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"Das Wichtigste ist das Storytelling" – KnoR auf China-Tour und noch viel mehr

Im Gespräch mit Georg Bleikolm über Virtual Reality, Heimat und fremde Planeten.
Foto: Facebook

"Massendynamik", "Transparenz", "Grenzen"… Es sind grosse Worte, die fallen, während Georg Bleikolm aka

KnoR

über seine neue EP

Planet

spricht. Zwar mutet die Tracklist mit Namen wie "You're

Donald Trump

" schon politisch an, dahinter steckt aber noch einiges mehr: Auf der eigenen Website der EP –planetstaubsauger.ch – findet sich neben dem Bandcamp-Player auch ein Manifest. Es endet mit den Worten: "Der Ball liegt nun bei dir. Ich gehe staubsaugen. Scheiss auf die Wirtschaft." Und das hat er getan. Auf dem

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Paradeplatz

. Einen ganzen Tag. Als Zeichen der Ohnmacht.

Georg sitzt mir gegenüber und erzählt das alles, als wäre es selbstverständlich. Der Staubsauger komme halt dann in Betrieb, wenn etwas nicht in Ordnung ist. Nachher ist alles wieder gut. Oder eben nicht. Dabei war dieses Sinnbild für Instandhaltung nicht der eigentliche Grund, warum wir uns getroffen haben. Im Dezember war Georg mit seinem Kooperationspartner Mativa auf China-Tour. Sie stellte den Abschluss einer Reihe von Ereignissen dar: Eine Virtual-Reality-App, eine kleine Europa-Tour und eine A/V-Performance sind Teile dieser grossen Projektidee mit dem Namen "Don't Go". Um einen Überblick zu erhalten, klärt mich Georg auf:

Im Prozess seiner ersten EP KOBOI hat er mit Xaver Xylophon für den Track "It's Happening" ein Video produziert. Der Animationsfilm erzählt die Geschichte eines Cowboys, wirkt aufwändig gemacht und hat einiges an Aufmerksamkeit abgekriegt. Über 100.000 Plays auf Spotify zählt der Track inzwischen. Ein erster Erfolg, viel gutes Feedback, ein feiner Start. Geschichten wollte Georg auch weiterhin erzählen. Etwas breiter sollen sie aufgezogen werden, und transmedial funktionieren. Wieder war ein Song die Ausgangslage. Don't Go heissen das Lied, die EP und das Projekt, und wie im KnoR-Universum so üblich, haben sie alle auch eine eigene Website.

Von Beginn an ist das Projekt eine Kollaboration. Mativa ist ein A/V-Künstler, der mit seiner Show "The Purest Of All Sounds" Georg so sehr in den Bann gezogen hat, dass eine Zusammenarbeit nahe lag. Am Ende steht ein begehbarer, durch das Publikum beeinflussbarer, projizierter Raum, in dem KnoR live spielt, sowie eine Virtual-Reality-App, die, besitzt man denn ein iPhone und eine Google-Cardboard, für ziemlich viel Begeisterung zu sorgen scheint.

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Ich brauche zwischen all den Medien eine Kategorisierung und frage nach, als was er sich denn eigentlich bezeichnen würde: "Ich bin schon vor allem Musiker", so Georg, "aber arbeite sehr gerne auch mit anderen Medien. Das wichtigste ist und bleibt das Storytelling, ich will Geschichten erzählen." Und nicht einfach nur Geschichten: Auch bei Don't Go scheint die Affinität für Politik durch. Thematisch behandelt Georg den Nationalismus, Gefühle wie Heimat, Folgen wie Grenzen, und setzt dies in der Planung des ganzen Projektes zur Schau. So geht eine erste Tour durch Städte, die allesamt mit dem Thema der Grenze zu tun haben. Düdingen zum Beispiel, wo Sprachgrenzen im Niemandsland verlaufen, oder Berlin. Diese "Don't Go"-Live-Show nennt er "Borderline Syndrome" und erhofft sich damit, nicht nur in Clubs und den gängigen Lokalen zu spielen. Eine Museumstour aber bleibt trotz Anfragen aus: Die Grenzen der Kultur bleiben somit vorerst verschlossen.

Vom Song, zur App, zur A/V-Performance, zur Live-Show: China rundet das Spektakel ab. Mit einem Set-Up, aber einigem an Flexibilität, was die Umsetzung angeht, reisen Georg und Mativa im Dezember 2016 durch das riesige Land und bespielen vor allem Clubs.

Warum er sich für Asien entschieden hat, frag ich ihn. "China hat mich schon immer fasziniert. Ein Fünftel der Weltbevölkerung lebt da, und trotzdem bleibt es uns eher verschlossen – das Bild von China ist vor allem eines im Kopf." Und weiter: "Grundsätzlich war es aber ein Zufall. Nach unserem Konzert in der Gessnerallee bei Friction haben wir die Dokumentation in unserem Newsletter verschickt. Michael Vonplon von Miro China (China Drifting) ist darauf gestossen und kam so mit uns ins Gespräch." Gerade sei Indiependent-Musik eine grösser werdende Nische in China und natürlich sei das Land ein potentieller Markt, meint Bleikolm, und fügt an, dass er da im Falle einer Wiederholung auf jeden Fall noch einen draufsetzen könnte: "Sicher fördernd wäre, ein Produkt mit Leuten vor Ort zu gestalten. So gibt es einen grösseren Zusammenhang und nicht nur den Schweizer Musiker, der für eine Tour nach China kommt. "Trotzdem hat es den Beiden oft nicht an Publikum gemangelt – circa 100 Personen pro Konzert. So richtig in Kontakt mit der Bevölkerung gekommen sind sie aber trotzdem nicht. Sie hatten ihre Promoter vor Ort, waren stets gut aufgehoben, meist wurde Englisch gesprochen, die wichtigsten Nummern waren notiert und mit WeChat wurde der Weg am Tag zuvor jeweils vorerkundet. Dies sei gerade dort eher dankbar, China sei ein sehr organisiertes Land. Zwar sehe jeder zweite Bahnhof aus wie ein Schweizer Flughafen, Kontrollen und Schleusen inklusive, dafür fahren aber auch die Züge sehr pünktlich und die Reisen waren so ohne grosse Turbulenzen zu bewältigen. Gestartet sind KnoR und Mativa mit einer längeren gemeinsamen Geschichte. Zum "Borderline Syndrome"-Set hat KnoR noch ein Techno-Set und Mativa eine weitere Performance mit im Gepäck. Es sei viel passiert in der Zeit. Der Zugang sei improvisierender, technisch flinker und auch bei Gesang und Live-Show habe sich über die Wochen was getan.

Als Zusammenfassung über die 18 Tage und 10 Konzerte hat Georg den experimentellen Dokumentarfilm mit Namen SUPERSYMMETRY – der Name ist Programm – zusammengeschnitten. Die Bilder erzählen von einem Gefühl, das während der ganzen Tour da war. Alles habe so vertraut gewirkt, eine Stadt führe zur nächsten, der Strom dieser riesigen Maschine höre nie auf zu fliessen. "Und dabei fragst du dich immer wieder: Passiert das gerade? Ist das die Zukunft? Oder nur ein anderer Planet?" Das ursprüngliche Ziel, Interviews zu machen, sei zwar wegen fehlender Zeit und anstrengendem Touring nicht mehr realisierbar gewesen, dafür erkennt man KnoRs Talent, Geschichten zu erzählen, auch in der Sequenz und mit Leonard Cohens Stimme wieder. "Avalanche" heisst der Cohen-Song und wurde von KnoR mit feinen Beats und Stimmungen ergänzt, beziehungsweise geremixt. Seht und hört selbst:

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