Marteria und Casper haben ein gemeinsames Album veröffentlicht. Das klingt erst mal wie ein Hirngespinst von Fans, die einander nach dem fünften Bier mit glänzenden Augen “Das wäre zu krass” zusäuseln. Aber neun Jahre nach dem ersten Kollabo-Track ist diese Platte tatsächlich Realität geworden. 1982 ist genau das, was man sich von einer Zusammenarbeit der beiden Grenzenverschieber des Deutschrap erhofft: straighte Feelgood-Mucke. Eben vertonte Gespräche darüber, wie das damals eigentlich mit der und dem war, was jetzt los ist und ey, lass mal losziehen, den inneren Schalter kurz auf Rausch stellen und sich am nächsten Tag schreiben, was da denn schon wieder los war.
Nach Caspers blutiger Seelenentblößung Lang Lebe der Tod und Marterias interstellarem Großprojekt Roswell haben sich die zwei Rapper tief ins Sofa sinken lassen. Musik hören, Wein oder Joint zum Mund führen, tief ausatmen. Abgesehen davon, dass man einander schon immer mochte: Wer ist der andere Typ eigentlich? Reichen die Gemeinsamkeiten und Sympathien aus, um gemeinsam ein Album zu füllen? Und wenn man wirklich ein Duo wie Bud Spencer und Terence Hill sein will: Wer von beiden ist dann wer?
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Ich treffe Casper und Marteria in einem Berliner Hotel, um herauszufinden, wie das alles abgelaufen ist. Die zwei sitzen mir gut gelaunt und tief entspannt gegenüber und erzählen, warum das gemeinsame Album ihnen so gut getan hat, welche Musik sie einander dabei vorgespielt haben und was sie von Moshpits halten (Spoiler: sehr viel). Am Ende wurde es aber Zeit für die dringendste Frage: Bud Spencer oder Terence Hill?
Noisey: 1982 wurden sowohl Die Toten Hosen als auch Die Ärzte gegründet, Michael Jacksons Thriller erschien und Falcos “Kommissar” war auf Platz eins der deutschen Charts. Was davon ist für euch das Wichtigste?
Casper: Ich will jetzt nicht direkt Casper-mäßig alles ins Emo-Unergründliche ziehen, aber als ich drei oder vier war, hat mein Vater mir meinen allerersten Plattenspieler und die Thriller-Platte geschenkt. Das war ganz lange meine erste und einzige Platte. Wenn ich vom Spät-Benjamin ausgehe, dann Falco.
Marteria: Ich war schon in der DDR ein richtiger Hardcore-Fan von Michael Jackson, so mit Brille aufsetzen, Fernbedienung als Mikrofon, Fenster aufmachen, Leute beeindrucken.
Casper: [zu mir] Wie alt bist du denn?
28.
Casper: Was war dann deine erste bewusste Platte?
Rammstein. Frage mich heutzutage manchmal noch, warum. Ich war neun oder so und habe mir zum Geburtstag Herzeleid und Sehnsucht gewünscht – und bekommen.
Casper: Stabil. Erstes bewusstes Konzert?
Sum 41.
Casper: Mega. [zu Marteria] Deins?
Marteria: Mein erstes richtiges war David Hasselhoff, Rostock, Stadthalle.
Casper: Meins Atlanta, Superdome: MC Hammer, Vanilla Ice und En Vogue.
Marteria: Wie alt?
Casper: So sechs.
Marteria: Das ist ein gutes Erstes. Wir sind nur bei David Hasselhoff gewesen, weil wir dachten, dass K.I.T.T. auch mit auf der Bühne steht. War er dann nicht, war aber trotzdem mega gut. Er hat sich alle zwei Lieder umgezogen.
Casper: [lacht] Der Atlanta Superdome wurde während MC Hammer geräumt, weil es unten eine Gangschießerei gab. Knallharter Fakt. Ich war mit meiner Mutter oben auf Sitzplätzen, aber bei En Vogue standen wir unten ganz hinten. Als wir wieder hoch wollten, ging irgendwas los. Habe ich als
Kind natürlich null gecheckt. Da habe ich aber neulich mit ihr drüber geredet und sie meinte: “Ja, weil der eine angefangen hat zu schießen.” Gang-Fight bei MC Hammer!
Video: “Noisey meets: K.I.Z”
Weil ihr zwei euch gerade so schön Sachen erzählt: In der Albuminfo steht, dass ihr vor dem Album “lange Gespräche” geführt habt. Wie lief das denn ab?
Casper: Das klingt jetzt Zigarren rauchender, als es war.
Marteria: Du darfst dir das nicht so kryptisch vorstellen. Nach drei Soloplatten und sehr viel Wahnsinn, ist das jetzt eine Gemeinschaftsplatte, wo man sich alles teilt. Wir waren Freunde, hatten immer Sympathie füreinander und gegenseitig unsere Musik supportet. Es gab viele Überschneidungen, auch bei den Fans. Wir wollten einfach erstmal quatschen, wer der andere eigentlich ist und zwar nicht besoffen irgendwo im Club, in der Ecke. Das war wichtig, um die Leichtigkeit hinzubekommen, die man der Platte auch anhört.
Casper: Ich war krass aufgeregt, weil ich dachte: Was, wenn wir gar nicht Songs zusammen schreiben können? Aber wie das eben so ist, wenn ein Kumpel eine Woche zu Besuch ist, haben wir viel gequatscht, aber auch relativ schnell oder langsam einen Song gemacht, oder zumindest angefangen und über Mucke geredet. Ich auf anderthalb Flaschen Wein, du auf Weed. Eben Gespräche geführt, wie das so mit meinen und deinen Jungs war: Wir haben für ‘nen Zehner getankt, sind doof rumgefahren, hin auf Partys, wo wir nicht eingeladen waren, haben dann da Stress gemacht, bis wir entweder wem vor’s Maul gehauen oder selbst auf die Fresse gekriegt haben …
Marteria: Wir haben auch niemandem was davon gesagt, doof gesagt nicht mal unseren Müttern, weil wir nicht wussten, ob das klappt. Wir haben ja schon vorher Songs zusammen gemacht und die finde ich sehr konsequent. Ich spiele “Alles verboten” nach wie vor fast immer live. Wir haben bewiesen, dass diese verschiedenen Welten gut harmonieren. Aber wie bist du mental nach einer Platte drauf? Nach viereinhalb Jahren Lang Lebe der Tod? Man ist ja manchmal neben der Spur, dann ist gar nicht die Bereitschaft da, Sachen zu schreiben. Wir holten Luft und reflektierten, was wir alles erreicht hatten. Das war sehr emotional und etwas sehr Schönes. Nach dem Ritt der letzten acht, neun Jahre kamen wir mal runter.
Hat dieses Durchatmen gut getan, auch in Hinblick auf eure Soloplatten? Mal einen anderen Ansatz wählen, nicht so verkopft?
Marteria: Ein Soloalbum heißt nicht immer, dass man im kompletten Wahnsinn ist. Vielleicht bei Casper ein bisschen mehr. Ich habe Leute, denen ich sehr vertraue und sitze nicht bei jeder Snare daneben.
Casper: Ich schon [lacht].
Marteria: Das sind verschiedene Ansichten und Arbeitsweisen. Beispielsweise war für mich Zum Glück in die Zukunft II ein totales easy Album. Roswell war ein bisschen mehr Arbeit, weil es da paar Problemsongs gab, die man auf den richtigen Weg bringen musste.
Casper: Für mich war es ein geiler Einblick, dass einen nicht alles immer 100 Prozent mental und körperlich vereinnahmen muss. Bei Soloplatten esse ich kaum noch, rauche zwei Schachteln am Tag, bin jeden Tag 18 Stunden im Studio, sehe meine Frau kaum noch, bin absolut am Ende – bei mir war jede Platte so.
Marteria: Aber das ist ja auch dein Erfolg.
Casper: Ja klar, ich sag ja nicht, dass ich es hasse. Nur, dass es für mich ein krasser Prozess war: Lass uns einfach eine geile Rap-Platte machen. Und wie geil das werden kann, wenn man auch noch Spaß dabei hat und einen coolen Partner, von dessen Mucke man Fan ist. Ich glaube, es hat uns beiden gut getan.
Habt ihr euch vorher bestimmte Platten gezeigt, die ihr schon immer geil fandet oder zurzeit hört und die sich auf dem Album widerspiegeln sollten?
Casper: Also nicht, dass wir vorher eine Spotify-Liste gemacht haben und die Referenzen abklatschen wollten. Aber so im Machen schon so: Ey, die Bassline sollte klingen wie der und der Song. Marten fällt dann ein Björk-Rabbithole runter und zeigt mir ein, zwei Stunden derbe Björk-Songs, die ich noch nie gehört habe. Oder ich komme mit meinem Digitalmüll-Death-Grips-Quatsch.
Marteria: Ich höre bei einer Albumproduktion eigentlich gar keine Musik, Cas ist mega krass, was das angeht. Total wahnsinniger Musik-Nerd. Aber bei der Platte hatten wir einen Tag lang die Idee, jeden Song eine Referenz haben zu lassen. Der Wu-Tang-Song, der Timbaland-Song, der Björk-Song – also alles, was uns in der Karriere begleitet hat. Das fanden wir geil, auch zum Titel 1982. Auf der Platte haben wir mit “Adrenalin” einen Song, der ganz klar eine Prodigy-Referenz ist, oder “1982” ist Action Bronson, “Champion Sound” halt Just Blaze mit Jay-Z. Da hat es sehr geholfen, dass wir viel Mucke gehört haben.
Casper: Vier Stunden Chief Keef … Und Immortal. Acappellas von Chief Keef auf Black-Metal-Instrumentals: Das wäre mein großes Mash-up-Projekt.
Marteria: Ich werd einfach auf ostdeutsche Technobeats rappen. Immer, wenn im Radio ein schlechter Techno-Song kommt, sowas wie “Blue” – ist ja kein schlechter Song, ist ja mega – liebe ich!
Casper: [lacht laut] Finde ich Horror!
Marteria: Einfach so Berlin Calling!
Casper: Du machst jetzt deine Berlin Calling-Platte, ich meine Black-Metal-Rap-Platte.
Marteria: An meinem 40. Geburtstag kommt meine geile Techno-Platte.
Casper: Deine geile Trottel-Techno-Platte.
Super! Aber von wegen “Adrenalin” – den habt ihr zum ersten Mal auf dem splash! gespielt. Warum gerade der?
Marteria: Das ist halt DER Live-Song, natürlich muss man den auch auf dem splash! spielen.
Casper: Find ich auch. Es gibt viele Songs, die ich inhaltlich viel krasser finde, aber den macht man an und der is einfach doll.
Ging ja auch voll ab. Zurzeit geht’s sowieso mit Moshpits gut ab. Wie findet ihr das, dass das Rap-Gewinke ausgestorben ist?
Casper: Ich finde es immer seltsam, das in Interviews gefragt zu werden: “Und, wie findest du die Neuen, wie findest du die Veränderung?” Natürlich finde ich das geil! Ich fand Rap auch davor 15, 20 Jahre lang geil, warum soll ich das jetzt scheiße finden?
Nun ja, manche bleiben stehen.
Marteria: Das ist bescheuert. Wenn man HipHop macht, ist die wichtigste Erkenntnis doch, dass der Geist immer den Kids zugewandt sein muss. Nie den Alten. Das, was die Kids denken, ist immer geiler. Weil das eine urbane JUGEND-Bewegung ist und keine Mittdreißiger-Erwachsenen-Bewegung. Wir haben uns früher zehn Jahre darüber aufgeregt, wie die Leute auf HipHop-Konzerten getanzt haben. Jetzt wird’s endlich mal cool.
Casper: Ich komme aus dieser DIY-AJZ-Hardcore-Szene und habe schon 2007 versucht … Ich habe immer Rap geliebt, aber auf einer Hardcore-Show fand ich die Energie viel geiler. Jetzt haben wir das doch endlich! Wir haben Singalongs, Moshpits, die Leute springen und sind engagiert. Hätte mir natürlich gewünscht, ich hätte es erfunden [beide lachen], aber ich war immerhin der erste auf dem splash! mit einer Wall of Death.
Marteria: Muss ich auch mal sagen, wir hatten das schon als erste, wir hatten Moshpits und richtigen Wahnsinn. K.I.Z. auch.
Die Leute unterhalten sich jetzt wie sonst bei Punk/Hardcore-Shows, wie hart und gut der Pit bei beispielsweise Rin war.
Casper: Die Situation, nachmittags um 18 Uhr auf dem splash! zu stehen und diese Rin-Show … Das war beeindruckend, das war der absolute Wahnsinn. Es war so ein Kodak-Moment von wegen “The Kids are alright”.
Marteria: In Deutschland war die alte Schule, sich zu HipHop zu bewegen ganz schön faul.
Casper: Hängenbleiben ist keine Option, ich hätte da keinen Bock drauf. Ich will mit 50 noch auf eine Death Grips-Show gehen.
Marteria: Oder ein Lied mit Yung Hurn, Rin oder anderen Leuten machen, wo ich verstehe, warum die gerade geil sind.
Alles klar! Ich hab noch ein paar Entweder-Oder-Fragen über legendäre Duos, bei denen ihr euch zwischen den beiden entscheiden müsst.
Marteria: Bud Spencer!
Ist halt wirklich die erste Frage: Bud Spencer oder Terence Hill?
Casper: Terence Hill, ganz klar. Ich bin aber nicht mit den Filmen aufgewachsen. Als ich nach Deutschland kam, kannten das all meine Freunde, ich hatte das aber noch nie gesehen. Der erste, den ich dann gesehen hatte, war Der Supercop.
Marteria: Bester Film!
Casper: Mann, der sah auch einfach geil aus. Braungebrannt, blaue Augen …
Marteria: Und beste Kartentricks. Aber Bud Spencer: Leistungsschwimmer, Olympia-Kader und gute Schellen gegeben.
Casper: Muss ehrlich sagen, dass mir die Filme immer zu doof waren. Da sind halt zwei Typen, die kloppen sich nur und dann gibt’s einen Hammer auf den Deckel.
Marteria: Das ist einfach das Allerbeste!
Dieter Bohlen oder Thomas Anders?
Marteria: Dieter Bohlen.
Casper: Ich hätte früher Thomas Anders gesagt, aber der Insta-Grind von Dieter Bohlen ist halt das Geilste. Thomas Anders ist glaube ich auch eine Snitch, ein hinterfotziger Typ. Aber er hatte die geilere Föhnwelle! Fakt!
Marteria: Dieter Bohlen ist auch ein mieser Bastard, aber als Typ, was er so abgezogen hat und rein von der Relevanz her, ist das kein Vergleich.
Zu Game of Thrones : Jamie Lannister oder Bronn?
Casper: Bronn liebe ich. Der wirkt so grummelig, aber hat eigentlich ein gutes Herz.
Marteria: Wer ist nochmal Jamie, dieser verrückte Junge?
Nee, der Bruder, der seine Schwester bumst.
Marteria: Ah! Na ist doch super!
Casper: [fassungslos] Den hassen wir doch!
Marteria: Ja? Nee. Ich bin für die Bösen, ich finde die Lannisters besser als die Starks. Dieser kleine Junge, Joffrey, ist doch mega, weil man ihn so hasst. Und seine Mutter, die so geil und verrückt ist … Ganz klar pro Lannisters.
Casper: … Ich bin richtig entsetzt. Ich mag ja die Nordmänner am liebsten.
Marteria: Ja, klar mag man die, aber wenn man das so guckt, dass die Lannisters die Helden sind, ist es mega lustig.
Casper: OK, meine Theorie, wie Game of Thrones endet (habe ich auch Geld drauf liegen): Jon Snow und die Drachenperle claimen zusammen den Thron zurück, dann merken sie aber, dass eine Balance in der Welt hergestellt werden muss, er geht freiwillig zurück und wird der neue Eiskönig … Das wird dann eine ganz krasse Emo-Liebesgeschichte.
Marteria: Glaub ich nicht. Ich hoffe, dass sie einfach den Kopf abgebissen bekommt, von einem Drachen. Sie geht einfach auf Toilette, ein Drache kommt und beißt ihr einfach den Kopf ab. Dann ist einfach die Rolle raus. Das hoffe ich.
James Hetfield oder Lars Ulrich?
Marteria: Hetfield.
Casper: … Wobei, wenn man Some Kind of Monster gesehen hat, sind es beides Spacken. Lars Ulrich, das Großmaul, kann für Scheiße kein Schlagzeug spielen.
Aber wirklich jeder hasst Lars.
Marteria: Stimmt, ist schon ganz gut, wenn einen alle hassen … Aber James Hetfield hassen doch auch alle.
Casper: Wenn ich mich für einen entscheiden muss, wäre ich eher James-eah!
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Casper und Marteria auf Tour 2019
31.05.2019 Hannover, Expo Plaza
20.07.2019 Dresden, Filmnächte am Elbufer
03.08.2019 Berlin, Waldbühne
09.08.2019 Hamburg, Trabrennbahn
31.08.2019 Essen, Baldeney See
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