Politik

Der Bau der Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 ist ein Armutszeugnis für Europa

Ein Gastbeitrag von Leonie Bremer, Sprecherin bei Fridays For Future in Deutschland.
Leonie Bremer
Foto: Dominik Butzmann

Nord Stream 2 soll jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas von Russland nach Deutschland transportieren. Es sind bereits 94 Prozent der 1.200 Kilometer langen Pipeline gebaut. Dieses für das Klima katastrophale Projekt kostet 9,5 Milliarden Euro. Alleiniger Eigentümer ist der russische Staatskonzern Gazprom. Damit wären wir auch schon bei einem der vielen Probleme, die diese Pipeline mit sich bringt. 

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Die Pipeline gehört einem Regime, welches genauso wenig von Klimaschutz versteht, wie von der Einhaltung der Menschenrechte und von demokratischen Grundsätzen.

Wenn Deutschland den Bau von Nord Stream 2 vollendet und von Russland noch mehr Erdgas als heute ohnehin schon bezieht, intensiviert Deutschland seine Beziehung zu einem Regime, das die Werte der EU immer wieder mit Füßen tritt. Aktuell unterdrückt der russische Machtapparat die friedlichen demokratischen Proteste in zahlreichen Städten, deren Auslöser die politisch motivierte Inhaftierung des Oppositionspolitikers Alexei Nawalny gewesen ist.


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In der vergangenen Woche positionierte sich das EU-Parlament deshalb klar gegen die Fertigstellung von Nord Stream 2. Mit der Pipeline will Russland schließlich auch bewirken, dass die Ukraine künftig weniger als Transitland für russisches Gas gebraucht wird. Russland setzt Gas als geopolitische Waffe ein, um die Ukraine zu schwächen. Deutschland und besonders die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns klammern sich trotzdem weiterhin an der Pipeline fest. 

Die Förderung von Erdgas in Russland treibt die globale Ungerechtigkeit weiter voran

Die Ausbeutung unseres Planeten wird vor allem auf den Schultern von Minderheiten ausgetragen. Wie zu erwarten, trifft das auch bei Nord Stream 2 zu. Die Pipeline soll Naturschutzgebiete und den indigenen Lebensraum der Nenzen - traditionelle Rentierzüchterinnen - auf der Jamal-Halbinsel zerschneiden. Dieses Projekt vertreibt Menschen aus ihrer Heimat. Indigene Völker verlieren die Grundlagen ihrer Existenz, indem das Weideland  ihrer Tiere milliardenschweren Konzernen geopfert wird. Dies ist ein eklatantes Beispiel dafür, wie Klimaschutz wirtschaftlichen Interessen geopfert wird.

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Schauen wir uns die Umweltverträglichkeitsprüfung für Nord Stream 2 an, wird die Angelegenheit sogar erschreckend kriminell. Für die Realisierung dieser Pipeline hat das prüfende Amt den Wert der Jamal-Halbinsel gezielt geringer eingeschätzt. Sogar die russische Umweltgesetzgebung ist für dieses Projekt geändert worden. Außerdem werden die UNO-Deklarationen über die Rechte indigener Völker missachtet. Diese besagen, dass die vorherige Zustimmung der indigenen Bevölkerungsgruppen einzuholen sind. Stattdessen werden durch Nord Stream 2 bewusst die Hilferufe der Indigenen ignoriert. Die öffentliche Anhörung war für Anwohnerinnen und Anwohner nur schwer zugänglich, eine Beteiligung an der Debatte nahezu unmöglich. Im Grunde sind indigene Völker im derzeitigen russischen System Opfer des Kremls.

Zudem ist laut einer Vertreterin einer Organisation der Indigenen Völker Russlands das Biosphärenreservat Kurgalskij durch die Gasleitung stark bedroht. Dieses Gebiet steht mit 210 Arten von Vögeln, 40 Arten von Säugetieren und 800 verschiedenen Gefäßpflanzen unter dem Schutz internationaler Naturschutzkonventionen. Wie zu erwarten, werden hier die Gesetze der Russischen Föderation zum Schutz der Tierwelt ebenfalls ignoriert. 

Besonders schockiert die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns mit der "Stiftung Klima- und Umweltschutz MV" 

Die russische Nord-Stream-2-AG, für die der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) lobbyiert, finanziert teilweise diese sogenannte "Klima-Stiftung".  

Manuela Schwesig ist der Meinung, Erdgas sei eine Brückentechnologie und man brauche es für die Versorgungssicherheit. Im Fall von Nord Stream 2 müsste das Gas aber mindestens 50 Jahre lang geliefert werden, um überhaupt betriebswirtschaftlich rentabel zu werden. Eine so lange Brücke wäre aber keine Brücke mehr.

Genauso ignoriert Schwesig, dass die Pipeline energiewirtschaftlich unnötig ist, wie das Umweltbundesamt sowie Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung bereits 2018 durch ihre Studie belegt haben. Darüber hinaus missachtet die Ministerpräsidentin, dass laut dem Energiekonzept der Bundesregierung je nach Szenario der Bedarf nach Erdgas bis 2050 im Strom-, Wärme- und Industriesektor um bis zu 90 Prozent sinken soll. Und das selbst bei einem Energiekonzept, das längst nicht ambitioniert genug ist, um die Pariser Klimaziele einzuhalten. Überflüssiger kann eine Gas-Pipeline also gar nicht sein.

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