Menschen

So masturbieren Menschen, die im Lockdown mit Partnern zusammenwohnen

Álvaro geht dafür ins Bad, schließt die Tür ab und tut so, als würde er kacken.
Die Illustration zeigt einen in der Hand gehaltenen Penis in einem Haus
Illustration: Diego Ruiz Olmeda 

Ich bin noch nie mit einem Freund oder einer Freundin zusammengezogen. Ich habe also keine Ahnung, wie ich mir den gemeinsamen Alltag vorstellen muss: Schreit man sich gegenseitig wütend an, weil jemand den Küchenschrank offen gelassen hat? Ekelt man sich vor den fremden Haaren, die den Duschabfluss verstopfen? Und fragt man sich irgendwann, wieso man sich überhaupt auf das Ganze eingelassen hat?

Was mich in der derzeitigen Ausnahmesituation mit dem Coronavirus aber am brennendsten interessiert: Masturbieren Menschen, die mit ihren Partnern zusammenleben, überhaupt noch? Also ich meine alleine, nicht zusammen. Und falls ja: Wie genau?

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"Ja klar", sagt der 34-jährige David, der vor drei Jahren mit seiner Freundin zusammengezogen ist. "Ich habe erst letztens mit einem Kumpel über dieses Thema geredet, weil der Lockdown die Situation viel komplizierter gemacht hat." Normalerweise masturbiere David im Badezimmer: "Manchmal ganz hastig, weil man die Tür nicht absperren kann, manchmal, wenn ich alleine zu Hause bin", sagt er.

"Aber jetzt in der Quarantäne nutze ich die Gelegenheit, wenn meine Partnerin mit ihren Arbeitskollegen oder mit ihren Freundinnen Videocalls führt. Ich sage dann immer, dass sie im Wohnzimmer in Ruhe ihr Ding machen soll, und gehe ins Schlafzimmer. Es ist schon komisch, wenn sie nebenan über ihre Arbeit redet, aber anders geht es nicht", sagt David. Geredet habe er mit seiner Freundin über dieses Thema noch nicht, aber das sei auch nie nötig gewesen. "Das ist etwas, das irgendwie mir gehört und das ich lieber für mich behalte. Ich habe sie auch nie gefragt, ob sie masturbiert oder nicht."


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In Sachen Masturbation hat die 29 Jahre alte Esther bei sich und ihrem Partner eine schleichende Veränderung festgestellt. "Als wir zusammengezogen sind, habe ich sowas gar nicht gemacht. Wahrscheinlich, weil wir anfangs noch viel Sex hatten und weil wir oft Dinge als Pärchen unternommen haben", sagt sie. "Inzwischen wissen wir aber, dass wir auch mal etwas Zeit für uns selbst brauchen. Vor dem Lockdown ist jeder von uns ab und an mit den eigenen Freunden losgezogen. Das nutzte ich manchmal, um alleine zu Hause zu masturbieren."

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Während des Corona-Lockdowns hat Esther aber noch nicht Hand angelegt: "Nicht, weil ich nicht kann, sondern weil ich bisher einfach noch nicht das Bedürfnis danach hatte. Die Gelegenheit wäre schon da gewesen, weil wir auch jetzt noch Dinge getrennt voneinander machen. Aber mein Sexualtrieb geht derzeit gegen null. Nicht alle zusammenlebenden Pärchen haben in der Isolation mehr Sex."

Der 28-jährige Álvaro hat sich seit über einem Monat keinen mehr runtergeholt. "Ich glaube, so lange bin ich noch nie ohne Masturbieren ausgekommen", sagt er. "Also ja, ich habe das natürlich schon gemacht, seitdem ich mit meiner Freundin zusammenwohne, und werde es auch wieder tun." Normalerweise gehe er dafür ins Bad, schließe die Tür ab und tue so, als würde er kacken. Er habe sich aber auch schon einen gewichst, als seine Freundin schlief.

"Normalerweise pennt sie immer vor mir ein – vor allem dann, wenn wir einen Film oder eine Serie schauen. Ich habe auch schon masturbiert, als sie neben mir schlief. Ist das ein bisschen creepy?", sagt Álvaro. "Ich habe ihr davon erzählt, sie konnte darüber lachen. Wir glauben nicht, dass ich masturbiere, weil wir zu wenig Sex haben oder weil der Sex unbefriedigend ist."

Sexualität muss nicht als Pärchen ausgelebt werden

Álvaros Freundin sieht das Ganze vielleicht gelassen, aber anderen Leuten ist es sehr unangenehm, wenn sie herausfinden, dass ihre Partner ohne sie masturbieren. Die Psychologin und Sexualforscherin Carme Sánchez Martín sagt, dass es hier keinen Grund gebe, sich Sorgen zu machen oder wütend zu sein: "Manche empfinden so etwas als eine Art Seitensprung – so als ob Sexualität nur als Pärchen ausgelebt werden kann. Das ist jedoch nicht der Fall."

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"Gewisse Seiten unserer Sexualität gehören uns ganz allein, während wir andere teilen", sagt Sánchez Martín weiter. Manche Leute glaubten, dass masturbierende Beziehungspartner mit Unzufriedenheit gleichzusetzen seien. Das liege wahrscheinlich an der fehlenden Sexualerziehung. "Durch Masturbation erlebt man Sexualität auf eine Art und Weise, die über die Beziehung zu einer anderen Person hinausgeht", so die Psychologin.

"Selbst wenn ich dreimal täglich ficken würde, würde ich immer noch masturbieren", sagt Pedro, 30 Jahre alt. "Das ist einfach etwas ganz Anderes als Sex." Sánchez Martín stimmt dem zu: "Vergleichen wir das Ganze mal mit Essen. Nur weil man gerne als Pärchen zusammen kocht und isst, bedeutet das nicht, dass man nicht auch mal alleine ein Schokoladen-Crêpe genießen kann."

Selbstbefriedigung kann zu besserem Sex führen

Die 28-jährige Emma findet Sex sogar besser, wenn sie sich in den Tagen davor selbst befriedigt hat: "Obwohl ich mit meinem Freund zusammenwohne, masturbiere ich noch – normalerweise dann, wenn er irgendwo unterwegs ist. Danach habe ich immer mehr Bock auf Sex", sagt sie. "Für mich ist Selbstbefriedigung kein Ersatz für Sex mit meinem Freund, ganz im Gegenteil: Die beiden Dinge ergänzen sich."

Bei einigen von Martín Sánchez' Patientinnen bringe Masturbation das intensivste sexuelle Vergnügen: "Sowohl Männer als auch Frauen erzählen mir bei unseren Sitzungen, dass sie alleine bessere Orgasmen erleben", sagt sie und betont gleichzeitig, dass die Patienten den Sex mit einer anderen Person dennoch voll genießen könnten.

Also egal, ob du dich unter der Dusche anfasst, so tust, als würdest du kacken, oder dich neben deinem schlafenden Partner selbst befriedigst, für deine Lust auf Masturbation brauchst du dich nicht zu schämen. Du gehst so weder fremd noch zeigst du damit, dass du irgendwie unzufrieden bist. Spar dir dein schlechtes Gewissen lieber dafür auf, wenn du wirklich etwas falsch gemacht hast – zum Beispiel wenn du deine dreckigen Teller mal wieder nicht abspülst.

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