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10 Fragen

10 Fragen an einen DJ, die du dich niemals trauen würdest zu stellen

Verkaufst du Drogen im Club? Bist du neidisch, dass Micaela Schäfer mehr verdient als du? Kann heutzutage nicht jeder mit Laptop und Apps ein DJ sein?
Alle Fotos: PR

Auf einer Party unter den ersten Gästen zu sein und zu bleiben, bis die Musik aus- und das Licht wieder angeht, ist keine einfache Kür. Für Oguzhan Karadag ist es aber Pflicht. Seit 13 Jahren legt er in Clubs, bei Festivals und Konzerten auf.

Schon mit 15 Jahren investierte Oguzhan lieber in Mischpulte, Plattenspieler und Vinyl-Langspielplatten als in zu weite Dickies-Hosen oder Anti-Pickel-Cremes. Heute stapeln sich in seinem Wohnzimmer über 1.000 Platten. Aus seiner Jugendzeit stammt nicht nur ein Großteil seiner Sammlung, sondern auch sein DJ-Name. Seine ersten Graffitis hat Oguzhan als Jugendlicher mit 'O-Sun' getaggt. Mit den Jahren hat das DJing die Graffitis ersetzt, der Name O-Sun blieb.

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In DJ O-Suns Set läuft Soul, Funk, HipHop bis hin zu Dancehall und Afrotrap. Für Künstler wie Ice Cube, Method Man & Redman und Dead Prez war O-Sun bereits als Support-DJ im Einsatz, in einem Kölner Club ist er seit mehreren Jahren Resident-DJ. Wir haben Fragen.

VICE: Spielst du mit Absicht nicht die Liederwünsche von Leuten, die du scheiße findest?
O-SUN: Ja. Wenn jemand in einem Befehlston zu mir spricht, dann spiele ich den Song aus Prinzip nicht. Meistens sind das verwöhnte Bengel, die in ihrem Leben noch nie ein Nein gehört haben und so tun, als würde der Laden ihnen gehören. Wenn aber jemand nett fragt, überlege ich es mir. Songs, die nicht zu meinem Set passen, spiele ich aber nicht und dann ist es egal, wie sympathisch die Person ist. "Waka Waka" von Shakira war das bisher schlimmste Lied, das sich jemand im Club gewünscht hat.

Bist du neidisch, dass Micaela Schäfer mehr verdient als du?
Nein, überhaupt nicht. Wenn sie ihr halbes Leben lang nackt rumläuft, verdient sie es auch, mit ihren Auftritten mehr Kohle zu scheffeln als ich [lacht]. Sie bedient ein ganz anderes Genre als ich und dementsprechend auch ein anderes Publikum. Meine Gage reicht mir zum Leben. Wie viel ich pro Auftritt verdiene, variiert immer. Ich wurde mal für eine iranische Silvesternacht gebucht und der Veranstalter war unfassbar reich. Er hat für seine Party die gesamte Lanxess Arena in Köln gebucht. Ich habe nur 20 Minuten lang aufgelegt und damit deutlich mehr verdient als ich an einem ganzen Abend im Club bekomme.

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Sind Leute nur nett zu dir, weil sie auf die Gästeliste wollen?
Ja, das kommt vor. Und Frauen machen das öfter als Männer. Das wundert mich, weil der Eintritt für Partys in der Regel nicht teuer ist. In meiner Zeit als DJ habe ich sehr viele oberflächliche Leute kennengelernt, aber im Gegenzug auch sehr gute Freundschaften geschlossen. Ich schreibe trotzdem jeden meiner Bekannten auf die Gästeliste. Ein Limit setzt der Veranstalter.

Wie oft bist du beim Auflegen besoffen?
Als DJ bekommt man immer grenzenlosen Freisuff. An manchen Abenden habe ich mit meinen Freunden Getränke im Wert von über 300 Euro versoffen. Es gibt auch Veranstalter und Clubbesitzer, die vorab ein gewisses Limit setzen, aber meine Drinks musste ich noch nie selbst bezahlen. Trotzdem habe ich mich immer unter Kontrolle, richtig besoffen war ich noch nie. Wenn sich ein DJ beim Auflegen vollsaufen lässt, wird er nicht lange durchhalten und auch nicht mehr gebucht. Aber wenn viele Freunde um mich herum sind, bin ich auch schon mal leicht angetrunken. Immer hat irgendwer Geburtstag oder hat sich von seiner Freundin getrennt. Wenn es Freunde sind, trinke ich einen Kurzen mit.


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Welche Gewaltfantasien verspürst du, wenn sich Besoffene im Club hinter dein DJ-Pult drängen oder ihre Getränke bei dir abstellen?
Da kommen so einige Gewaltfantasien zusammen. Mich stört es nicht, wenn sich Leute im Club volllaufen lassen, solange sie mich in Ruhe lassen. Wenn mein DJ-Pult von Leuten als Tresen benutzt wird, würde ich die Getränke am liebsten in deren Gesichter oder über deren Handy schütten. Das habe ich zwar so noch nie gemacht, aber ich stelle es mir manchmal vor. Du würdest doch auch Panik haben, wenn ich mein Getränk bei dir zu Hause auf deiner HiFi-Anlage platziere und schon sechs Longdrinks intus habe. Zwar ist mein DJ-Equipment versichert, aber ich bin trotzdem sehr vorsichtig. Außerdem ist es ein unangenehmes Gefühl, wenn fremde Leute hinter mir stehen, während ich auflege. Das macht mich nervös.

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Verkaufst du Drogen im Club?
Nein. Ich habe auch noch nie beim Auflegen Drogen genommen. Ich habe in meiner Jugend ab und zu einen Joint geraucht, aber als das Auflegen zu meinem Beruf wurde, habe ich damit aufgehört, vor allem weil ich meinen Führerschein nicht verlieren wollte. Ich werde häufig von der Polizei angehalten. Schwarze Haare, braune Augen, dunkle Haut – traurigerweise falle ich damit offenbar in ein gewisses Raster. Den Führerschein abzugeben, kann ich mir als DJ nicht erlauben.

Schämst du dich nicht, vom künstlerischen Talent Anderer zu leben?
Wer so denkt, kennt die HipHop-Kultur nicht. Ende der 60er Jahre haben DJs die ersten HipHop-Partys veranstaltet und dadurch hatten Rapper erst die Möglichkeit, ihr Talent unter Beweis zu stellen. Und ich denke auch, dass Künstler sehr froh darüber sind, dass ich ihre Musik spiele. Es gab auch die Zeit, in denen DJs verschiedene Platten von Radiostationen zugeschickt bekommen haben, damit sie im Club aufgelegt werden und so ein Hit entsteht. Aber auch wenn sich die Musikvermarktung verändert hat, feiern es Künstler, wenn die Leute im Club zu ihren Songs abgehen. Außerdem verdienen sie dadurch GEMA-Gebühren.

Kann heutzutage nicht jeder mit Laptop und Apps ein DJ sein?
Als man noch mit Schallplatten gespielt hat, wusste ich, dass meine Sammlung einzigartig ist und ich die notwendige Technik und Fähigkeiten zum Auflegen besitze. Das konnte mir so schnell niemand nachmachen. Heute ist das anders und das nervt mich. Leute beschließen, DJ zu werden, und stehen nach sechs Wochen am Pult. Und dem Publikum reicht es, wenn ihre Lieblingslieder laufen. Ob die Übergänge zwischen zwei Liedern sauber sind oder ein DJ heftige Scratchings-Skills hat, interessiert mittlerweile die wenigsten. Deshalb habe ich heute auch das Gefühl, schneller ersetzbar zu sein. Zu meiner Anfangszeit habe ich das nicht so empfunden. Du musst aber auch nicht mit Vinyl auflegen und scratchen können, um in meinen Augen ein vollwertiger DJ zu sein. Es gibt zum Beispiel House-DJs, die krass produzieren. House-DJs legen in der Regel ihre eigenen Produktionen auf und bekommen deshalb vergleichsweise hohe Gagen. Das kann ich nachvollziehen, auch wenn ich den Musikstil nicht fühle.

Ab wann wird es peinlich, als alternder DJ vor jungem Publikum aufzulegen?
Ich habe vor einigen Jahren Kid Capri auflegen sehen, der mittlerweile schon über 50 Jahre alt ist. Ich habe seinen Auftritt nicht als peinlich empfunden. Und David Rodigan war Anfang 60, als ich ihn live gesehen habe. Ich habe großen Respekt davor, wie er auf seine eigene Art und Weise junge Menschen immer noch zum Hüpfen bringt. Es gibt viele DJs, die in einem hohen Alter noch Auflegen. Das finde ich nicht peinlich, sondern eher bewundernswert.

Bist du ursprünglich DJ geworden, um einfach mehr Sex zu haben?
Nein. Sex war nie meine Motivation. Als ich mit dem DJing angefangen habe, war ich zwar 15 Jahre alt und in der Pubertät, aber meine Ambition war, meine Skills zu verbessern, um von etablierten DJs ernstgenommen zu werden. Trotzdem bekommt man als DJ manchmal auch Sex angeboten, aber darauf gehe ich gar nicht erst ein. Meinen Beitrag zum Zuwachs der Weltbevölkerung habe ich trotzdem schon geleistet. Durch mich sind schon viele Kinder entstanden, weil ich Freunde einander im Club vorgestellt habe.

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