Wie die Städte der Zukunft früher ausgesehen haben
Foto von der offiziellen Valerian-Website

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Zukunftsvisionen

Wie die Städte der Zukunft früher ausgesehen haben

Luc Besson lässt in seinem neusten Sci-Fi-Epos 'Valerian – Die Stadt der tausend Planeten' eine Mega-Metropole entstehen. Hier sind ein paar der eindrucksvollsten urbanen Zukunftsvisionen aus Literatur, Comics und Filmen.

Dieser Text ist in Zusammenarbeit mit Constantin Film zum Kino-Start von 'Valerian - Stadt der tausend Planeten' entstanden.

Das Science-Fiction-Genre hat schon unzählige Erfindungen hervorgebracht – nicht nur, was Technik angeht, sondern auch im Hinblick auf Gesellschaftskonzepte und Städte-Ideen. Die Faszination für Autoren liegt auf der Hand: Man kann das Bild einer Stadt und ihrer Bewohner von Grund auf neu erschaffen und ein bisschen Gott (oder Teufel) spielen. Meistens bekommen wir die Stadt der Zukunft aber als nebensächliche Rahmenbedingung einer Dystopie oder eines postapokalyptischen Szenarios mit – so wie in 1984 oder Mad Max.

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Dabei gibt es auch viele Geschichten, in denen die futuristischen Städte wie eigene Charaktere funktionieren. In Valerian – die Stadt der tausend Planeten (ab 20.7. im Kino) erkunden wir an der Seite der beiden Helden, Valerian und Laureline, die Mega-Metropole Alpha mit 17 Millionen Einwohnern intergalaktischer Herkunft. Der Begriff "Melting Pot" bekommt hier eine ganz neue Bedeutung. Die Stadt wird zu einer bunten, verdammt verrückten, cineastischen Wunderwelt, die – wie der Titel des Films schon verrät – auch selbst eine wichtige Rolle spielt.

Ein Arbeiteraufstand in einer riesigen Massenszene, ein erstes Augenzwinkern in Richtung Künstlicher Intelligenz und mysteriöse okkulte Symbolik sind nur ein paar der später Genre-definierenden Momente.

Valerian erzählt aber nur eine von vielen Geschichten, die vor dem Hintergrund einer futuristischen Stadt spielen. Wir haben Bücher, Comics und Filme durchforstet, in denen Städte ebenfalls eine besondere Stellung einnehmen – oder sich einfach sofort in dein Gedächtnis einbrennen – und dabei die schrägsten Städte, urbanen Räume und deren Repräsentationen aus Pop- und Weltkultur zusammengetragen.

Metropolis (1927)

Eine Erwähnung des Films von Fritz Lang liegt auf der Hand – besonders, um gleich vorweg die härtesten Filmgeschichte-Nerds zu beruhigen. Metropolis spielt im Jahr 2026, wo Art Deco auf eine Neuinterpretation von Bruegels Turmbau zu Babel trifft. Die Stadt ist eine stoische, tote Welt aus gigantischen Turm- und Brückenkonstruktionen. Flugzeuge umschwirren die Highways und die unmöglich verdrehte, gestapelte Plattenbau-Architektur. Metropolis wird erhellt von einem riesigen, künstlichen Lichtermeer à la Las Vegas, das durch Maschinen tief unterhalb der Türme der Reichen und ihren „ewigen Gärten" von der Arbeiterklasse betrieben werden. So saugt die Stadt seinen Wohlstand aus der wortwörtlichen Unterschicht, wie ein Baum das Leben aus seinen Wurzeln.

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Metropolis zeigt eine Zukunft, in der Magie und Technologie nebeneinander existieren. Und es ist eine ziemlich gruselige Zukunft.

So wie der Turm zu Babel im Alten Testament ist auch Metropoli s eine Stadt, die vom Größenwahn ihres Herrschers gezeichnet ist. Auch die Dimensionen der damaligen Vorstellungskraft, was eine Stadt und was ein Film überhaupt sein können, wurden gesprengt. Ein Arbeiteraufstand in einer riesigen Massenszene, ein erstes Augenzwinkern in Richtung Künstlicher Intelligenz und mysteriöse okkulte Symbolik sind nur ein paar der später Genre-definierenden Momente, die sich in Metropolis finden. Die Roboterfrau Hel und der "Neue Turm Babel" inspirieren noch heute viele Autoren und Filmemacher im Sci-Fi-Genre. Metropolis zeigt eine Zukunft, in der Magie und Technologie nebeneinander existieren. Und es ist eine ziemlich gruselige Zukunft.

Paris im 20. Jahrhundert (1863)

Unglaublich, was Jules Verne, der alte literarische Hellseher, sich vor 150 Jahren über ein Paris im Jahr 1960 alles ausgedacht hat: Er beschreibt Vehikel mit Verbrennungsmotoren, Tankstellen und öffentliche Verkehrsmittel. Aber auch Faxmaschinen – "Bildtelegraphen" wäre Jules Vernes' an sich sogar passendere Bezeichnung gewesen –, Computernetzwerke, Elektro-Musik und Massenvernichtungswaffen kommen in seiner fiktiven französischen Hauptstadt der Zukunft vor, während Hochhäuser und strahlende Beleuchtungsanlagen das Stadtbild dominieren.

Krieg und Nachrichten sind obsolet. Man mampft synthetisches Essen, das aus Kohle hergestellt wird, und streunt durch Buchläden, die nur noch technologische Publikationen führen.

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Das Buch handelt von einem Poeten in einer Gesellschaft, in der Kunst mit Versagen gleichgesetzt wird und ausschließlich Technologie von Wert ist. Krieg und Nachrichten sind obsolet. Man mampft synthetisches Essen, das aus Kohle hergestellt wird, und streunt durch Buchläden, die nur noch technologische Publikationen führen. Verne gibt uns einen beunruhigenden Blick in die Zukunft, die von urbaner Leblosigkeit und Kulturpessimismus gezeichnet ist. Das Manuskript wurde erst 1989 gefunden und fünf Jahre später offiziell veröffentlicht – also gerade noch, bevor der Vorhang für das 20. Jahrhundert gefallen ist.

Blade Runner (1982)

Los Angeles in der alternativen Zukunft von

Blade Runner

hat zwar auch keinen sehr positiven utopischen Charme, dafür ist sie um einiges lebendiger als die bisher erwähnten Beispiele. Die schwebenden Kamerafahrten vorbei an dunklen Betonkolossen und hunderte-Meter-breiten Werbeanzeigen hinterlassen auch schon beim ersten Mal einen bleibenden Eindruck. Nicht viele Städte haben das so eindrucksvoll geschafft wie das futuristische Los Angeles von Ridley Scott. Die Metropole zeigt sich im Jahr 2019 in einem kulturellen Mischmasch, der sich in Unmengen an Details ausdrückt: Südamerikanisch-asiatische Essenstände, Bewohner in Plastikkleidung und Sprachen von ethnisch unspezifischer Herkunft. Die Arbeitsplätze und Wohnanlagen sind dabei eine genauso wirre Stilmischung aus Future-Tech, altmodischer Baustile und Neon wie die öffentliche Straße.

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Blade Runner endet mit einer existenzialistischen, humanistischen Rede, die die moralische Frage nach der Daseinsberichtigung von Künstlichem Leben ebenso genial kommentiert wie das Stadt-Design selbst. Nur eine von Harrison Fords hochgelobten Kult-Rollen.

The Jetsons (1962)

Die Zeichentrick-Familie der Jetsons wurde eigentlich als futuristisches Pendant zu Fred Feuerstein erschaffen. Ihre Heimatstadt "Orbit City" ist im Googie-Stil gehalten, einem Architektur-Trend aus den USA der 1940er-Jahre, der stark vom Autokult und später der Space-Age-Jahre beeinflusst ist. Dieser Stil ist meist von futuristisch gewölbten Dächern und schrägen Kanten, sowie Neon, Glas und Stahl gezeichnet. An der Westküste der USA findet man noch einige Coffeeshops, Diners und Motels in diesem Baustil.

Hauptsache, ein Ding sieht lustig aus, wenn es "Fiep" macht und davonfliegt.

Im Jahre 2062, hoch oben in aufeinander gestapelten Googie-Gebäuden, leben die Jetsons in ihrem Skypad. Die Technik und das Stadtbild richtet sich rein nach dem animierbaren Unterhaltungswert – die Serie hatte sogar eingespielte Lacher wie eine Sitcom. Der Realismus eines Raumschiff- oder Fernseher-Designs war den Zeichnern natürlich scheißegal. Hauptsache, ein Ding sieht lustig aus, wenn es "Fiep" macht und davonfliegt. Die Physik und Logik der Laufbänder, die in jede Ecke dieser Stadt und Räume führen, müssen wir also nicht genauer hinterfragen.

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Playtime (1967)

Zurück nach Paris, in eine High-Tech-Version von Regisseur Jacques Tati, platziert in einem unbekannten Jahr der Zukunft. Die Stadt selbst ist hier zugleich als komödiantischer Gegenspieler für die Protagonisten und Kommentar zur Modernisierung zu verstehen. Der Film und somit auch die Stadt sind in Grautönen gehalten, die sich in schwarzen und grau-weißen Flächen auflösen. Tatis Paris besteht aus Glasbauten und Stahlmonumenten voller kalter, unpraktischer Einrichtung. Der Mensch hat hier eigentlich nichts mehr zu suchen.

Technologischer Fortschritt wird als anti-human, steril und unsympathisch dargestellt, vor allem, wenn er notwendiges Übel ist.

M. Hulot und eine Gruppe von amerikanischen Touristen kämpfen sich durch verschiedene Punkte der Stadt, vorbei an vielspurigem Straßenwahnsinn und Raumarchitektur voll mit gnadenlos geraden Linien. Technologischer Fortschritt wird als anti-human, steril und unsympathisch dargestellt, vor allem, wenn er notwendiges Übel ist.

Transmetropolitan (1997)

Foto via Vertigo Comics

In dieser Comic-Reihe von Warren Ellis wird die Stadt einfach nur "The City" genannt und spielt im nicht genauer definierten 23. Jahrhundert. Es handelt sich optisch um eine überstilisierte Version von New York, vor allem in Bezug auf das multikulturelle, urbane Chaos. In ihr regieren politische Korruption, Gewalt auf den Straßen und abstrakte Bürgerrechtsbewegungen. Teil von alldem sind auch außerirdische Volksgruppen. Die Straße ist voll von Freaks mit Piercings, Mutationen und Symbolen einer fiktiven Popkultur – sicher auch einfach ein Faible des Zeichners Darick Robertson. Ein homogenes Aussehen der Bewohner findet man höchstens bei autokratischen Anzugträgern oder rechtsextremen Wahlveranstaltungen.

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Der Journalist Spider Jerusalem (der unübersehbar auf dem Gonzo-Journalisten Hunter S. Thompson und dessen berühmtesten Geschichten basiert) ist aus finanziellen und vertraglichen Gründen gezwungen, in die City, die er hasst, zurückzukehren. Er ist drogenabhängig und verrückt, aber weiß trotz seiner Abneigung, wie man perfekt durch diese Stadt und ihre Bewohner navigiert. Durch seine Figur lernen wir alle Viertel, die wahren Gesichter der bunten Bewohner und deren soziologischen Dynamiken aufs Genaueste kennen.

Die Straße ist voll von Freaks mit Piercings, Mutationen und Symbolen einer fiktiven Popkultur.

Technologie ist in dieser skurrilen Stadt omnipräsent, teils auch in den Körpern der Bevölkerung verbaut. Drogen und Pharmaka wurden perfektioniert und sind in rauen Mengen verfügbar. Werbung wird im Schlaf eingespielt und Trans-Alien-Demonstrationen von rigoroser Polizeigewalt niedergeschlagen. Ellis' Comic-Reihe und ihre Stadt sind nicht nur ein politischer Kommentar auf Zukunftsszenarien, sondern auch auf Polizeistaaten – vor allem, wenn Spider Aussagen trifft wie: "That's what I hate most about this city – lies are news and the truth is obsolete!"

Die Welt in 100 Jahren (1910)

1910 entstand dieses Buch mit mehreren Artikeln zu Gesellschaft, Politik, Krieg und Strukturen. Es sind Vorhersagen und wissenschaftliche Einschätzungen, die sich teils so absurd anhören, wie sie interessant sind. So dachte man etwa, dass Lehrer mittels telepathischen Fähigkeiten unterrichten oder auch, dass Big Ben spätestens 2010 von Lasern zerstört wird. Überhaupt spielen Radiumstrahlen, also Laser, eine große Rolle – nicht nur in der Kriegsführung. Mit der vorhergesagten Urbanisierung und Landflucht liegt der Sammelband wiederum doch ziemlich richtig, wahrscheinlich weil diese Tendenz damals schon spürbar war.

Ein Mensch, der 100 Jahre in einer Schlafkammer überwintert und pneumatischen Röhren, die über die ganze Erdkugel führen – wie in Futurama.

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Dr. Mag. Burckhard mutmaßt in seiner Kurzgeschichte Das Theater in 100 Jahren, dass es 2008 nur noch einen einzigen, großen Stadtstaat auf der ganzen Welt geben wird, der die anderen "alle aufgefressen" hat. Dieser wird nicht England oder Deutschland, sondern Monaco sein, weil die damals einfach am meisten Geld hatten. Ein Freiwilliger überwintert 100 Jahre in einer Art Schlafkammer in St. Gilgen – ähnlich wie Philip Fry in Futurama – und wacht dann in der Zeit des "Weltstadtstaats" auf. Der schöne St. Gilgener See ist aber natürlich noch da. Theaterstücke sind nun nur noch gigantisch-projizierte Hologramme – manchmal sogar direkt aus dem Burgtheater übertragen. Die Stadt St. Gilgen ist durchzogen von pneumatischen Röhren, die das Hauptfortbewegungsmittel sind und über die ganze Erdkugel führen. Auch dieses futuristische Szenario wird dem einen oder anderen Futurama-Fan bekannt vorkommen.

Übrigens sollte laut Bertha von Suttners Beitrag in dem Buch der absolute globale Völkerfrieden bereits eingetreten sein. Jetzt aber schnell.

Ghost In The Shell (1989)

Obwohl man wahrscheinlich eher mit dem Anime-Film vertraut ist, begann Ghost in the Shell als ein Manga. Nicht unähnlich zu dem Los Angeles in Blade Runner weist auch das fiktive New Port City – oder auch "Niihama" – unglaublichen Detailreichtum in seiner visuellen Darstellung auf. Auch hier regieren gigantische, animierte Werbeschilder und unpersönliche Hochhäuser das Stadtbild. Millionen Bewohner pulsieren durch abbruchreife Industriegebiete und Ghetto-Viertel, in denen sich Elektro-Müll auftürmt. Die Stadt scheint auf den ersten Blick gar nicht so futuristisch fremd und kontrastiert somit umso mehr die Hypermodernität der Militärlabore und Regierungseinrichtungen. Wir begegnen organisch-anmutenden Maschinen mit pulsierenden Mikrochips, blutender Hydraulik und tausenden Kabeln und Schläuchen wie Nervensystemen.

Technologie und Menschlichkeit fusionieren in diesem Film, was teilweise urbane Horrorszenarien erschafft, aber auch die fantastisch-utopische Idee der Singularität.

Mitte des 21. Jahrhunderts entwickelt sich eine Künstliche Intelligenz über das Internet und greift verschiedene, verfeindete Sektoren des enormen asiatischen Stadtstaats an. Eine Polizeieinheit und ihr Chief, die einen Roboterkörper hat, stellen sich bei ihren Ermittlungen ebenso "normalen" Müllmännern in japanischen Hinterhöfen wie auch High Tech-"Panzerspinnen" in abgelegenen Betonruinen. Technologie und Menschlichkeit fusionieren in diesem Film, was teilweise urbane Horrorszenarien erschafft, aber auch die fantastisch-utopische Idee der Singularität. Vielleicht können wir auch bald mit bloßen Gedanken den Fernseher einschalten. Bitte!

Waterworld (1995)