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„Team Marktwert" fordert für eigene Tradition mehr Geld

Sechs Traditionsvereine wollen die Verteilung der TV-Gelder reformieren. Nicht nur der Tabellenplatz soll wichtig sein, sondern auch Facebook-Fans oder TV-Zuschauer. Aber ist das gerecht?
Foto: Imago

Tore, Stars und lauter bunte Geschichten—die Bundesliga wird von Millionen Fans in Stadien, Fernsehen oder online verfolgt. Die Einnahmen der Liga steigen von Jahr zu Jahr und wecken somit Begehrlichkeiten bei den Klubs. Sechs von ihnen, allesamt sogenannte Traditionsvereine, haben sich nun zum Team Marktwert zusammengeschlossen. Ihr Ziel: Sie wollen mehr Geld.

Der Hamburger SV, der 1. FC Köln, Eintracht Frankfurt, Werder Bremen, der VfB Stuttgart und Hertha BSC erklärten in einer gemeinsamen Stellungnahme, dass sie eine „gerechte und moderne Verteilung der nationalen TV-Gelder" anstreben. Zuvor hatte die DFL (Deutsche Fußball Liga) die Klubs gebeten, neue und nachhaltige Modelle zu erarbeiten. Laut Team Marktwert sollen die Gelder der nationalen Fernsehvermarktung, derzeit durchschnittlich 628 Millionen Euro pro Saison, über die reine Wertung von Tabellenplätzen hinausgehen: Im Mittelpunkt ihrer Reform steht die Bedeutung der einzelnen Klubs für die Marke Bundesliga.

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Bisher greift bei der Ausschüttung der TV-Gelder in der Bundesliga (80 Prozent der Gelder, weil 20 Prozent direkt in die Zweite Liga fließen) das Zwei-Säulen-Modell: Der Sockelbetrag (ca. 65%) wird unter allen Klubs zu gleichen Teilen verteilt. Die restlichen 35% werden nach den Tabellenplatzierungen der letzten fünf Jahre vergeben. Die sechs Klubs wollen nun eine dritte Säule hinzufügen, die sich aus dem Marktwert der einzelnen Klubs zusammenstellt. „Dieser Marktwert kann sich aus objektiven Kennzahlen wie Fanbasis, Beliebtheit, Bekanntheit, TV-Reichweite und Interaktionsraten in Social Media errechnen", heißt es in der Stellungnahme. Die Absicht der Sechs: Es soll eine Belohnung geben, wenn ein Verein mehr Fans hat. Aber ist das gerecht?

Der Vorstoß von Team Marktwert spaltet Fans und Vereine in zwei Lager, denn er heizt erneut die Traditionsdebatte an. Nutznießer wären schließlich die großen Vereine aus dem Mittelfeld der Liga, die sich über Jahrzehnte eine riesige Fangemeinde aufgebaut haben, aber in den letzten Jahren mitunter sportlich unter die Räder gekommen sind. Die großen Verlierer wären junge und/oder aufstrebende Klubs ohne große Fanscharen wie der FC Ingolstadt, die TSG Hoffenheim, der VfL Wolfsburg oder der FC Augsburg.

Wo stehen die Mitglieder von #TeamMarktwert eigentlich in der Stadionauslastung? Oh, 4/6 unter den letzten 7. pic.twitter.com/inOQfksvrn
— Martin B (@aina_93) 30. März 2016

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Die „kleinen" Vereine geben sich mit dem derzeitigen System zufrieden. „Ich halte dieses Verfahren für sehr fair und solidarisch. Für die Bundesliga war das in der Vergangenheit eine sinnvolle Lösung", erklärte Wolfsburgs Manager Klaus Allofs. Sie beharren darauf, dass die sportlichen Leistungen weiterhin im Vordergrund stehen sollten. Zudem ließe sich ein „Marktwert" kaum objektiv messen. Die Fans der „Kleinen" werfen den Traditionsvereinen vor, dass eine glorreiche Vergangenheit keine Legitimation dafür sein darf, Jahre später und oftmals nach eigenem Misserfolg trotzdem Anspruch auf Geld zu erheben.

Die Traditionsvereine um das Team Marktwert sehen sich jedoch mitverantwortlich für die Erfolge der Marke Bundesliga und wollen dafür entlohnt werden. „Wer den Wert eines Produktes steigert, weil er viel mehr Fans und Anhänger hat, der sollte bei der Verteilung der Einnahmen auch entsprechend berücksichtigt werden. Alles andere wäre ungerecht", betonte etwa VfB-Präsident Bernd Wahler. Für sie spricht, dass die Rechteinhaber wie etwa Pay-TV-Sender Sky nur so viel Geld bezahlen, weil sie an einer hohen Einschaltquote interessiert sind. Auf der TV-Zuschauer-Tabelle des Branchendiensts Meedia landen die mitunter sportlich strauchelnden Vereine vom Team Markwert mit Hunderttausenden Zuschauern in den Top 10. Ingolstadt, Hoffenheim und Wolfsburg belegen hingegen mit oftmals nicht mal messbaren Einschaltquoten die letzten drei Plätze. Trotzdem streicht die TSG 31 Millionen Euro Fernsehgelder ein, der FC Köln „nur" 23.

Was genau ist an #TeamMarktwert
so grauenhaft? ich verstehe es nicht. Diese Clubs tragen seit Jahrzenten die Buli. FCI, RB und Hoffe nicht.
— Stefan (@Surfin_Bird) 30. März 2016

In Europas Topligen (England, Spanien, Italien, Frankreich, Niederlande) werden neben der sportlichen Leistung schon länger auch weitere Kennzahlen berücksichtigt. In Spanien werden verkaufte Tickets und die Einschaltquoten gemessen, in den Niederlanden werden gar 50 Prozent der Gelder nach der Attraktivität des Vereins verteilt.

Wenn die Bundesliga zur Saison 2017/18 einen neuen TV-Vertrag aushandelt und die DFL die Einnahmen von über 600 Millionen jährlich auf eine Milliarde steigern will, muss sie den Geldgebern eine attraktive Liga mit vielen zahlenden Zuschauern versprechen können. Und so sportlich interessant ein Duell zwischen Hoffenheim und Wolfsburg auch werden mag, es werden sich trotzdem mehr Fans ein Spiel zwischen dem HSV und dem 1. FC Köln anschauen. Da der Vorstoß von Team Marktwert nur wenigen Mannschaften „schadet" und den zahlreichen Traditionsvereinen in der 1. und 2. Liga zugutekommt, stehen die Aussichten auf eine Reform sehr gut. Aber egal, wie die Liga am Ende entscheidet: Es wird immer Leidtragende geben, ob es nun Traditionsvereine mit zahlreichen Fans oder kleine Klubs mit zahlreichen Punkten sind…