Es ist schon eine ziemlich aufregende Vorstellung, sein schäbiges WG-Zimmer in Schuhkarton-Größe gegen zwei prächtige Türme am Rhein-Ufer einzutauschen. Beim Anblick des Turmpfeilers der einstigen Ludendorff-Brücke, auch bekannt als “Brücke von Remagen” aus dem gleichnamigen Kriegsfilm, dürften nicht nur Fans von RTL2-Renovierungsshows in Tapezier-Tagträumereien verfallen: Die hundert Jahre alten Türme in Erpel stehen seit Kurzem zum Verkauf. Auch wir sehen vor unserem inneren Auge schon, wie wir in dramatischer Rapunzel-Manier unsere geflochtenen Haare aus einem der winzigen Rundbogenfenster wehen lassen, einen mehrstöckigen BDSM-Dungeon zusammenschrauben oder epische Larping-Schlachten koordinieren. Doch lohnt es sich wirklich, sich für die beiden Ludendorff-Türme einen Bausparvertrag beim Weihnachtsmann zu bestellen?
Die kurze, aber wirklich schmerzhafte Antwort lautet: Nein. In der Online-Anzeige des Bundeseisenbahnvermögens, BEV, heißt es, die Türme können nicht als Wohnobjekt genutzt werden. Argumente dafür, dass der Troll-Präsident und Immobilien-Kenner Donald Trump das Gebäude wahrscheinlich als “Shithole” bezeichnen würde, gibt es allerdings zur Genüge (Spoiler: Es gibt weder Wasser noch Heizung noch ordentliche Fenster).
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Die etwas marode aussehenden Türme mit der verwitterten Sandstein-Außenwand wurden vor hundert Jahren gebaut, hatten bis vor sechs Jahren keine Fenster, dafür aber mehrere Stockwerke (den Fotos zufolge mindestens zwei) und eine Wendeltreppe aus Beton. Die beiden Türme sind durch einen Gang verbunden, der durch die dürftig angebrachten Beleuchtungskabel einen überzeugenden Escape Room abgeben würde. Im Exposé der Online-Anzeige heißt es, die Decken seien stark verwittert, die Fenster mit Folie zugeklebt (“zum Schutz vor eindringendem Wasser oder Kleingetier”) oder sogar ganz zugemauert (“zur Absturzsicherung”). Ein Heizsystem oder fließendes Wasser gibt es übrigens auch nicht.
Und das Gebäude könnte sogar eine Gefahr für die Allgmeinheit sein. So schreibt das BEV: “Das Bauwerk ist stark sanierungsbedürftig und auf Grund der Gefahr durch herabstürzende Fassadenteile muss die Verkehrssicherungspflicht beachtet werden.” Fußgänger, Rad- und Autofahrer könnten sonst von herabfallenden Teilen der Sandstein-Wände getroffen und verletzt werden. Und langsam, ganz langsam werden unsere Fantasien von semi-sexuellen Ritterspielchen von der realen Gefahr des Todes durch schimmelig-feuchte Fassadenteile eingeholt.
Selbst wenn ihr euer Möbelhaus-Himmelbettchen wohl kaum an die nasskalten Mauern stellen wollt – die Ludendorff-Türme haben mehr Potenzial, als nur als spannender Fun Fact in eurer desolaten Tinder-Bio zu enden. Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass die Bauten lediglich als Strategie zum Goal-Getting benutzt werden: 1918 – also im ersten Weltkrieg – wurde die Eisenbahnbrücke aus militärischen Gründen gebaut, 20 Jahre später von den Alliierten mit Bomben angegriffen und gegen Ende des Zweiten Weltkrieges von den Wehrmachtssoldaten tagelang mit 3.000 Granaten beschossen. Dann stürzte die Brücke ein, lediglich die Pfeiler blieben stehen.
Auf der Remagener Seite werden Tickets für das “Friedensmuseum” in den Türmen verkauft, am Erpeler Rheinufer nun die Bauten selbst – und zwar provisionsfrei an den Höchstbietenden. Ein Sprecher der BEV sagte der Deutschen Presseagentur am Montag, es gebe bereits einige Interessenten. Er rechne damit, dass das Gebäude vor allem Künstler und Geschichtsvereine ansprechen wird. Am Ende werden die Steinmauern der Türme womöglich also doch eher mit Gemälden behangen als mit kinky Leder-Peitschen, ritterlichen Netz-Hemden und rostigen Käfigen. Wollt ihr das nicht zulassen? Gebote könnt ihr noch bis zum 18. Mai abgeben.
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