Drogen

Cannabis gegen Corona? Wir haben mit dem Forscher hinter der Studie gesprochen

Richard van Breemen erklärt, warum Hanf für die Medizin so wichtig ist – und warum Kiffen wahrscheinlich trotzdem nicht gegen Corona hilft.
Links ein Mann im Anzug und mit Brille, rechts eine Hanfpflanze, Forscher Richard van Breemen hat entdeckt, dass drei Cannabinoide vor einer Coronainfektion schützen können.
Foto links mit freundlicher Genehmigung der Oregon State University | Foto rechts: Bill Clark / Contributor via Getty Images

Eine neue Studie aus den USA legt nahe, dass drei Stoffe der Hanfpflanze vor einer Infektion mit SARS-COV-2 schützen können. Die Forscherinnen und Forscher identifizierten drei Cannabinoide, die sich an das Spike-Protein des Virus binden und so einen Befall der Zellen verhindern. 

Wir haben mit dem leitenden Autor der Studie gesprochen. Im Interview erklärt Richard van Breemen vom Linus Pauling Institute der Oregon State University seine Ergebnisse, rechtliche Hürden und das medizinische Potenzial von Cannabis.

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VICE: Können Sie die Ergebnisse der Studie zusammenfassen?
Richard van Breemen:
Das Interesse unserer Forschung gilt der Entdeckung natürlicher Produkte mit medizinischem Nutzen. In Bezug auf Corona haben wir etwas gesucht, das den Virus davon abhalten kann, Zellen zu infizieren oder sich zu vermehren und andere Personen anzustecken. Schließlich haben wir uns dafür entschieden, den Virus am Startpunkt anzugreifen, wenn er in die Zelle eindringt. Das ist auch der Moment, in dem ihn Antikörper attackieren.

Wir habe die Frage gestellt: "Können kleine Moleküle aus der Natur den Virus vom Infizieren der Zelle abhalten, wenn sie die Fähigkeit haben, sich an die Oberfläche des Virus zu binden – insbesondere an das Spike-Protein, welches Kontakt mit der menschlichen Zelle herstellt und dem Virus ermöglicht, diese zu infizieren?"

"Sie haben mir kein Geld gegeben. Wir haben es dann trotzdem gemacht."

Als wir 2020 unseren Plan den National Institutes of Health [NIH, US-Behörde für biomedizinische Forschung, Anm. d. Red.] präsentierten, wandte ein Gutachter ein, dass es noch keinen Machbarkeitsbeweis dafür gebe. Sie haben mir also kein Geld gegeben. Wir haben es dann trotzdem gemacht.

Wir haben uns Traubensilberkerzen, Rotklee und Süßholz angeschaut und schließlich auch Hanf. Im Hanf entdeckten wir drei Bestandteile, die die hervorragende Eigenschaft haben, sich an das Spike-Protein zu binden. Wir stellten sogar fest, dass sie synergetisch, also gemeinsam, eine stärkere Wirkung als alleine haben. Wir gehen also davon aus, dass eine Mischung aus Cannabidiolsäure, CBD-A, Cannabigerolsäure, CBG-A und Tetrahydrocannabinolsäre, THC-A, effektiver ist als eine der Substanzen allein. Das spricht dafür, dass ein komplexes Pflanzenextrakt manchmal besser sein kann als eine klassische Monotherapie, bei der man nur einen Wirkstoff verwendet.

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Stimmt es, dass es bei der Untersuchung von THC-A rechtliche Probleme gab?
Genau. Wir haben Hanfextrakte untersucht und darin finden sich Spuren von THC-A. Wir haben es identifiziert, aber aufgrund der Campusregeln durften wir nicht damit arbeiten, weil es zu THC umgewandelt werden kann, wenn man es erhitzt. THC-A an sich ist aber nicht psychoaktiv. 

An anderer Stelle war bereits von einem Mittel die Rede, das man oral zu sich nimmt. Was stellen Sie sich da vor?
Wir haben da eine Pille oder ein Öl oder sogar ein Gummibärchen vor Augen. Etwas, das man nimmt, wenn ein Freund dir wenige Tage nach eurem Treffen sagt, dass er positiv auf Corona getestet wurde, und man befürchtet, selber zu erkranken. Für so eine Situation würde ich ein Mittel empfehlen, das eine Infektion verhindern kann. Für Menschen, die bereits im Krankenhaus liegen und schwer erkrankt sind, würde ich diese Mittel allerdings nicht vorschlagen. In dem Fall brauchen wir Kombinationen aus Therapien, die den Virus an anderen Punkten in seinem Lebenszyklus bekämpfen. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass es ein effektives Präventionsmittel sein könnte. Es kann Menschen helfen, gesund zu bleiben.

Die Studie wurde vielfach im Internet geteilt und viele haben Anspielungen gemacht, dass Marihuana rauchen vor Corona schützen könnte. Was ist da dran?
Die aktiven Bestandteile, die wir im Hanf entdeckt haben, sind CBD-A, CBG-A und THC-A. Das A steht für Acid, also Säure. Diese Säuregruppen können aber entfernt werden, zum Beispiel durch Hitze. Wenn also Hanfprodukte mit diesen Bestandteilen geraucht oder gevaped werden, würde die Hitze aus CBD-A CBD machen, aus CBG-A CBG und aus THC-A THC. Wir wissen bereits, dass CBD, CBG und THC keine Wirkung auf den Virus haben. Aus diesem Grund empfehlen wir eine orale Aufnahme dieser Bestandteile.

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Nur um das klarzustellen: Das Rauchen dieser Bestandteile hätte nicht dieselbe Wirkung auf eine Corona-Infektion wie eine orale Aufnahme?
Wir gehen definitiv von einer reduzierten Wirkung aus. Ich habe mir noch nicht angeschaut, wie schnell diese Umwandlung stattfindet und welche Temperaturgrenzen es gibt. Wir wissen aber, dass Cannabidiolsäure unter Hitze instabil wird.

Eine andere Studie der University of Waterloo in Ontario, Kanada, legt nahe, dass CBD das Immunsystem auf eine Corona-Infektion "vorbereiten" könnte. Was sagen Sie dazu?
Ich hatte noch nicht die Gelegenheit, mir die Studie anzuschauen. Aber es gibt wissenschaftliche Berichte, dass einige andere Cannabinoide wie CBD entzündungshemmende Eigenschaften haben. Und natürlich ist bei Corona-Patienten, die unter einem sogenannten Zytokinsturm leiden – das ist eine extreme Immunantwort, die viele Entzündungen verursacht – jedes Mittel willkommen, das die Entzündungen reduziert. Ich bin mir sicher, dass CBD in dieser Situation hilfreich wäre. 

Sie haben eben schon erwähnt, dass die NIH das Projekt nicht finanzieren wollte. Wie steht es generell heute um Forschung an Medikamenten auf Cannabisbasis?
Es gibt immer Rechtsprobleme, wenn auf Bundesebene eine Regel gilt und in den Bundesstaaten eine andere. Die Regeln zum Umgang mit Hanf ändern sich jedes Jahr und das hat Auswirkungen auf die Forschung. Momentan erlaubt das Department of Agriculture den Hanfanbau. Wir haben ein Forschungszentrum an der Oregon State University, das dabei hilft, verschiedenste Produkte zu entwickeln – sei es für landwirtschaftliche oder medizinische Zwecke. Hanf ist eine komplexe Pflanze. Ich glaube, es wird noch andere Medikamente geben, die in Cannabis entdeckt werden. Vielleicht haben wir gerade welche gefunden.

Würde eine Legalisierung auf Bundesebene der Forschung helfen?
Absolut, ja. Hanf ist eine ungewöhnliche Pflanze. Sie hat mehrere einzigartige Verbindungsklassen, die sonst nirgendwo in der Natur vorkommen. Sie ist reich an Verbindungen mit Bioverfügbarkeit. Häufig finden wir Verbindungen, die im Laborkontext effektiv zu sein scheinen, aber am Menschen dann nicht funktionieren, weil sie gar nicht erst in den Blutkreislauf gelangen. Hanf ist anders. Wir wissen, dass viele Bestandteile des Hanf aktiv sind – und das unter verschiedenen Darreichungsformen. Außerdem sind Verbindungen aus dem Hanf zu einem hohen Maße sicher. 

Was werden Ihre Erkenntnisse zum wissenschaftlichen Verständnis von Cannabis und Corona beitragen?
Wir haben das Prinzip etabliert, dass kleine Moleküle eine virale Infektion verhindern können. Das ist meiner Meinung nach eine wichtige grundlegende Erkenntnis. Außerdem haben wir Bestandteile in Hanf gefunden, die zumindest in Zellkulturen mit Viren die Fähigkeit hatten, Zellen vor einer Infektion zu schützen. Ich würde gerne eine weiterführende Studie sehen, in der wir bestimmen, wie hoch die orale Dosis sein muss. Welche Menge brauchen wir, um eine virale Infektion oder Übertragung zu verhindern? Außerdem denke ich, dass wir hier ein Produkt gefunden haben, das sicher sein dürfte. Ich kann mir vorstellen, dass Hanfextrakte in Zukunft verwendet werden, um Menschen dabei zu helfen, nicht an Corona zu erkranken.

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