Popkultur

Netflix: In der dritten Staffel wird 'Cobra Kai' zum seichten 80er-Teeniefilm

Der Karate-Kid-Nachfolger hat von seinen vielschichtigen Figuren gelebt. Stattdessen kämpft jetzt wieder Gut gegen Böse.
Daniel tröstet Tochter Sam nach einem verlorenen Kampf gegen Kobra Kai
Foto: Tina Rowden | NETFLIX 

Achtung: Spoiler. Wer die dritte Staffel noch nicht gesehen hat, wird nach diesem Text vielleicht auch keinen Bock mehr dazu haben.

Es gibt sicher viele Gründe, warum Cobra Kai so ein Erfolg ist. Original-Schauspieler aus dem Kultfilm Karate Kid, auf dem die Serie basiert, fein dosierte Roundhouse-Kicks und geile 80er-Mucke sind eine unschlagbare Kombination. Da scheint es nicht einmal zu schaden, dass Cobra Kai 2018 auf YouTube Red angelaufen ist. Staffel 3 gibt es seit Neujahr auf Netflix. Qualität setzt sich durch. Aber im Erfolg werden auch die größten Fehler gemacht.

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Was Cobra Kai in den ersten beiden Staffeln ausgemacht hat, waren ambivalente Charaktere. Der frühere Bösewicht Johnny avanciert als hängengebliebener Versager mit dem Herzen am rechten Fleck zum Sympathieträger. Sunnyboy Daniel LaRusso dagegen kickt als geschniegelter Besitzer eines Autohauses in seinen Werbespots "die Konkurrenz weg". Cheesy. Einerseits. Andererseits ist es eben nicht nur eine fast schon erwartbare Umkehrung früherer Verhältnisse. Johnny versagt als Vater und Vorbild. Daniel sorgt sich um seine Tochter und ist sich nicht zu schade, auch im Maßanzug in Ärsche zu treten, wenn es sein muss. Cobra Kai kannte zwei Staffeln lang überall Gut und Böse. Treffer.


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Vor allem an Johnny und Daniel lässt sich das Dilemma der dritten Staffel illustrieren. Johnny kommt nach zahlreichen Ausfällen endgültig auf der richtigen Seite an, sorgt sich als sensibler Super-Sensei um seinen verletzten Schüler Miguel, lässt sich zurückhaltend von dessen Mutter umgarnen und baut noch nicht einmal Mist, als Ali auftaucht, seine große Jugendliebe, um die er früher mit Daniel konkurriert und natürlich verloren hat. 

Gut ist der, der Gutes tut

Ja, man kann Johnny nicht wünschen, dass er als Til-Schweiger-Meme ewig den Macho gibt, der nur von der richtigen Frau erlöst werden kann, um im nächsten Film wieder den Macho zu geben, als eine Art machistisches Perpetuum mobile. Aber es ist wie es ist: Johnny als Good Guy ist so lahm, dass ein Kinofilm hier schlichtweg enden würde.

Daniel ist ja per se schon gut gewesen, sein Figurenbogen ist noch leichter zu spannen. Als es eng wird für ihn, sein Autohaus und seine Familie, fliegt er eben rüber nach Japan, rettet den Tag, seine eigene Welt und bekommt auch noch das Mädchen, seine Kumiko, aber natürlich nur platonisch, zum Deep Talk, er ist ja verheiratet. Die Guten drehen in Staffel 3 keine bösen Dinger mehr.

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All das wird eben auch nicht dadurch besser, dass der schon immer geschickt in die Serie eingebaute, leicht schmalzige Teeniefilm um die junge Generation all der Töchter, Söhne und sonstiger Karatekids auf allzu erwartbare Mechaniken setzt. Irgendwann hatte jeder etwas mit jeder, jede einmal jeden geküsst, gehasst, geschlagen. Alle Szenen, die in der High School spielen, ziehen das Niveau glatt um zwei Ligen runter.

Als klassischer Antagonist tritt der Oberschurke vergangener Tage auf: John Kreese. Man kann den Machern der Serie nicht vorwerfen, sie hätten das von ihnen angerichtete Problem nicht selbst erkannt, und so lassen sie in langen Rückblenden immer wieder den jungen Kreese im Vietnam-Krieg um sein Leben und die Moral kämpfen, was aber leider nicht dazu führt, mit ihm mitzufiebern. Der Kerl ist also ein gewaltaffiner Psycho, weil er vor einem halben Jahrhundert einen miesen Vorgesetzten hatte? Kann ja sein. Aber das sorgt nicht dafür, dass er auch nur einen Sympathiepunkt gewinnt. 

Die Cobra im Spiegel der Zeit

Man könnte nun sagen, dass sich Cobra Kai einfach sehr auf Höhe der Zeit bewegt, die ja so oft auch nur schrille Debatten, Polarisierung, Gut und Böse und keine Zwischentöne mehr kennt. Aber man schaut eine Serie ja nicht, um ein Abbild der Gegenwart zu bekommen – nur unterlegt von "The Moment of Truth". 

Cobra Kai wird weitergehen. Staffel 4 ist angekündigt, vermutlich ist auch dann nicht Schluss, zu charmant ist das Retro-Setting, zu beliebt die Charaktere. Als einziger von früher fehlt Oberguru Mr. Miyagi – Darsteller Pat Morita ist schon lange tot. Mr. Miyagi lebt im Karate-Kid-Cobra-Kai-Universum trotzdem weiter, als eine Art Medium, das Daniel mit Hilfe von Rückblenden, Ideen und einstmals geschenkten Nunchakus begleitet. 

Wie wäre es, wenn sich herausstellt, dass Mr. Miyagi in Wahrheit als illegaler Immigrant in seinen geliebten Bonsai-Bäumen Opium geschmuggelt, Daniels Mutter nachgestellt und den Kriegsveteranen Kreese aus rein sadistischen Gründen fertiggemacht hat? Zu krass? OK. Dann bleiben immer noch lange Kamerafahrten durch kalifornische Sonnenuntergänge.

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