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Um 17:00 Uhr wurde die erste Hochrechnung präsentiert, um 17:55 Uhr stand dann auch die Stichwahl fest: Norbert Hofer gewinnt klar (36 Prozent) vor Alexander Van der Bellen (21) und Irmgard Griss (18,8). Die Kandidaten der alten Großparteien, Rudolf Hundstorfer und Andreas Khol sind weit abgeschlagen. Richard Lugner gelangen etwas über zwei Prozent.
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Da es sich um die erste Hochrechnung mit einem Auszählungsgrad von 52 Prozent handelt, kann sich noch einiges verschieben. Das Ergebnis wird um 19:00 Uhr veröffentlicht. Fraglich ist, ob die 600.000 Briefwahl-Stimmen (das sind ungefähr 10 Prozent der Wahlberechtigten) noch einen Einfluss haben werden. Diese konnten bis heute 17:00 Uhr in den Wahllokalen oder per Post abgegeben werden und werden erst morgen ausgezählt.
War es die wichtigste Wahl der Zweiten Republik?
Diese Wahl war von Bedeutung—und das ist für eine Bundespräsidentschaftswahl in Österreich nicht selbstverständlich. In der Vergangenheit wurde oft von vielfacher Seite die Abschaffung des Amtes gefordert, der Bundespräsident habe realpolitisch keine Bedeutung.
Spätestens nach Norbert Hofers Aussage bei der ORF-Elefantenrunde “Sie werden sich wundern, was alles möglich ist”, ist klar, dass jahrzehntelang ungenützte Kompetenzen des Bundespräsidenten wieder aktiviert werden könnten. Auch die meisten politischen Beobachter waren sich einig, dass diese Wahl anders ist als die bisherigen. Martin Blumenau schrieb etwa im Februar auf seinem FM4-Blog: “Diese Wahl wird die Zweite Republik nachhaltiger erschüttern als die bisherigen Erfolge von Strache und Haider zusammen.” Er glaubt: “Ein Ende der Großparteien-Prägung kann ein Ende der Sozialpartnerschaft und ein Ende des sozialen Friedens nach sich ziehen.”

Wikipedia hat die österreichischen Bundespräsidentschaftswahlen seit 1951 illustriert. Die Zahlen stammen vom österreichischen Innenministerium.
Auch, wenn das vielleicht etwas hochgegriffen ist, war das Interesse der Menschen am Wahlkampf enorm. Viele Kandidaten zeigten sich erfreut, dass die “Zeit der Politikverdrossenheit vorbei” sei. Vielleicht liegt das auch an der zunehmenden “Amerikanisierung” des Wahlkampfs, die auch vielerorts kritisiert wurde. Muss ein Bundespräsidentschaftskandidat wirklich vor Lehrlingen kochen? Muss er wissen, wie man die äthiopische Nationalspeise isst? Muss er sein familiäres Umfeld in das grelle Licht des Wahlkampfs zerren? Der Wahlkampf war manchmal schon skurril—und das nicht nur wegen Richard Lugner.
Die ersten Reaktionen
Van der Bellens Wahlkampfleiter Lothar Lockl war in einer ersten Stellungnahme bereits auf den “Ernstfall”—also ein Abrutschen seines Kandidaten hinter Irmgard Griss—vorbereitet und beteuerte, dass Alexander Van der Bellen alles tun würde, um Irmgard Griss in der Stichwahl gegen Norbert Hofer zu unterstützen. Das Team rund um Griss zeigte sich hochgradig optimistisch; das Szenario einer Stichwahl Hofer vs. Griss ist allerdings nicht eingetreten.
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid nennt die Niederlage von Rudolf Hundstorfer, der voraussichtlich auf nur 11 Prozent (und damit noch weniger als erwartet) kommt, “schmerzlich”, wehrt sich aber gegen personelle Veränderungen. Der Wahlkampfleiter des ÖVP-Kandidaten,Thomas Kratky, sagt über seinen Kandidaten: “Andreas Khol hat gekämpft wie ein Löwe.”
Heinz-Christian Strache gratuliert Norbert Hofer, der seiner Auffassung nach “für Ehrlichkeit steht”, und ergänzt: “Wir sind Europafreunde”, was für ihn mit EU-Kritik einherginge. Bei den Koalitionspartnern erwartet er sich radikale Veränderungen: “Es wird nicht damit getan sein, Parteiköpfe auszutauschen”, so Strache.
“Freilich bin ich enttäuscht”, sagt Richard Lugner. “Aber Wien ist noch nicht ausgezählt”, und hier dürfte er immer noch die höchsten Ergebnisse erzielen. Auf die Frage des ORF, wen Lugner bei den Stichwahlen unterstützen werde, antwortete der erboste (weil unterbrochene) Baumeister: “NIEMANDEN!”
Wahlbeteiligung
Seit 1965 ist die Wahlbeteiligung bei Bundespräsidentschaftswahlen kontinuierlich gesunken, zuletzt gingen überhaupt nur noch 53 Prozent der Wahlberechtigten ins Lokal. Diesmal waren es 67Prozent.
Lagen die Wahlumfragen richtig?

Der politische Blog neuwal.com fasst alle öffentlichen Wahlumfragen zusammen: Van der Bellen war im Laufe des Wahlkampfs fast immer auf Platz eins.
Das Problem ist in Österreich eigentlich seit den 1990ern bekannt. Damals schon wagten viele Menschen es nicht, öffentlich zu sagen, dass sie für Jörg Haider sind. In der Wahlkabine waren sie es aber dann. Wahlumfragen kann man nicht trauen—vor allem, wenn der Auftraggeber eine Agenda verfolgt und wenn die Interviews unseriös (abhängig etwa von Sample, Methode und Befragungsort) durchgeführt wurden. In vielen Ländern ist die Veröffentlichung von Umfragen kurz vor der Wahl verboten, damit die Wähler sich nicht von taktischen Überlegungen manipulieren lassen können.

Auch die Wettquoten sprachen im Vorfeld für Alexander Van der Bellen.
Apropos Manipulation: Wie immer vermuten viele—vor allem FPÖ-Anhänger—einen Wahlbetrug. Dieses Mal standen Bleistifte im Zentrum der Verschwörung. Skeptiker vermuten, dass mit Bleistift ausgefüllte Stimmzettel im Nachhinein ausradiert und anderweitig ausgefüllt werden würden. Wer das allen Ernstes glauben mag, kann übrigens einfach mit Kugelschreiber ausfüllen: Es ist nirgendwo vorgeschrieben, wie oder mit welchem Stift das Kreuzerl gemacht wrid.
Vor der Wahl ist nach der Wahl: Was jetzt passiert
In der Vergangenheit haben die Briefwähler eher zu Verlusten für die FPÖ geführt. Es bleibt aber vorerst zumindest bis heute 19:00 Uhr abzuwarten, welche Rolle die Briefwahlstimmen spielen werden und ob sie an der Platzierung der Kandidaten noch etwas ändern können.

Das Bundespräsidentenwahlgesetz wartet mit vielen lustigen Eventualitäten auf—etwa dass das Los entscheidet, wenn Zweit- und Drittplatzierter gleich viele Stimmen haben.
Die Stichwahl hat laut Gesetz am vierten Sonntag nach dem ersten Wahlgang zu erfolgen. Das heißt, am Sonntag, dem 22. Mai, tritt Norbert Hofer und gegen Van der Bellen oder Irmgard Griss an.
Diskutiere mit Christoph das Wahlergebnis auf Twitter: @Schattleitner
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