Coach K ist euer Hass egal. Ihn interessieren nur Siege

College-Basketball—wie so ziemlich jede andere Sache, bei der 20-Jährige Entscheidungen zu treffen haben—hat die Tendenz, chaotisch zu sein. Es gibt wohl nichts, mit dem man die letzten Minuten eines wichtigen College-Spiels vergleichen könnte. Denn genau in diesen Momenten sieht man junge Spieler, die am Rande des Nervenzusammenbruchs stehen, die sich die Lunge aus dem Hals rennen und dabei trotzdem versuchen, nicht die Defense aus den Augen zu verlieren. Das ist oft auch der Moment, wenn ein schlaksiger Freshman den Ball mit Fullspeed aus dem eigenen Feld Richtung gegnerischen Korb dribbelt. Und obwohl man sehen kann, wie er sich krampfhaft bemüht, an die richtigen Schritte und Bewegungen zu denken (Arme hierhin, Beine dahin!), passiert das, was nicht passieren durfte. Der Ball springt ihm an den Oberschenkel und von da schnurstracks ins Aus. Im Hintergrund sieht man einen Trainer im Anzug, der die Hände über den Kopf zusammenschlägt, während der bemitleidenswerte Point Guard aufstöhnt, weil er weiß, dass dieser Fehler seinem Team gerade den Sieg gekostet haben könnte. Und weil er weiß, dass ihm in der nächsten Auszeit eine gehörige Standpauke vom Trainer blüht. Der hingegen weiß gar nicht, welches seiner Talente ihm heute das größte Kopfzerbrechen bereitet.

Herzlich willkommen in der bunten und dynamischen Welt des College-Basketballs: Eine Welt, in der jeder Trainer von seinen Spielern fordert, dass sie auf seine Anweisungen hören und in der Spieler ihrerseits dabei ziemlich häufig scheitern—und das manchmal auf so dramatische Weise, dass das Spiel dadurch viel spannender und dramatischer wird, als wenn die Spielzeuge des Trainers eins zu eins umgesetzt würden. Aber Trainer haben für Drama nicht viel übrig. Sie wollen Perfektion oder zumindest aber einen sicheren Vorsprung, bevor das Spiel auf die Zielgerade einbiegt. Das kann schon mal so weit gehen, dass sie vor lauter Anspannung die Beherrschung verlieren und nicht nur verbal austeilen, auch wenn sie selbst sagen würden, dass sie einfach nur unglaublich—und für uns Laien kaum nachvollziehbar—fokussiert sind.

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Mike Krzyzewski hat mit Duke im März seine fünfte College-Meisterschaft gewonnen. Doch vielleicht noch beeindruckender ist sein 1000. Sieg, den er in der letzten Saison als College-Trainer eingefahren hat, und ja, über diesen Meilenstein kann man eine Menge sagen. Zu allererst ist es natürlich ein großartiger Erfolg. Es zeugt von seiner Fähigkeit, mit jungen Talenten zu arbeiten und sie so zu formen, dass dabei eine Unmenge von Siegen herausspringen. Es zeigt gleichzeitig, wie viele Talente er im Laufe der Jahre an die Duke lotsen konnte. Denn trotz all seiner Arroganz wird auch ein Coach K zugeben müssen, dass der Job eines Trainers weitaus angenehmer und einfacher ist, wenn man mit Spielern wie Shane Battier, Grant Hill, Jay Williams oder Jabari Parker zusammenarbeiten kann. Und dass die beiden Goldmedaillen, die er mit dem Team USA gewinnen konnte, unterm Strich mehr mit Spielern wie LeBron James und Kevin Durant als mit taktischer Genialität zu tun haben.

Aber damit ist es dann an Eingeständnissen auch schon getan, oder? Krzyzewski gilt als extrem autoritär und als absoluter Befürworter klarer Hierarchien. Man muss schon ein ziemlicher Drill Sergeant sein, dass neben dir sogar ein Dean Smith wie ein Hippie rüberkommt. Die Teams von Coach K sind seit eh und je von einer sehr starken Ordnung geprägt. Gleichzeitig war er strategisch schon immer äußerst flexibel—man denke in diesem Zusammenhang einfach nur an die verschiedenen Klassespieler, um die er im Laufe der Jahre seine Teams aufgebaut hat. Dabei konnte er keinen Spieler ausstehen, der ihm nicht den nötigen Respekt entgegenbrachte. Zum Vergleich: John Calipari war bereit, sich mit Boogie Cousins rumzuschlagen, während es Jim Boeheim vermochte, sich mit Derrick Colemans Launen abzufinden. Coach K hätte beide wahrscheinlich einfach auf die Bank gesetzt, obwohl es eigentlich müßig ist, darüber zu reden: Denn Coach K hätte diese Art Spieler eh nicht für Duke auflaufen lassen. (Ja, es stimmt, Krzyzewski hat Boogie als Coach vom Team USA trainiert, aber Team USA ist eben nicht Duke.)

„Aber 1.000 Siege.” Foto von Anthony Gruppuso—USA TODAY Sports

Nick Saban ist vielleicht ein Gott in Tuscaloosa, aber auch er führt am Ende nur eine Tradition fort, die ihn kleiner und nicht größer machen wird. Auch Phil Jackson hat zwar fünf Titel mit den Lakers geholt, hatte aber gleichzeitig nichts mit der West-, Kareem- oder Magic-Ära zu tun. Duke war auch nicht gerade ein schlechter Basketball-Standort, als Coach K dort 1980 seine Arbeit aufnahm. Sie hatten schon Conference-Titel gewinnen können und es auch beim March Madness mehrfach bis ins Final Four geschafft. Doch der Erfolg von Krzyzewski war—bzw. ist noch immer—so überwältigend, dass alle früheren Team-Erfolge weitgehend in Vergessenheit geraten sind. (Das Gleiche gilt übrigens auch für einige seiner Zeitgenossen, wie etwa Boeheim und Jim Calhoun.) Coach K ist einfach Duke, und das wird er auch noch lange nach seinem Abschied bleiben.

Du musst schon ziemlich viel richtig machen, damit dein Name in einem Atemzug mit der Basketball-Historie einer ganzen Universität genannt wird. Vielleicht ist es auch genau das, was viele Leute so wütend macht: Krzyzewski ist ein knallharter Zuchtmeister, aber eben auch einer, der Ergebnisse liefert. Dass es ihm immer wieder aufs Neue gelingt, große Talente nach seinen Vorstellungen zu großen Spielern zu formen, ist ein Schlag ins Gesicht für all diejenigen, die glauben, dass man Spieler bei ihrer Entwicklung mehr Freiheiten zugestehen sollte. Er ist der Prototyp eines jeden Trainers, der—trotz schicken Anzugs—wütend die Hände über dem Kopf zusammenschlägt und aufgrund von Fehlern seiner Spieler fast den Verstand verliert. Und dennoch spricht alles dafür, dass seine fordernde und penible Art, sein gereizter Grundton und sein aristokratisch-väterliches Auftreten unfassbar gut funktionieren.

Das heißt aber nicht, dass du nun vor ihm den Hut ziehen musst. Zwei ausgestreckte Mittelfinger tun es auch. Doch auch dein Hass ist ihm komplett egal. Was auch sonst? Wenn du schon mehr als 1.000 Mal als Sieger vom Platz gehen konntest, musst du dir um konkurrierende Trainerphilosophien keinen großen Kopf machen. Coach K wird wohl immer der ultimative harte Knochen bleiben, der auch seinen Freshman-PG ordentlich zusammenfaltet, wenn dem der Ball ins Aus springt. Doch was soll man groß sagen? Der jahrzehntelange Erfolg gibt ihm nun mal Recht.