Wie das kleine HNK Rijeka die korrupte Herrschaft von Dinamo Zagreb beendete
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Wie das kleine HNK Rijeka die korrupte Herrschaft von Dinamo Zagreb beendete

Rijeka gewann erstmals die kroatische Meisterschaft – und setzte sich gegen Serienmeister Dinamo, ihren mafiösen Despoten Mamic und gekaufte Schiedsrichter durch. Wie? Durch ein nachhaltiges Konzept und Tricks auf dem Transfermarkt.

Es ist ein historischer Titelgewinn. Am Sonntag hat sich HNK Rijeka durch ein 4:0 gegen Cibalia Vinkovci zum ersten Mal in seiner Geschichte zum kroatischen Fußballmeister gekrönt. Damit wurde die elfjährige (!) Siegesserie Dinamo Zagrebs beendet. Drei Jahre lang hat die Mannschaft aus der nordadriatischen Hafenstadt bereits an der Meisterschaft geschnuppert, drei Mal ging der Pokal doch in die Hauptstadt. In dieser Saison konnten aber auch die noch so zweifelhaftesten Schiedsrichterentscheidungen zu Gunsten Dinamos den Siegeszug Rijekas nicht stoppen. Erst am 32. Spieltag der "Prva Liga" mussten die Himmelblauen ihre erste und einzige Saisonniederlage hinnehmen.

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Wer eine solche Konstanz an den Tag legt, der muss sich auch vor der im kroatischen Fußball grassierenden Korruption nicht fürchten. Denn so ist es nun einmal in Kroatien: Im Zweifelsfall gewinnt Dinamo Zagreb, der Serien- und Rekordmeister, der seit Jahren vom Despoten Zdravko Mamic kontrolliert wird.

Dinamos Spieler stehen Spalier, wenn Mamic auftaucht; Foto: Imago

Machtmensch Mamic, der seinen Weg zum Paten des kroatischen Fußball als Mitglied Dinamos berüchtigter Ultras-Gruppierung Bad Blue Boys begann, beleidigt und droht nicht nur Journalisten, die kritisch oder auch nur zweifelnd gegen ihn als Person und Dinamo als seinen Verein berichten; er besticht auch Schiedsrichter, Funktionäre und macht junge Jugendspieler zu seinen Leibeigenen. Derzeit wird ein Mammutprozess gegen ihn und seinen Bruder, dem ehemaligen Bundesliga-Profi Zoran, vorbereitet, der aufgrund der befürchteten Einflussnahme Mamics ins ostkroatischen Osijek verlegt wurde. Real-Madrid-Ass Luka Modric ist als Zeuge geladen und wird über seine Beziehung zu Mamic und dem obskuren Vertragsgeflecht aussagen müssen, das ihn zu lebenslangen Zahlungen ihm gegenüber verpflichtet.

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Der mafiöse Riese behindert die Wettbewerbsfähigkeit der Liga, spornte jedoch auch die Konkurrenz aus Rijeka an, einen Weg zu finden, um den 18-fachen Titelträger doch zu überflügeln. Wo Dinamo in den vergangenen Jahren mit spektakulären Transfers, etwa Mario Mandzukic, Mateo Kovacic und Marko Pjaca, Millionen machte, diese aber über dubiose Wege nicht vollends im Verein landeten, legten sie in der 150 Kilometer entfernten Hafenstadt Rijeka ein Konzept zusammen, das konträr zu dem der Hauptstädter war. Man setzte auf gescheiterte Talente statt auf Altstars, auf einen nachhaltigen Ausbau der Infrastruktur statt das Stadion und die Trainingsplätze verfallen zu lassen und vor allem entschied man sich für einen erfahrenen und motivierten Investor. Gabriele Volpi heißt der italienische Geschäftsmann und Besitzer des italienischen Zweitligisten Spezia Calcio, der 2012 für kolportierte sieben Millionen Euro 70 Prozent der Anteile Rijekas kaufte und gemeinsam mit Präsident Damir Miskovic den Verein auf zwei gesunde Beine stellte.

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Vor allem bei den beiden Großclubs Dinamo und Hajduk Split in Ungnade gefallene, aber über die Maße talentierte Jungspieler zu verpflichten, ihnen Verantwortung und Vertrauen zu geben und sie so zu Leistungsträgern zu machen, wurde als Schlüssel zum Erfolg definiert. Bei einem ist dieser Reißbrettplan voll aufgegangen: Andrej Kramaric kam 2013 für knapp 1,2 Millionen Euro von Dinamo an die Kvarner Bucht und schlug ein wie eine Bombe: 55 Tore in 64 Spielen, darunter ein Hattrick gegen das völlig verduzte Feyernoord Rotterdam in der Europa-League 2014. Im Jahr darauf verkaufte Rijeka ihn für die Rekordablöse von acht Millionen Euro zu Leicester City, über die er zur TSG Hoffenheim kam, wo er spätestens seit der vergangenen Saison mit 23 Torbeteiligungen nicht mehr weg zu denken ist.

Kramaric nimmt Feyenoord auseinander; Foto: Imago

Ein anderes dieser gescheiterten Versprechen, das in Rijeka sein Glück fand und seit Wochen im Fokus steht, ist Franko Andrijasevic. Der schmächtige Mittelfeldstratege, der mit 15 Toren erfolgreichster Schütze der Himmelblauen ist, startete 2009 mit 18 Jahren seine Karriere bei Hajduk Split, konnte jedoch die in ihn gelegten Erwartungen, der neue Robert Jarni zu werden, nicht erfüllen. Man schob ihn zum Erzrivalen Dinamo ab, die jedoch ebenfalls schnell die Lust am oftmals verkopft agierenden Talent verlor. Nun feiert er in seinem ersten Jahr an der Kvarner Bucht die Meisterschaft.

Der Kader von Rijeka hat gerade einmal einen Marktwert von 25 Millionen, für Stars ist da kein Platz. Dennoch lässt sich ein Spieler ganz besonders herausgreifen: Mario Gavranovic, der von 2010 bis 2012 auf Schalke spielte, sich dort jedoch nicht gegen Raúl und Huntelaar durchsetzen konnte, bringt insbesondere seine internationale Erfahrung in die Mannschaft Rijekas ein. Der Schweizer Nationalspieler und Sohn kroatischer Eltern kennt als einziger Spieler den Druck, vor 60.000 Zuschauern in der Champions aufzulaufen. Ein Merkmal, das ihn mit seinen 27 Jahren bereits zum Sprachrohr, aber auch Ruhepol der Mannschaft macht. Wer im ausverkauften Mestalla von Valencia klaren Kopf bewahrt, dem schlottern auch vor den feurigen Fans aus Split oder Zagreb nicht die Knie.

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Franko Andrijasevic fand in Rijeka endlich sein Glück (Foto: imago/pixsell)

Franko Andrijasevic fand in Rijeka endlich sein Glück (Foto: imago/pixsell)

Es ist der Verdienst Matjaz Keks, dass aus dieser Truppe gebrochener Charaktere eine Mannschaft mit absolutem Siegeswillen werden konnte. Rechtsverteidiger Stefan Ristovski hielt in der kroatischen Tageszeitung Jutarnji List kürzlich eine flammende Lobeshymne auf den slowenischen Coach: "Ich habe unter Roberto Donadoni trainiert, aber an einen Trainer wie Kek kommt man nicht so schnell ran. Er gibt dir das Gefühl, dass es ihm nichts ausmacht, ob du ein Niemand oder Cristiano Ronaldo bist. Er kümmert sich um alle Spieler und gibt nie auf."


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Kek sieht seine Arbeit – ebenso wenig wie Anteilseigner Volpi und Präsident Miskovic, für getan an. Durch den ersten Platz in der Liga startet Rijeka im Sommer in die Champions-League-Qualifikation. Umso ärgerlicher, dass dem Club seine traditionelle Spielstätte, das atemberaubende Stadion Kantrida, nicht mehr zur Verfügung steht. Das wohl spektakulärste Stadion des Balkans ist nicht nur von einer 50 Meter hohen Felswand umgeben, sondern bietet seinen Besuchern auch noch einen wundervollen Meerblick. Seine Lage war jahrelang der Hauptgrund, der einen Umbau unmöglich machte. Doch Geldgeber Volpi initiierte einen Stadionneubau, der nicht nur das einmalige Flair bewahren, sondern das "Nova Kantrida" auch zum modernsten Fußballtempels Kroatiens machen soll. Auch aus diesem Grund feierten Spieler und Fans die Meisterschaft im erst vergangenen Jahr eröffneten Ausweichstadion Rujevica, dem Herzstück des neu entstehenden Trainingszentrums "Kamp Rijeka".

So ist es durchaus realistisch, dass in wenigen Monaten Liverpool, Sevilla oder Neapel vor 7.000 Zuschauern um das Erreichen der Champions-League-Gruppenphase kämpfen werden. Dabei will Rijeka nicht zum Glückslos verkommen und plant bereits eifrig den neuen Kader. Dabei fallen nicht nur die Namen ehemaliger kroatischer Nationalspieler wie Nikica Jelavic und Niko Kranjcar, sondern auch Weltstar und Champions-League-Sieger Michael Essien soll bereits Gespräche mit dem Klub geführt haben.

Es wäre Rijeka zu wünschen, wenn sich der ein oder andere erfahrene Spieler für einen Wechsel nach Istrien entscheidet. Nicht nur, um auf europäischen Niveau konkurrenzfähig zu sein, sondern auch um national über die diesjährige Meisterschaft hinaus für Furore und Spannung zu sorgen. Zdravko Mamic hat zumindest schon hochkarätige Verstärkung für Dinamo Zagreb angekündigt – sofern er bis dahin nicht schon längst im Knast sitzt.