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außer spesen nix gewesen

Ein teures Missverständnis namens Rajon Rondo

Indem die Mavericks Rajon Rondo holten, haben sie hoch gepokert—und am Ende alles verloren. Die Quittung haben sie letzte Nacht beim Erstrundenaus in den Playoffs bekommen.
Photo by Jerome Miron-USA TODAY Sports

Starrsinn und Willensstärke sind zwei Seiten derselben Medaille. Der Unterschied liegt im Ergebnis. Ziehst du deine Sache durch und fällst dabei auf die Schnauze, bist du ein unverbesserlicher Dummfick. Bleibst du dir treu und bist erfolgreich, wirst du für deine Standhaftigkeit gefeiert.

Was das Jahr 2015 betrifft (und manch einer wird sagen, schon lange vorher), steht Rajon Rondo—NBA-Champion, wegweisender Point Guard und Aufwiegler gegen jede Form von Autorität—zweifelsohne für die erste Lesart. Rondo ist von Hause aus ein eigensinniger Spieler, der erbittert an seinen Basketballidealen festhält. Er ist—und das ist ganz ohne Ironie gemeint—ein außergewöhnlich helles Köpfchen sowie ein echter Vorzeigeathlet. Für eine ganze Weile wurde er genau wegen dieser Attribute als Superstar gefeiert. Doch mittlerweile machen ihn einige dieser Eigenschaften zu einem der größten Schurken in der NBA.

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Seit er für die Dallas Mavericks spielt, hat Rondo den Selbstzerstörungsmodus eingeschaltet. Startschuss war das Wortgefecht mit Rick Carlisle schon kurz nach seiner Verpflichtung, während der absolute Tiefpunkt dann mit seiner „Leistung" im zweiten Playoff-Duell gegen die Houston Rockets erreicht war. Dazu jetzt noch die angebliche Rückenverletzung und man kann sich sicher sein, dass wir Rondo nie wieder im Mavs-Dress spielen sehen werden.

Wenn Rondo diesen Sommer die schon vorprogrammierten—und wahnwitzigen—Angebote vonseiten der Lakers, Knicks und Co. in Erwägung zieht, wird die Entscheidung der Mavericks, auf seine Dienste gesetzt zu haben, noch immer für reichlich Gesprächsstoff sorgen. Denn ein bis dato sehr gut aufspielendes Team mit einer herrlich geölten Offensivmaschinerie hat sich selbst ins Bein geschossen, nur weil man dachte, mit Rondo die Patentlösung für seine chronisch wacklige Defense gefunden zu haben. Die letzten Splitter aus dieser katastrophalen Fehleinschätzung wird man sich in Dallas noch lange nach Saisonende aus dem eigenen Fleisch ziehen müssen.

Dallas' All-in-Move mit Rondo hat leider ganz und gar nicht funktioniert, letzte Nacht ist man ohne ihn gegen die Houston Rockets ausgeschieden. Dabei war seine Verpflichtung an sich keine allzu dumme Idee. Wäre da nicht sein furchtbarer Dickkopf.

Es ist gar nicht so schwer, Fotos von Rondo zu finden, auf denen er unglücklich aussieht. Foto: Jerome Miron—USA TODAY Sports

Rondo ist voll von Widersprüchen. Abseits des Feldes steht er für den klassischen introvertierten Einzelgänger in einem Meer aus geselligen Persönlichkeiten. Doch sein Spiel selbst ist komplett nach außen gerichtet. Was Rondo am besten kann, ist passen und seine Mitspieler in gute Wurfpositionen bringen. Gleichzeitig scheint ihm sein selbstloses Auftreten irgendwie null Freude zu bereiten. Er lässt seine Teamkameraden am Spielgeschehen teilhaben, wenn er es für richtig hält. Letztere haben in der Angelegenheit nichts zu sagen. Erst wenn sich Rondo vom Ball trennen will, dürfen sie versuchen, einen Wurf zu nehmen.

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Darum hat Rondo auch einen Teil der Schmährufe dafür, wie sich die Dinge in den letzten Monaten in Dallas entwickelt haben, mehr als verdient. Er war es, der einem (scheinbar) gefestigten Team in die Suppe gespuckt hat, indem er eine gut ausgelotete Raumaufteilung der Mavericks durcheinanderbrachte, schlechte Abwehrleistungen zeigte, wiederholt Monta Ellis erzürnte und sich immer wieder mit seinem Trainer anlegte. Er muss sich den Vorwurf anhören, die Teamchemie der Mavs auf dem Gewissen zu haben. Er nahm der Mannschaft Schwung und Elan, als er für Brandan Wright ins Team kam. Er ist derjenige, der die Offense zu kontrollieren versuchte, indem er den Ball hielt und hielt und hielt und … All diese Vorwürfe muss sich Rondo gefallen lassen, ob er will oder nicht.

Doch die Entscheidung, Rondo nach Dallas zu lotsen, wurde am Ende auch—und vor allem—von den Mavericks getroffen, auch wenn sie bisweilen als Opfer des eigenwilligen Starspielers dargestellt werden. Der Rondo-Trade war von Anfang an ein Risiko, auch wenn bestimmte Argumente durchaus für ihn sprachen. Die Logik ging wie folgt: Die Mavericks konnten in den Playoffs nicht mit den anderen Teams aus der Western Conference mithalten, weil sie keinen Spieler in den eigenen Reihen hatten, der die andere Mannschaft effektiv vom Korberfolg abhalten konnte. Und auch wenn klar war, dass er ihre Offense verlangsamen würde, sollte das dadurch mehr als wettgemacht werden, dass er ihre Verteidigung—und damit auch das gesamte Spiel—erheblich stabilisieren würde.

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Doch dieses wohlklingende Szenario war von einem wichtigen Umstand abhängig: dass sich Rondo an das Spiel seines neuen Arbeitgebers anpassen würde. Schon in Boston hatte er zuletzt seine Schwierigkeiten und konnte nach all den Verletzungen nicht mehr an alte Zeiten anknüpfen. Doch die Mavs malten sich bei seiner Verpflichtung nicht nur aus, dass er bei ihnen einen neuen Karrierehöhepunkt erreichen könnte, sondern—wie naiv kann man eigentlich sein??—dass er sich für sie auch verändern würde.

Rondo bei seinem absoluten Lieblingshobby: dribbeln, dribbeln, dribbeln. Foto: Troy Taormina—USA TODAY Sports

Dabei war das Team durchaus bereit, ihm bei der Anpassung zu helfen und ihn bei der Umstellung an ein neues Spielsystem so gut es geht zu unterstützen. Doch das Vorhaben scheiterte leider daran, dass Rondo ein verdammt dickköpfiges Kerlchen ist. Was nun eigentlich keine Neuigkeit ist, sich wohl aber noch nie als so schädlich wie in Dallas erwiesen hat.

Als Rondo noch der war, der der Liga das Fürchten lehrte, war er an Willensstärke nicht zu übertreffen. Sogar der letzte Anfänger in der Halle wusste, was Rondo tun und was er nicht tun würde, und dass man darauf keinerlei Einfluss nehmen könnte. Genau diese Tatsache machte ihn zu so einem fesselnden Spieler. Er würde solange mit dem Ball dribbeln, bis der perfekte Passwinkel gefunden war, der ganz ohne Zweifel gefunden werden würde, schließlich war ja Rondo am Ball. Irgendwann war dann das lange Warten für seine Mitspieler vorbei—und ja, in den allermeisten Fällen hat es sich auch tatsächlich gelohnt. Rondo konnte mit seinem eisenharten Willen die Verteidigung eines jeden Gegners knacken. Vor allem dann, wenn es in die Playoffs ging und er seinem Spiel den Extraschuss Durchsetzungsvermögen verpasst hat.

Rondo agiert noch immer so wie früher. Mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass es irgendwie nicht mehr so richtig klappen will. Schuld daran sind unter anderem sein Körper, der einfach nicht mehr will, wie Rondo es gerne hätte, und das System der Mavericks. Doch der wahre Grund für den Absturz Rondos ist in seinem Charakter zu suchen. Die Mavericks haben darauf gesetzt, dass Rondo ein bisschen weniger wie er selbst wäre und eine größere Kompromissbereitschaft als noch in der Vergangenheit an den Tag legen würde. Diese Wette ging nach hinten los, hat ihnen die Saison versaut und auch Rondo nichts als Schaden eingebracht.

Bleibt die Frage, wo Rajon Rondo nächste Saison landen wird. Es besteht eigentlich kein Zweifel darüber, dass am Ende ein mutiges und/oder verzweifeltes Team eine Menge Schotter auf den Tisch legen wird, um sich die Dienste des spielstarken Enfant terrible zu sichern. Doch genauso wenig Zweifel besteht darüber, dass auch dort wieder—Rondos Dickschädel sei dank—Spiele unnötig verloren gehen und große Hoffnungen begraben werden müssen.