Popkultur

Creed III: Schweigen ist Silber, prügeln ist Gold

Michael B. Jordan als Adonis Creed in Creed III.

Gerade hat er die große Hoffnung der Boxwelt brutal verprügelt. Jetzt feiert er seinen Sieg im Kreise von zwielichtigen Gestalten. Sie wirken wie Gangster, Trinker und Prostituierte – jedenfalls so gar nicht wie Adonis Creed, der kommt, um den Mann zur Rede zu stellen, von dem er so viel Brutalität nicht erwartet hätte. Doch der will nicht reden, er macht sich lustig über Creed. Bevor der überhaupt realisiert hat, wie tief der Verrat geht, knallt ihm auch noch eine Faust ins Gesicht

Leonard Cohen sang einmal “There’s a crack in everything, that’s how the light gets in”. In Creed III, dem neuen Film von Michael B. Jordan, der auch die titelgebende Figur spielt, zerbricht eine Freundschaft. Aber da, wo kurz Licht zu scheinen scheint, versuchen die beiden Männer bald, nur noch den Schädel des anderen zu knacken. Und zwar beim Boxkampf. Creed III zeigt zwei Männer, die nicht über Gefühle reden können und sich deshalb kaputt hauen. Geil.

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Geil? Mit den Creed-Filmen ist das Drama zurückgekehrt in das RCU, das Rocky-Cinematic-Universe. Gut, ganz weg war es nie, denke man doch an Rocky V und Rocky Balboa. Aber Rocky IV war nun wirklich nur belanglos-geiler Action-Trash – und schuf trotzdem die Prämisse für die Creed-Spin-offs. Ein kurzer Rückblick, um die Unwissenden abzuholen und in den Boxring der Rocky-Saga zu führen:

Rocky Balboa wurde von Sylvester Stallone erfunden. Er ist ein Boxer und erlebte in Rocky bis Rocky III verschiedene Abenteuer im Ring. In Rocky IV dann starb Apollo Creed, Rocky Balboas ehemaliger Gegner und später bester Kumpel. Der sowjetische Boxer Ivan Drago streckte ihn mit seinem Anabolika-gefütterten Körper nieder. Für die nächsten beiden Rocky-Abenteuer war Apollo Creed weitgehend vergessen. 

Dann kam 2015 der erste Creed-Film und es stellte sich heraus, dass Apollo Creed einen Sohn gezeugt hatte, von dem nur niemand wusste. Den musste Rocky jetzt trainieren, wie das gealterte Boxer mit den boxenden Söhnen von befreundeten Boxern halt so machen. Adonis Creed wurde also mit Rockys Hilfe zum besten Boxer der Welt, bis in Creed II der Sohn von Ivan Drago auftauchte, des Mannes, der Adonis Creeds Vater im Ring getötet hatte. Es wurde, klar, geboxt.

In Creed III ist Adonis kein aktiver Boxer mehr. Zu viele Verletzungen, und eine Familie hat er auch. Außerdem ist er so stinkreich, dass er seine Gesundheit nicht mehr aufs Spiel setzen müsste. Denn anders als zum Beispiel Fußball spielt man Boxen nicht. Man kämpft, es geht um alles oder mehr. Stattdessen promotet Adonis jetzt also Kämpfe und Boxer – unter anderem den Sohn von Ivan Drago. 

Und so braucht es einen triftigen Grund, um Adonis zurück in den Ring zu zwingen – to “ring the bells that still can ring”, um bei Leonard Cohens Song vom Anfang zu bleiben. Der triftige Grund heißt Damien Anderson, ist ein recht einfallslos geschriebener Blast from the Past und gleichzeitig das Highlight des Films, weil er so großartig gespielt wird. Ein alter Kumpel von Adonis. 

Wie das bei alten Kumpeln so ist, bei denen einer (Damien) gerade aus dem Knast kommt und der andere (Adonis) nicht, haben die beiden eine Geschichte, die es aufzuarbeiten gäbe. Adonis macht sich noch immer Vorwürfe, das spürt man bald. Das bedrückte Gesicht macht es deutlich. Und Damien macht Adonis auch Vorwürfe. Das spürt man dank des Gesichts, das sich nie entscheiden zu wollen scheint, ob es nun strahlen oder bedrohlich wirken will. 

Damien wird gespielt von Jonathan Majors und der macht das so großartig, dass die eigentlich eindimensionale Figur vielschichtig wirkt. Da ist stets ein Schelm, der sich um Majors’ Augen und Mundwinkel andeutet. Das macht ihn sympathisch, aber auch unnahbar und schwer einzuschätzen. Will Damien nun die alte Freundschaft mit Adonis aufleben lassen oder hegt er diabolischere Pläne wie das gruselige Kind aus Das Omen, das sicherlich nur zufällig auch Damien heißt?

Wir wollen hier nicht spoilern, aber man merkt nach dem sehr langen Anfang des Films bald, dass in der Story kaum noch andere Figuren zur Verfügung stehen, um im Finale von Adonis im Ring geknechtet zu werden. So bleibt die Geschichte komplett vorhersehbar und auch die paar Umwege, die eher krampfhaft hineingeschrieben scheinen, können das nicht kaschieren. Stattdessen überfrachten sie den Film. 

Im letzten Akt etwa hadert unser Protagonist mit seinem Gewissen und seinen Selbstzweifeln. er weiß nicht, ob er einer physischen Konfrontation gewachsen ist. Dann beginnt er aber zu trainieren, was uns in einer Trainingsmontage gezeigt wird, für die schon die Rocky-Filme legendär waren. Er zieht unter anderem ein Flugzeug und verarbeitet in diesen wenigen Minuten kommentarlos seine Zweifel. “Show, don’t tell” heißt eine alte Regel des Erzählens. Man soll lieber zeigen, dass etwas passiert, statt davon zu erzählen, dass etwas passiert. Hier passiert weder noch. Es ist einfach plötzlich anders als davor. Und das ist nun wirklich faul geschrieben. 

Der Anfang ist also viel zu lang und das Ende viel zu kurz, um all die Storyfäden zu einem Ende zu führen, das so befriedigend ist wie ein K.O. in der 59. Sekunde der dritten Minute der zwölften Runde eines Boxkampfs. 

Denn klar, wenn es um Adonis Creeds Vergangenheit geht, dann geht es auch um seine Mutter. Und dann liegt es nah, dass man sich auch sein Verhältnis zur Tochter anguckt. Die will nämlich jetzt kämpfen lernen. Adonis findet das gut, seine Freundin aber nicht. Überzeugend aufgelöst wird der Konflikt nie, aber das ist am Ende auch ein bisschen egal. Denn der wichtigste Punkt ist ja ohnehin die Prügelei der beiden Männer.

Und die ist so dumm. Eigentlich mögen die beiden ehemals besten Freunde sich nämlich. Nur dass in ihrer Kindheit etwas passiert ist, das zwischen ihnen steht. Würden sie sich zusammensetzen, reden, alles einmal auf den Tisch legen und bei jeder Menge Hennessy-Cognac klären – das Getränk ist im Film omnipräsent, als würden die Macher des Films hier gar keinen Sportfilm drehen sondern einen über die Freuden des Saufens, das Product Placement ist wirklich wahnsinnig nervig –, dann bräuchte es keine Gewalt. Aber so sind Männer nicht. 

Männer schlagen sich lieber, als in Therapie zu gehen, könnte man sagen. Oder sie saufen Hennessy-Cognac, statt sich zu unterhalten. Erst als einer der Männer am Ende des Films über den anderen triumphiert hat, ihn körperlich wie seelisch gedemütigt hat, findet er die Kraft, auf ihn zuzugehen. Ohne die Schmach, ohne den Kampf um die Überlegenheit, wäre es den beiden unmöglich, sich auf einer Ebene zu begegnen. 

Und dass der Film diese Botschaften weitgehend unreflektiert reproduziert, ist ein seltsames Signal an die jungen Männer, die ihn schauen werden. Klar: Natürlich hätten wir keinen ordentlichen Boxfilm mehr, wenn der Konflikt im Ring nicht maximal persönlich wäre. Aber dafür hätten wir auch kein Männlichkeitsbild aus den 80ern mehr. Das wäre in Ordnung.

So flach also die Figuren, so vorhersehbar die Story und so fragwürdig die Message auch sein mögen: Creed III ist geil. Die Kämpfe sehen großartig aus, wie überhaupt alles großartig aussieht. Auch wenn nicht jede traurig angelegte Szene Emotionen beim Publikum erzeugen wird, ist die Freundschaft der beiden Männer doch ordentlich herausgearbeitet. Das fühlt man und zwar vor allem, weil Michael B. Jordan und noch mehr Jonathan Majors einfach fantastische Schauspieler sind und den Film besser wirken lassen, als er ist.

Creed III ist also ein mittelmäßiger Film und der schlechteste der Reihe. Er hat eigentlich nicht verdient, so gut auszusehen. Und derart großartige Darsteller auch nicht. Denn dadurch wirkt dieser mittelmäßige Film plötzlich so viel größer, ähnlich wie ein mit Anabolika gefütterter Körper: Was wir sehen, ist nicht echt. Aber wenn Ivan Drago zuhaut, sind wir halt trotzdem tot. Beziehungsweise ausreichend gut unterhalten.

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