Drogen

Cannabis-Aktivist wird neuer Drogenbeauftragter der Bundesregierung

Der SPD-Politiker Burkhard Blienert soll neuer Drogenbeauftragter der Bundesregierung werden

Drogendealer und erzkonservative Politiker hatten am Dienstag einen gemeinsamen Grund für schlechte Laune: Der neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung soll ein ausgewiesener Befürworter der Cannabis-Legalisierung werden. Der SPD-Politiker Burkhard Blienert wurde dafür von Gesundheitsminister Karl Lauterbach vorgeschlagen, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtete. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert nannte das eine “großartige Entscheidung”. Am Mittwoch soll das Bundeskabinett Blienert ernennen.

Wer ist der designierte neue Drogenbeauftragte und für welche Positionen tritt er ein? Blienert, 55, saß zwischen 2013 und 2017 für die SPD im Bundestag und etablierte sich schon damals als Experte für Drogenpolitik. Dass er als solcher jetzt die Position des Drogenbeauftragten übernehmen soll, stellt in der Geschichte des Amtes einen Paradigmenwechsel dar.

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Besonders die letzten beiden Drogenbeauftragten, Daniela Ludwig und Marlene Mortler, beide CSU, stemmten sich vehement gegen eine Freigabe von Cannabis. Die fachfremden Politikerinnen setzten dabei nicht immer auf stichhaltige Argumente. Legendär ist die Aussage Mortlers, Cannabis sei verboten, weil es illegal ist. Ludwig hingegen erklärte, “Cannabis ist kein Brokkoli”.

Solche Meme-Vorlagen sind von Burkhard Blienert wohl eher nicht zu erwarten. Dass er sein Thema vor allem rational-wissenschaftlich angeht, zeigt schon das SPD-Positionspapier des Arbeitskreises Drogenpolitik von 2015, das Blienert maßgeblich mitverantwortete. Schon die ersten Sätze des Berichts sind vielsagend: “Der ‘Krieg gegen Drogen’ und die aktuelle Verbotspolitik sind gescheitert, sowohl mit Blick auf ihren beschränkten Nutzen und ihre enormen Kosten als auch hinsichtlich ihrer fatalen Nebenwirkungen”, heißt es darin.

Offensichtlich halte die Verbotspolitik Menschen nicht vom Konsum ab. Stattdessen erschwere und verhindere sie eine effektive und flächendeckende Prävention und Hilfe, bilanzierte die Gruppe damals und schrieb weiter: “Das Verbot stärkt das Organisierte Verbrechen und unterstützt die Entstehung unkontrollierter Schwarzmärkte, durch welche die Drogen gefährlicher werden, als sie eigentlich sind.” Außerdem führe die strafrechtliche Verfolgung dazu, Menschen, die Drogen konsumieren, zu stigmatisieren und zu schädigen. Die Ressourcen, die dafür benötigt werden, könne man besser im Kampf gegen das Organisierte Verbrechen einsetzen. “Die Prohibition schützt auf diese Weise weder den/die Einzelne/n noch die Gemeinschaft, sondern schadet letztlich dem Gemeinwohl.”

Was 2015 in dieser Klarheit nur von wenigen in der SPD so formuliert wurde, ist heute Konsens in der Ampelkoalition und bei der Linken. Auch zum Thema Cannabis hatte sich das Positionspapier geäußert. Schon damals bestand für Blienert und seine Mitstreiter im Umgang mit Cannabis “unmittelbarer politischer Handlungsbedarf”. Man müsse es entkriminalisieren und regulieren.

Eine Freigabe, in der der Markt die Regeln macht, sollte man mit Blienert allerdings nicht erwarten. “Angesichts der mit dem Cannabiskonsum verbundenen und weiter zu erforschenden Gesundheitsrisiken ist die Antwort auf das Scheitern der Prohibition ausdrücklich keine marktorientierte Legalisierung bzw. ungezügelte Liberalisierung”, hieß es bei ihm 2015.

Man kann Blienert sogar als Cannabis-Aktivist bezeichnen. Denn er ist Mitglied beim deutschen Ableger von Law Enforcement Against Prohibition (LEAP). Der Verein aus Juristen, Mitgliedern von Sicherheitsbehörden, Wissenschaftlerinnen und Experten setzt sich weltweit für eine liberalere Drogenpolitik ein.

Nun könnte man einwenden, dass der Drogenbeauftragte im Grunde nur ein dem Gesundheitsminister unterstellter drogenpolitischer Sprecher der Bundesregierung ist und als solcher wenig direkten Einfluss hat. Aber da Karl Lauterbach zwar für die Freigabe von Cannabis ist, jedoch in der Vergangenheit wenig Kompetenz beim Thema zeigte, könnte in Blienerts Expertise mehr Gewicht liegen. Lauterbach, der ohnehin kürzlich erklärte, er müsse sich erst um die Pandemie kümmern, bevor man Cannabis freigeben könne, kann sich dann weiter genau auf dieses Thema konzentrieren. Und Burkhard Blienert kann zeigen, wie eine evidenzbasierte Drogenpolitik in Deutschland aussieht.

Update, 12. Januar 2022, 14:30 Uhr: Burkhard Blienert wurde am Mittwoch offiziell in seinem neuen Amt bestätigt. Dessen Bezeichnung ändert sich von “Drogenbeauftragter der Bundesregierung” zu “Beauftragter der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen”. Blienert sagte zu seiner Ernennung: “Die Drogen- und Suchtpolitik muss in vielen Bereichen neu gedacht und neu gestaltet werden. Was wir brauchen, ist ein Aufbrechen alter Denkmuster. Es muss gelten: ‘Hilfe und Schutz statt Strafe.’ Nicht nur beim Thema Cannabis, sondern in der Drogenpolitik insgesamt, national wie auch international.”

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