die gerade 43 geworden ist, nicht in Selbstmitleid schwelgt, Weißwein trinkt, während sie ihre Wohnung aufräumt und zum dem Song „Jump Around” wortwörtlich auf dem Bett herumspringt. Außerdem arbeitet sie als hochkarätige Fernsehproduzentin für einen wichtigen Nachrichtensender namens „Hard News”, hat inzwischen ihr „Idealgewicht” erreicht und mit dem Rauchen aufgehört und scheint auch ihren Alkoholkonsum reduziert zu haben. Wenn sie jetzt die Straße entlang läuft, drehen sich die Männer nach ihr um und sie scheint auch mit sich selbst sehr zufrieden zu sein, während sie die objektivierenden Blicke der Männer aufsaugt und sich selbst ein „Ding Dong” zuruft, als der Attraktivste von ihnen vorbeiläuft.

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Doch nicht nur die verbesserte Fitness der Protagonistin ist neu, Bridget Jones’ Baby ist in einem ganz neuen kulturellen und politischen Klima angekommen als noch vor 15 Jahren. Dank der gesellschaftlichen Sexualpolitik gelten heute sehr viel mehr Beziehungsformen als normal. Außerdem ist die feministische Rhetorik—oder zumindest das selbstidentifizierende Label—im Mainstream angekommen und hat sich seinen Weg in die Popkultur und auf die Bühne von Beyoncé gebahnt. Ein weiterer Punkt ist, dass das Ende der romantischen Komödie seit einiger Zeit ausgerufen und untersucht wird. Als Mitglied dieses aussterbenden Genres im Zeitalter des Popfeminismus und der andauernden Angst vor der unmittelbaren politischen Sektion hat Bridget Jones’ Baby jede Menge Hürden zu nehmen und dem waren sich die Macher auch ganz offensichtlich bewusst. Während sich die alte Bridget gewünscht hat, mit dem Rauchen aufzuhören und sich gleichzeitig eine Zigarette gewünscht hat, hält sich Bridget Jones’ Baby an den traditionellen Hochzeitsplot, versucht gleichzeitig aber auch, in den Augen der Kritiker „familiärer Werte” hip und modern zu wirken. Außerdem besteht der Film aus einer komplett weißen Besetzung, während er versucht, das globale Bewusstsein zu fördern. In einem schwachen Kompromiss, der im Endeffekt in beiderlei Hinsicht scheitert, richtet Bridget Jones’ Baby seinen Fokus von Romantik und Gefühlen auf Ereignisreichtum und die offene Demonstration sozialer, kultureller und globaler Hipness, die aber auch nur eine Nebenrolle in Form von Slogans und Punchlines bekommt und letztendlich nichts an dem konservativen Kurs der Geschichte ändert.

Es sind harte Zeiten für die romantische Komödie. Produzenten, die trotz allem Filme aus diesem Genre machen wollen, stehen unter erheblichem Druck, um neue Wege zu finden, ihre Geschichten zu konstruieren und zu vermarkten—das Resultat dieser Suche sind Hybridwesen wie romantische Action- oder Fantasy-Komödien sowie Filme aus dem frisch gebackenen Genre der „Mütter-Komödien“, in denen Liebe einzig und allein durch eine ungeplante Schwangerschaft motiviert ist. Romantische Komödien, die erfolgreich sein wollen, müssen den Niedergang ihres Genres kompensieren, indem sie die Bedeutung des romantischen und emotionalen Konflikts als treibende erzählerische Kraft eindämmen.

Der Konflikt in Bridget Jones’ Baby ist im Großen und Ganzen genetischer Natur. Bridget schläft innerhalb einer Woche mit zwei verschiedenen Männern—Jack Quant, einem Dating-App-Mogul und Mark Darcy, Anwalt für Menschenrechte und Bridgets ehemaliger Verlobter—und wird schwanger, weiß aber nicht von wem. Die gesamte Geschichte wird durch eine dünne Nadel zur Fruchtwasseruntersuchung zusammengehalten, mit der der Vater des Kindes ganz einfach bestimmt werden könnte, was Bridget aber wegen dem geringen Risiko einer möglichen Fehlgeburt ablehnt (obwohl ihr Gynäkologe die Fruchtwasseruntersuchung eigentlich von vornherein vorgeschlagen hat, weil sie aufgrund ihres Alters zu den Risikoschwangerschaften zählt). Sämtliche Konflikte, die durch Bridgets Verunsicherung in Hinblick auf den Vater ihres Kindes entwachsen—also wen Bridget sich als Vater wünscht, wer tatsächlich der bessere Vater wäre, wen Bridget mehr liebt—werden auf eine einzige, schnell zu beantwortende Frage reduziert: Wer ist denn nun tatsächlich der Vater? Derweil werden Bridgets eigene Gefühle als werdende Mutter von Jacks und Marks unglaubwürdig lautem Jubel schlichtweg übertönt. Mark steckt gerade mitten in einer Scheidung und ist theoretisch noch immer verheiratet, trotzdem sagt er Bridget, dass ihre Schwangerschaft, die „wahrscheinlich beste Nachricht ist, die er je im Leben bekommen hat.” Jack, der im nationalen Fernsehen verkündet hat, dass er keine Kinder möchte und auch nicht auf der Suche nach einer Beziehung ist, sagt Bridget, dass er sich sicher ist, dass sie die „beste Mutter [wäre], die er sich für sein Kind wünschen könnte.”

Bridget Jones gibt uns die Erlaubnis, so zu sein, wie wir sind—uninformiert, desinteressiert und vollkommen selbstfixiert.

Allgemein ist der Film so voll von bedeutenden Ereignissen—Bridget nimmt an der Beerdigung ihres Ex-Freunds Daniel Cleaver teil; bekommt einen neuen jungen Chef, der ihre Arbeitsplatzsicherheit bedroht; besucht ein riesiges Musikfestival und schläft mit Jack Quant; wird Patentante; schläft mit ihrem Ex; findet heraus, dass sie schwanger ist; wird entlassen, nachdem sie es herzlich vermasselt hat; bekommt ein Baby; entscheidet sich für Mark, egal wie das Resultat des Vaterschaftstests ausfällt; findet heraus, dass er tatsächlich der Vater ist und heiratet ihn—, dass der Zuschauer kaum Zeit hat, von der emotionalen Bindung, der sexuellen Spannung oder der intellektuellen Verbindung zwischen Bridget und Jack beziehungsweise Mark überzeugt zu werden. Was die gegenseitige Anziehungskraft der Charaktere betrifft, leistet der Film einen Großteil der Überzeugungsarbeit mithilfe kleiner Sexszenen, wie man sie aus Musikvideos kennt, untermalt von dem entsprechenden, thematisch passenden Lied: Bridget und Jack haben in einer Jurte Sex, begleitet von Ed Sheerans „Take Me Into Your Loving Arms” und Bridget und Mark sehen sich über eine volle Tanzfläche hinweg in die Augen (die christliche Taufe ihres Patenkindes verwandelt sich in einen Rave) und haben Sex zu einem Song, dessen Refrain lautet: „Ich will unsere Liebe neu entfachen.” Die chiffrierten Versuche von Bridget Jones’ Baby, trotz des Ablebens des Genres an den großen Erfolg der romantischen Komödie anzuknüpfen, gipfeln in einem Film, der überhaupt nichts anderes sein kann als eine romantische Komödie, aber nicht die romantischen Konflikte und sprühenden Funken hat, die den ersten Film zu einer der erfolgreichsten romantischen Komödien von 2001 gemacht haben.

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Dafür versucht der Film, sich von dem Genre der romantischen Komödie loszusagen, welches in der Vergangenheit immer wieder für seinen Provinzialismus, Optimismus und Anti-Feminismus kritisiert wurde. Besonders auffällig ist der Versuch, politische, kulturelle und globale Gewandtheit zu demonstrieren. Beispielsweise beaufsichtigt Mark Darcy einen Prozess über die Auslieferung einer radikalen feministischen Rockgruppe, die ziemlich viel Ähnlichkeit mit der russischen Band Pussy Riot hat und deren Song „Menstruation, Kastration, Befreiung”, laut Darcy, ziemlich eingängig ist. An einer anderen Stelle liefert Bridget ihrer Mutter eine Rede über die Rückständigkeit von „familiären Werten” und verweist auf ihren eigenen Umstand als unverheiratete, schwangere Frau, um die Sympathie ihrer Mutter zu gewinnen. Der Film weckt von Zeit zu Zeit sogar den Anschein, das Drehbuch von Bridget Jones’ Baby würde tatsächlich vom traditionellen Heiratsplot abweichen. In einer Szene sagt Bridgets Mutter, dass es viele Mütter gibt, die ihre Kinder allein großziehen und meint, dass Bridget auch eine allein erziehende Mutter werden könnte und als Mark zu spät zur ersten Stunde des Geburtsvorbereitungskurses kommt—die Szene mit einer der unglaubwürdigsten Aussagen des ganzen Films—, fragt sich Bridget in ihrem Tagebuch: „Wird Mark überhaupt auftauchen und sich auf unsere polyamoröse Familie einlassen?” Damit weist sie zwar auf die Möglichkeit alternativer Familienentwürfe hin, aber die Anspielungen auf radikale feministische Diskurse, liberale politische Positionen und Patchworkfamilien bleiben am Ende eben doch nur Anspielungen, die als diskrete Leitsätze dienen, um das Publikum von der positiven politischen Gesinnung des Films zu überzeugen, ohne den Verlauf der Geschichte tatsächlich zu verändern. Letztendlich endet der Film dann nämlich doch konventionell und vorhersehbar: Bridget Jones, die im Hochzeitskleid auf einem Hügel herum tänzelt und ein Baby in den Armen hält, dessen wackeliger Kopf eindeutig besser gestützt werden sollte.

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Darüber hinaus enthält der Film einen plumpen und schrecklich verfehlten Versuch, weltmännisch zu wirken und nimmt nicht nur einmal, sondern gleich viermal Bezug auf das Thema Völkermord. Das erste Mal wird das Thema angesprochen, als Bridget, die einem Interviewer während dem Gespräch mit dem Außenminister George Wilkins über die Ermordung des Anführers einer fiktionalen ethnischen Gruppe Fragen über das Mirkofon zuspielt, aber vergisst, das Mikrophon auszumachen, als sie den Anruf eines Freundes annimmt, der fragt, wie Daniels Beerdigung war. Die Komödie folgt:

George Wilkins: Die Verfolgung [der Leute der anderen ethnischen Gruppe] kam einem Genozid gleich.
Interviewer: Ich meine, mir ist klar, dass er seine Fehler hatte. Er konnte ein ziemliches Arschloch sein.
George Wilkins: Ich denke, der Genozid … zeigt, dass er auf der falschen Seite der Geschichte stand.
Interviewer: Es wurde zumindest nie langweilig mit ihm.

Bei dem Prozess um die Auslieferung der Pussy-Riot-Doppelgänger flüstert Mark Darcy einem Kollegen zu, dass er sich „darauf freut, sich bald wieder mit einem guten alten Genozid zu beschäftigen” und scherzt mit Bridget darüber, dass er seit seiner Arbeit mit der Band „ein gewisses Maß an Sympathie für den totalitären Diktator empfindet, der sie zum Schweigen bringen will.” Als Bridgets Freundin sie mit auf ein Festival nimmt, folgt die nächste Anspielung. Die beiden schlafen in einer Jurte und Bridgets Freundin erklärt ihr, dass sie nicht campen, sondern „glampen”, woraufhin Bridget sagt: „Auch wenn man ihn ‚Gladolf Hitler’ nennen würde, würde das die ganzen Widerwärtigkeiten auch nicht vergessen machen.” Schließlich gibt es noch die Szene, in der eine Sparte von Hard News nicht gut läuft und der neue Chef droht, ein neues Format zu entwickeln, das Katzen zeigt, die aussehen wie Hitler. Die komödiantische Wirkung von Hitler, Putin und Völkermord basiert allerdings einzig und allein darauf, dass es eklatant falsch ist und komisch wirkt, wenn man anders darüber denkt. An einer Stelle erklärt Bridget auch, wie verrückt es ist, dass wir so unvorbereitet sind, wenn es um Dinge geht, „die so kompliziert und wichtig sind, wie ein Baby zu bekommen oder in den Irak einzumarschieren.”

Witze über Völkermorde, totalitäre Diktaturen und ungerechtfertigte Kriege scheinen als eine Art ironisches Zugeständnis an die privilegierte Perspektive des Films zu dienen. Der Versuch, sich besonders weltmännisch zu zeigen, funktioniert genau wie der Versuch, kulturelles Verständnis zu demonstrieren: Gedankenfetzen aus der Hipster-Modernität (ironische Gesichtsbehaarung, Einmachgläser, Instagram, Hashtags, Man Buns und Dating-Apps) werden über den gesamten Film gestreut, was aber nur dazu führt, dass der Film Leute erreicht, die sich von solchen gegenwärtigen Trends ausgeschlossen fühlen. So wie in der Szene, als Bridget in einem Vorstandstreffen sagt: „Hashtag: Lasst es uns tun.” Von den jüngeren Mitarbeitern erntet sie nur Augenrollen, aber die ältere, Twitter-verwirrte Generation fühlt mit ihr. Eine ähnliche Wirkung erzielen auch die Anspielungen auf das globale Bewusstsein, die auch nur für diejenigen relevant sind, die denken, sie wären weit weg von großen, bösen Ländern wie Russland, dem Irak und Ländern, in denen es zu Völkermorden kam.

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In einer der wenigen Szenen, in der ein farbiger Mensch auftritt, sieht Bridget das Namensschild ihres südasiatischen Kollegens Ariyaratna, zögert kurz und redet dann weiter, wobei sie den letzten Teil seines Namens immer bewusst verschluckt, damit man nicht merkt, dass sie seinen Namen nicht aussprechen kann. Die Frauen, die vor mir im Kino saßen, fanden das zum Schießen und nickten zustimmend. Sie konnten sich in Bridgets Kampf wiedererkennen und erinnerten sich an ähnliche Situationen, in denen sie vor einem fremden Namen standen, den sie nicht aussprechen konnten, aber wussten, dass sie als gebildete, liberale Frauen, eigentlich dazu in der Lage sein sollten. Etwas später verwechselt Bridget einen asiatischen General (der zu einem weiteren Interview über Genozid gekommen ist, weil sich schonungsloser Journalismus scheinbar nur um Völkermorde dreht) mit ihrem Chauffeur, wofür sie letztlich gefeuert wird und wieder bewegten sich die Köpfe vor mir in eifriger Zustimmung.

Bridget Jones hat Frauen früher die Erlaubnis gegeben, Ben and Jerry’s zu essen, unregelmäßig zum Sport zu gehen und Fehler zu machen, während man sich wünscht, keine Fehler zu machen. In dem neuen Film hat Bridget Jones nicht mehr allzu viele Laster, über die sich das Publikum mit ihr identifizieren könnte. Alles, was von der alten, sich umhertastenden Bridget übrig geblieben ist, ist ihre Tollpatschigkeit—sie fällt beim Musikfestival in den Schlamm und zwar nicht einmal, sondern gleich zweimal und lässt ihre Taschen unwiederbringlich am Bankautomaten stehen—und ihre kulturelle Unzulänglichkeit. Im ersten Film bekam Bridget unsere nickende Zustimmung, als sie zugab, dass sie über die Feiertage ein paar Kilo zugenommen hat. In Bridget Jones’ Baby gibt sie weißen Frauen (der vermuteten Zielgruppe) die Erlaubnis, fremde Namen falsch aussprechen zu dürfen und asiatische Männer nicht unterscheiden zu können. Sie gibt uns die Erlaubnis, so zu sein, wie wir sind—uninformiert, desinteressiert und vollkommen selbstfixiert—, selbst wenn wir unseren Müttern etwas über die Rückständigkeit von familiären Werten und die Bedeutung von Multikulturalismus erzählen. Gelegentliche rassistische Ausrutscher werden auf eine Stufe mit Ausrutschern im Matsch gestellt, aber Bridget vergibt uns beides.