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Superwaffe gegen Werbung: Der intelligenteste Adblocker aller Zeiten ist da

Das Tool hat herkömmlichen Modellen gegenüber zwei entscheidende Vorteile und erkennt sogar gesponserte Inhalte, die bisher als unblockbar galten. Stoppt das Programm das unsägliche Wettrüsten um Online-Werbung?
Bild: David Evers | Wikimedia Commons

Forscher der US-Universitäten Princeton und Stanford haben einen Adblocker entwickelt, der eine scheinbar unschlagbare Geheimwaffe gegen Online-Werbung ist. Dem Programm gelang es in Tests, die Anti-Adblocking-Scripts auf 50 von 50 Websites zu umgehen. Sogar Facebook-Werbungen konnte das Tool blocken, obwohl diese bisher als unblockbar galten. Sollte sich die Entwicklung durchsetzen, könnte sie das Kräfteverhältnis im Werbemarkt verschieben und dem ewigen Wettrüsten zwischen Werbeanzeigen und Adblockern endlich ein Ende setzen.

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Die Software, die von Arvind Narayanan, Dillon Reisman, Jonathan Mayer und Grant Storey entwickelt wurde, unterscheidet sich von herkömmlichen Adblockern in zwei wichtigen Punkten: Erstens verfolgen die Forscher bei ihrer Entwicklung einen anderen Ansatz als bisher und betrachten den Konflikt zwischen Werbeanbietern und Adblockern als Sicherheitsproblem. Dementsprechend verwenden sie zum Blocken der Werbung ähnliche Mittel, mit denen Antivirenprogramme gegen Schadsoftware vorgehen. Um Werbung unbemerkt zu blocken, greifen die Forscher auf Verfahren zurück, die auch in sogenannten Rootkits, die bei Schadsoftware-Angriffen wichtig sind, zum Einsatz kommen.

Im Unterschied zu bisherigen Adblocker-Technologien machen sich die Forscher außerdem die Regelungen zunutze, die vorschreiben, dass Werbung eindeutig als solche gekennzeichnet werden muss. Damit der Adblocker Werbeinhalte genauso gut identifizieren kann wie menschliche Nutzer es können, setzen die Forscher verschiedene intelligente Verfahren des maschinellen Sehens ein. Dieses Prinzip bezeichnen sie als „Perceptual Adblocking", also das Blockieren von Werbeinhalten auf der Basis des Erscheinungsbildes der Website – automatisch ausgeführt von einem Programm, das sich an der menschlichen Wahrnehmung orientiert.

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Das Wettrüsten zwischen Werbeanzeigen und Adblockern hat sich in den vergangenen Jahren immer weiter zugespitzt. Dabei gehen die beliebtesten Adblocker wie beispielsweise Adblock Plus und uBlock Origin alle nach demselben Prinzip vor: Sie suchen nach Codes und URLs, die von gewöhnlichen Werbeanzeigen verwendet werden. Diese Daten können auch auf riesigen Open-Source-Listen von engagierten Adblock-Entwicklern nachgeschlagen werden.

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Traditionelle Adblocker suchen nach Code, der normalerweise in Werbung verwendet wird, und blockieren ihn.

Somit ist es für Werbeanbieter und Online-Herausgeber verhältnismäßig leicht, die Adblocker auszutricksen: Sie müssen einfach nur den Code ihrer Werbeanzeigen ändern. Außerdem können die Adblocker meist leicht durch Anti-Adblocker aufgespürt werden, die auf den Seiten von über 50 beliebten Anbietern zum Einsatz kommen. Zudem sind herkömmliche Werbefilter nicht in der Lage, Werbeinhalte zu identifizieren, die wie ganz normale redaktionelle Beiträge aussehen. Das ist auch der Grund, warum es Adblockern bisher nicht gelingt, die „Sponsored Posts" auf Facebook zu blockieren.

Der Perceptual Adblocker der Forscher hingegen interessiert sich nicht für den Code. Stattdessen nutzt das Programm optische Zeichenerkennung, um gezielt nach Wörtern wie „Sponsored" oder „Anzeige" zu suchen, mit denen die Werbeinhalte gekennzeichnet sein müssen. So kann das Programm auch die versteckten Anzeigen auf Facebook erkennen. Da Werbetreibende sich an die gesetzlichen Regelungen zur Werbekennzeichnung halten müssen, gehen die Forscher davon aus, dass die Konsumenten – und Adblocker – im Endeffekt die Oberhand haben werden. „Im Unterschied zu Schadsoftware wird das Verhalten von Werbetreibenden und Adblocking-Tools durch gesetzliche Vorgaben bestimmt", erklären die Forscher in ihrem Paper.

Dank dieser Kennzeichnungen funktioniert der Perceptual Adblocker.

Der Kampf zwischen Adblocking und Online-Werbern ist ein sensibler und komplizierter Themenkomplex. Es gibt gute Gründe, warum manche Nutzer auf Adblocker zurückgreifen: Das Problem des Malvertisings, der Einsatz von Tracking- und Überwachungstools und die Scripts, die die Browserleistung beeinträchtigen. Eine Studie fand kürzlich sogar heraus, dass Werbung und Scripts Webseiten bis zu 44 Prozent verlangsamen können. Andererseits beziehen viele Unternehmen – dazu zählt auch VICE – einen wichtigen Teil ihrer Einnahmen aus Werbeanzeigen. Schon heute sorgt die weite Verbreitung von Adblockern für beträchtliche Einbußen bei Online-Medien. Das wiederum kann dafür sorgen, dass die Nutzer, die Adblocker verwenden, indirekt dazu beitragen, dass die Medien, die sie gerne konsumieren, weniger Inhalte produzieren können.

Der Perceptual Adblocker ist als Prototyp für Chrome verfügbar, der Ads allerdings nur aufzeigt, aber nicht blockiert. Diese eingeschränkte Funktionalität hat einen einfach Grund: Die Forscher selbst wollen keine Position dazu beziehen, ob es ethisch richtig ist, Adblocker zu verwenden oder nicht. Sie glauben vielmehr, dass sich die grundsätzlichen Verhältnisse zwischen Werbeanbietern, Herausgebern und Lesern verändern muss.

Weitere technische Details zu dem Adblocker finden sich in der ungekürzten Originalversion des Artikels.