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Polizeigewalt

Das SEK hat einen Rocker-Boss erschossen, obwohl er wohl unbewaffnet war

Eine Investigativ-Recherche zeigt, was bei der Stürmung der Wohnung des Ex-"Osmanen Germania"-Chefs Hamit P. alles schiefging.
Foto: imago | Jochen Tack

Als die Elite-Polizisten sich am Morgen des 9. Februar vorbereiteten, sei ihnen noch einmal eingebläut worden, wie gefährlich die Zielperson ist: Hamit P. war länger Präsident des Wuppertaler Chapters der rocker-ähnlichen "Osmanen Germania" gewesen, er solle in einen Mordauftrag verwickelt gewesen sein und regelmäßig zwei Schusswaffen bei sich tragen, wenn er das Haus verlässt.

Diese Informationen sollen unter anderem von einem Osmanen-Aussteiger kommen, und sie sorgten wohl auch dafür, dass die SEK-Beamten an diesem Tag besonders angespannt waren. Das Ergebnis wenige Stunden später: Ein Polizist erschoss Hamit P. bei der Stürmung seiner Wohnung – obwohl der offenbar unbewaffnet war und keine Anstalten gemacht hatte, sich zu wehren.

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Diese Version der Ereignisse beruht auf Recherchen des Kölner Stadt-Anzeigers. Die Lokalzeitung bekam Zugang zu den Aussagen des Todesschützen, gegen den die Staatsanwaltschaft Wuppertal jetzt wegen Verdachts der fahrlässigen Tötung ermittelt.

Ein Einsatz mit fatalen Fehlern

Laut diesen Aussagen ist Folgendes passiert, nachdem die Beamten die Wohnung um 12:15 Uhr gestürmt hatten: Sein Kollege platzte in ein Zimmer auf der rechten Seite, der Schütze wandte sich mit der Waffe im Anschlag nach links, ins Wohnzimmer. Dort stand er plötzlich Hamit P. gegenüber, der etwas Dunkles in der Hand hielt.

Es knallte, der Beamte spürte eine Druckwelle. Später stellte sich heraus, dass seine Kollegen offenbar hinter ihm eine Blendgranate gezündet hatten. In dem Moment glaubte er, sagte er laut dem Bericht aus, P. hätte auf ihn geschossen – also drückte er ab.

Die Kugel durchschlug den Arm des Rockers und drang in seine Brust ein. Hamit P. stürzte zu Boden, ein Notarzt wurde gerufen, der Schütze selbst gab an, sofort versucht zu haben, die Blutung zu stoppen. Vergebens: 15 Minuten später war Hamit P. tot. Neben seinem Kopf lag der Gegenstand, den er in der Hand gehalten hatte: ein schwarzes Smartphone. Als seine Frau, die im Badezimmer gekauert hatte, ihn sah, fing sie an zu schreien.

Bis heute ist nicht geklärt, warum die SEK-Beamten eine Blendgranate zündeten, nachdem die ersten beiden Beamten die Wohnung bereits gestürmt hatten. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft sind noch nicht abgeschlossen, der Schütze ist zum jetzigen Zeitpunkt noch im Dienst.

Uneinig sind sich die Berichte darüber, ob Hamit P. zum Zeitpunkt seines Todes überhaupt noch Präsident der Wuppertaler Osmanen war. Laut Spiegel Online war er Ende Januar "wegen diverser Straftaten" ausgeschlossen worden, laut dem Kölner Stadt-Anzeiger stand er wegen "Verfehlungen" noch kurz vor dem Ausschluss. Ob seine Straftaten wirklich der echte Grund für seinen Ausschluss sind, kann man zumindest bezweifeln: Nach dem Kriterium müssten die Osmanen zumindest in NRW zwei Drittel ihrer Mitglieder rauswerfen – so viele sind laut Polizei schon strafrechtlich aufgefallen. Anfang des Monats hatten 800 Polizisten in einer bundesweiten Razzia gegen die Osmanen Germania Dutzende Objekte der Vereinigung durchsucht. Erschossen wurde dabei aber niemand.

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