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Drogen

Wieso haben wir in der Schweiz das Kiffen noch immer nicht legalisiert?

"Ich finde die aktuelle Situation in der Schweiz angenehm, ich weiss nicht, ob ich für eine Legalisierung stimmen würde."
Foto: Dank Depot | Flickr | CC BY 2.0

Die Schweiz ist eine Nation von Kiffern: Über eine halbe Million Menschen rauchen oder schlucken hierzulande mehr oder weniger regelmässig Cannabis. Am beliebtesten ist die Droge bei Teenagern. Wie eine internationale Schülerbefragung zeigt, die die NZZ am Sonntag 2016 publizierte, haben in keinem anderen Land so viele 15-jährige Jungs Kiffer-Erfahrungen gesammelt wie in der Schweiz. Die Beliebtheit der grünen Blüte erklärt sich Suchtexperte Alexander Bücheli gegenüber VICE mit ihrer Wirkung, der einfachen Handhabung und dem sozialen Effekt: "Cannabis beruhigt, stillt Schmerzen und wirkt je nach Sorte dissoziativ und leicht halluzinogen. Zudem ist das Risiko bekannt, die Wirkung zeitlich limitiert und der Konsum gut in den Alltag integrierbar."

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Doch wie kommt es, dass Cannabis trotz dieser Gras-Begeisterung noch nicht erlaubt ist? Und könnte das Kiff-Verbot bald fallen? In den 90ern sah es so aus, als stünde die Legalisierung kurz bevor. In der ganzen Schweiz florierten "Hanflädeli", in denen man dank einer Gesetzeslücke und der Toleranz der Polizei "Duftsäckli" mit Cannabis kaufen konnte. Doch gegen Ende des Millenniums änderte sich das liberale Klima. Die Gesetzeslücke wurde geschlossen und Anklagen gegen Shop-Inhaber erhoben, so dass nach und nach alle Läden schlossen oder nur Tabakwaren und Hanf-Pflanzen verkauften. 2011 wurde auch der Verkauf der Setzlinge verboten. Werner von "Werners Headshop" in Zürich, der die Duftsäckchen erfand, erinnert sich zurück: "Mit der ersten Verurteilung eines Hanfladenbesitzers im Jahr 2000 kam der Anfang vom vorläufigen Ende", sagt er gegenüber dem Newsportal Watson.

Grössere ausserparlamentarische Bestrebungen, Cannabis zu legalisieren gab es bisher zwei: In den Jahren 1998 und 2008 wurden Volksinitiativen aufgegleist. Die erste forderte die Entkriminalisierung aller Drogen und die zweite nur die Legalisierung von Cannabis. Doch beide Vorschläge wurden von den Stimmbürgern mit über 70 Prozent Nein-Stimmen deutlich abgelehnt. Nino Forrer vom Vereins Legalize it! sieht gegenüber VICE folgende Gründe dafür, dass es so kam: "In erster Linie war es die ideologische Debatte, die leider geführt wurde. Man debattierte nur darüber, ob eine Legalisierung mit unseren Werten vereinbar ist oder nicht. Ob ein Cannabisverbot aus sozialer und ökonomischer Hinsicht überhaupt Sinn macht, wurde dabei fast komplett vergessen. Zudem wurde die Initiative aufgrund der Zusammensetzung des Initiativkommitees wohl als 'links' angeschaut, obwohl die Frage der Legalisierung nichts mit einer politischen Richtung zu tun hat."

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Noch in diesem Jahr soll die Unterschriftensammlung für eine neue Hanf-Initiative beginnen. Mit der Unterstützung aller Kiffer kann die Initiative allerdings nicht rechnen. "Ich finde die aktuelle Situation in der Schweiz angenehm, ich weiss nicht, ob ich Ja stimmen würde", sagt mir mein Freund Mirko*, der alle paar Wochen etwas raucht. "Wenn Gras legal wäre, würden sicher die Preise steigen und vielleicht gäbe es auch weniger Sorten zur Auswahl." Er ergänzt: "Mein Dealer würde auf jeden Fall Nein stimmen, weil ja nicht sicher ist, ob er bei einer Legalisierung eine Verkaufslizenz erhalten würde." Eine andere Kollegin, Stephanie*, die ein paar Mal im Jahr kifft, kann diese Meinung nicht verstehen: "Ich bin ganz klar für die Legalisierung. Es machen eh alle und die Polizei hätte Besseres zu tun als Bussen zu verteilen."

Nino Forrer von Legalize it! ist trotzdem überzeugt, dass die Bedingungen für einen Erfolg der neuen Hanf-Initiative gut stehen: "Es hat sich viel verändert. Die Daten aus den verschiedenen Regionen, in denen der Konsum und teilweise der Handel mit Cannabis erlaubt wurden, zeigen: Eine Legalisierung endet nicht in Sodom und Gomorrha, sondern meistens in einem schönen zusätzlichen Betrag an Steuergeldern, welche dann der Allgemeinheit zugute kommen." Falls die neue Hanf-Initiative ihre 100.000 Unterschriften sammeln kann, dauert es aber noch gut drei Jahre, bis sie vors Volk kommt. Und falls sie angenommen würde, müssten sich Kiffer etwa bis ins Jahr 2022 gedulden, bis sie auf Schweizer Boden an ihren ersten legalen Joint ziehen dürfen.

Bis dahin können sie sich mit kleinen Lichtblicken trösten: Seit 2016 die ersten CBD-Produkte genehmigt wurden, eröffnen an jeder Ecke neue "Hanflädeli". Und in Schweizer Städten wie Bern und Zürich und einzelnen Kantonen gibt es Projekte, die die Abgabe von Cannabis an ausgewählte Menschen ermöglichen möchte. Freiwillige Teilnehmer gäbe es en masse. Allerdings müssen sämtliche Projekte noch vom Bundesamt für Gesundheit genehmigt werden. Geschehen könnte dies noch 2017.

*Mirko und Stephanie heissen eigentlich anders, möchten ihre richtigen Namen aber nicht in diesem Text lesen.

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